Am 11. Oktober 2011 beschlossen die israelische Regierung und die Hamas-Behörde ein Abkommen, bei dem 1027 palästinensische Gefangene im Austausch für den gefangenen israelischen Soldaten Gilad Shalit freigelassen werden. Es ist eine seit langem erwartete Entwicklung für palästinensische Gefangene, ihre Familien und die palästinensische Gesellschaft.
Als Organisationen, die sich dem Einsatz und dem Schutz der Menschenrechte in den besetzten palästinensischen Gebieten widmeten, ist es jedoch eine Verpflichtung der Addameer-Gefangenen –Unterstützung und Menschenrechts-Vereinigung Al-Haq auf ihre Bedenken ein Schlaglicht zu werfen und jene Aspekte des Abkommens zu verurteilen, die grundsätzlich nicht mit dem internationalen Gesetz übereinstimmen.
Nur 27 der 35 Frauen, die augenblicklich in israelischen Gefängnissen sitzen, wurden in die 1. Liste der zu entlassenen Gefangenen eingeschlossen, trotz Abkommen mit Israel, dass alle weiblichen politischen Gefangenen in den Austausch eingeschlossen werden. Von entscheidender Bedeutung ist, dass von den ersten 477 Gefangenen, die entlassen werden sollen, 205 von ihnen nicht mit ihren Familien vereinigt werden, da ihre Entlassung von ihrer Deportation oder einem Transfer abhängig gemacht worden ist, wobei beides eine Verletzung des Völkerrechts ist. Von den Westbank-Gefangenen, einschließlich Ost-Jerusalems werden 18 drei Jahre lang in den Gazastreifen transferiert, während zusätzliche 146 gezwungenermaßen auf Dauer dort bleiben müssen. Weitere 41 Gefangene, einschließlich einer Frau, werden ins Ausland – in noch unbekannte Dritt-Länder – deportiert.
Nach Sahar Francis, Direktor von Addameer, dient ihr Exil – ob im Gazastreifen, der von Israel hermetisch von den besetzten Gebieten abgeschlossenen ist oder außerhalb der besetzten Gebieten – in Wirklichkeit einer Erweiterung ihrer Isolierung von ihrer Heimat und ihren Familien, und in vielen Fällen kann dies als eine 2. Gefängnisstrafe angesehen werden. Diese Gefängnisstrafen verletzen Artikel 49 der Vierten Genfer Konvention (GC IV), die gewaltsamen Transfer und Deportationen von geschützten Personen verbietet, ein Verbot, das ein Teil des internationalen Gewohnheitsrechts ist. Ungesetzliche Deportation und Transfer stellen auch einen ernsten Bruch der Vierten Genfer Konvention (GC IV) dar und wird als eines der schwersten Kriegsverbrechen qualifiziert. Angesichts einer starken Machtasymmetrie, die in einer aggressiven Besatzung besteht … kann weder der potentielle „Konsens“ der Gefangenen noch die Tatsache, dass das Abkommen von einer palästinensischen Behörde verhandelt wurde, als Rechtfertigung für eine Deportation dienen, da dies dem Geist des Artikels 7,8, und 47 der GC IV widerspricht, die die Unantastbarkeit des Schutzes betrifft, die durch die Konvention gewährt wird
Während das Austauschabkommen ein Grund zum Feiern sein sollte, besonders für die 1027 betroffenen Familien, wird dies von fortgesetzter Kerkerhaft von etwa 4347 palästinensischen politischen Gefangenen überschattet. Shavarin Jabarin, Direktor von Al-HAQ, bemerkt, dass „Vorschläge für ihre Entlassung weiter von israelischen politischen Interessen diktiert wird, genau wie das Schicksal der 1027 Gefangenen mit der Entlassung eines einzigen israelischen Soldaten verbunden war, dessen Gefangennahme weiter nachteilige Auswirkungen auf die Rechte unzähliger Palästinenser hat, die unter der israelischen Blockade im Gazastreifen leben.“
Diese politischen Gefangenen – verhaftet auf Grund israelisch militärischer Order, die jede Form von Widerstand gegenüber der Besatzung kriminalisiert; verurteilt von israelischen Militärtribunalen, die nicht mit internationalen Prozess-Standards übereinstimmen oder in Verwaltungshaft (ohne Anklage oder Gerichtsverhandlung) gehalten wurden; und unter harten und illegalen Haftbedingungen eingesperrt waren, die vor kurzem sie dahin gebracht hatte, einen Hungerstreik zu beginnen – diese politischen Gefangenen haben ein Recht auf Gerechtigkeit. Bevor die Aufmerksamkeit als Folge des Gefangenenaustausches schwindet, ist es dringend nötig, eine faire und endgültige Lösung für ihren Kampf zu fordern, in Form von bedingungsloser Entlassung, in Übereinstimmung mit dem internationalen Recht.