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Hungerstreik im Abschiebeknast

Protest in bayerischem Gefängnis: Kurdischen Aktivisten droht Überstellung von Bulgarien in die Türkei

Im bayerischen Abschiebegefängnis in Eichstätt sind seit Dienstag vergangener Woche mehrere Gefangene in den Hungerstreik getreten.

Es gibt unterschiedliche Versionen, warum sich wie viele Menschen daran beteiligen. Am Donnerstag hätten zehn Menschen die Nahrungsaufnahme verweigert, am Freitag seien es bereits zwischen 27 und 31 Insassen gewesen, berichtete Johanna Böhm vom »Bayerischen Flüchtlingsrat« im Gespräch mit junge Welt. Dies hätten Verwandte und Freunde nach dem Besuch bei ihren Angehörigen berichtet. Ein Sprecher des Nürnberger Bündnisses für Frieden in Kurdistan erklärte gegenüber dieser Zeitung am Freitag, der Protest richte sich gegen die Abschiebungen und die Bedingungen in der Abschiebehaft.

Das bayerische Innenministerium bestritt diese Informationen auf Nachfrage von junge Welt. Am Freitag nachmittag hieß es, nur ein Gefangener protestiere auf diese Weise, zuvor seien es lediglich vier Personen gewesen. Der verbliebene Hungerstreikende – so heißt es in der schriftlichen Mitteilung – werde »selbstverständlich weiterhin engmaschig medizinisch betreut und überwacht«. Was dies im Detail bedeutet, blieb zunächst unklar. Nahezu zynisch mutet die Erklärung über die Gründe für die Aktion an: »Einer der Gefangenen wollte freiwillig als sogenannter Hausarbeiter eingesetzt werden, der zweite Gefangene wollte mit seinem Hungerstreik dieses Anliegen – dem aktuell aus organisatorischen Gründen nicht nachgekommen werden kann – unterstützen«. Ein Dritter habe die »Nahrung verweigert«, weil ihm »nach seiner Aussage – ›die Polizei Geld abgenommen habe‹«.

Diese Darstellung diffamiere die »sich in verzweifelter Situation befindlichen Abschiebehäftlinge«, kommentierte Johanna Böhm. Ihr schloss sich auch Azad Bingöl, Kovorsitzender des Kurdischen Gesellschaftszentrums in München, an. Mit solchen Aussagen versuche das Ministerium, den Protest lächerlich zu machen. »Es wäre nicht das erste Mal, dass Behörden lügen«, so Bingöl am Freitag im Gespräch mit junge Welt. Er hoffe, dass »dem Spuk mit den bayerischen Landtagswahlen am 14. Oktober ein Ende bereitet« werde.

Auslöser für den Hungerstreik war der gescheiterte Abschiebeversuch des kurdischen Aktivisten R. A. nach Sofia in Bulgarien am Montag vor einer Woche. Flüchtlingsunterstützer hatten am Check-in am Münchener Flughafen Passagiere informiert, dass er gegen seinen Willen ausgeflogen werden sollte. Der Pilot verweigerte zudem den Start seiner Maschine. Zuvor hatte die Bundespolizei den Gefangenen mehrere Tage lang in einen Container unmittelbar an einer Rollbahn gesperrt. Augenzeugen berichteten von unwürdigen Bedingungen dort: Schlafmangel wegen ständigen Fluglärms, statt Fenstern zugige Luftschächte und eingeschränkte Besuchszeiten. Als »psychische Folter« bezeichnete Bingöl das. Es sei insbesondere für kurdische Aktivisten problematisch, dass »die Behörden trotz Kenntnis der Politik Erdogans weiterhin gewissenlos abschieben«.

Die Bedingungen im Eichstätter Abschiebegefängnis monierte auch die Anwältin Elisa Urbanczyk am Freitag gegenüber junge Welt. Sie vertritt zwei dort eingesperrte HDP-Aktivisten, denen die Türkei Unterstützung der PKK und somit Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation vorwirft. Ihre Handys seien ihnen abgenommen worden. Anwälte könnten nicht von sich aus in der Einrichtung anrufen, um ihre Mandanten zu erreichen. Beiden Regimegegnern stehe die Abschiebung nach Bulgarien bevor – und im Fall einer Überstellung von dort aus in die Türkei jahrelange Haft, so Urbanczyk. Einer der Aktivisten soll mit dem Lufthansa-Flug LH1702 am 10. Oktober um neun Uhr vom Münchener Flughafen ausgeflogen werden. Bei dem anderen gab die Behörde wegen des gescheiterten Versuchs als Zeitpunkt nur die 41. Kalenderwoche bekannt, die am heutigen Montag beginnt.

»Lufthansa lehnt schon seit etlichen Jahren Abschiebungen gegen den Widerstand der Betroffenen grundsätzlich ab«, teilte die Fluggesellschaft am Freitag gegenüber junge Welt mit. Trotz ihrer »gesetzlichen Beförderungspflicht« könne Lufthansa »Fluggäste ausschließen, die aufgrund ihres Verhaltens oder Zustands eine konkrete Gefahr für die Sicherheit und Ordnung an Bord darstellen könnten«. Gemeint sei etwa, dass sie »sich oder andere gefährden, oder ihr Mitflug eine unzumutbare Belastung für die anderen Fluggäste darstellte«. Allein anhand dieser Kriterien entscheide ein Pilot, ein Flugzeug zu starten.
Von Gitta Düperthal junge Welt 8.10.18