pkk

Kassationshof in Brüssel bestätigt: PKK ist keine terroristische Organisation, sondern Partei in einem bewaffneten Konflikt

Heute hat der Generalstaatsanwalt beim Kassationshof – dem obersten belgischen Gericht – in Brüssel die Entscheidung des Revisionsgerichts vom März 2019 voll und ganz bestätigt. Dieses hatte in dem seit etlichen Jahren laufenden Verfahren gegen kurdische Exilpolitiker*innen und Mitarbeiter*innen kurdischer Medien entschieden, dass der Prozess wegen des Vorwurfs der Unterstützung des Terrorismus (hier: PKK) nach geltendem belgischen Recht nicht zu eröffnen ist.

Im Zentrum dieser Entscheidung stand die Frage, ob es sich im Falle der Kurdischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) überhaupt um eine von der Anklage behauptete terroristische Organisation handelt. Das Gericht hatte sich – auf der Basis umfangreicher Anträge der Verteidigung – intensiv mit den politischen Hintergründen des seit bald einhundert Jahren ungelösten türkisch-kurdischen Konfliktes auseinandergesetzt.

Es kam schließlich zu dem Ergebnis, dass es hier um eine bewaffnete innerstaatliche Auseinandersetzung geht, bei dem die PKK bzw. die Volksverteidigungskräfte (HPG) als

e i n e Seite des Konflikts, aber keinesfalls als terroristische Organisationen zu werten seien. Die Richter hatten ihre Argumentation außerdem auf das Zusatzprotokoll des Genfer Abkommens gestützt, wonach Freiheitskämpfe gegen Ausbeutung und Unterdrückung anzuerkennen sind. Auch, weil die PKK auf europäischem Boden keine militärischen Angriffe durchführe, könne das in Belgien geltende Antiterrorgesetzes nicht angewendet werden.

Dieser Sichtweise war nunmehr der Kassationshof gefolgt.

Hintergrund des Verfahrens waren Razzien in Brüssel, die die Polizei im Jahre 2010 in den Büros des Kurdischen Nationalkongresses (KNK) als auch in den Produktionsstätten des kurdischen Fernsehens durchgeführt hatte. Im Zuge dieser Durchsuchungen wurden nicht nur Dokumente und Materialien in großem Umfang beschlagnahmt, sondern auch viele Kurd*innen zumindest vorübergehend festgenommen. Die Ermittlungen mündeten in einer Anklage der Staatsanwaltschaft gegen insgesamt 40 Personen. Allen unterstellte sie, an Taten einer „terroristischen“ Organisation beteiligt bzw. verantwortlich tätig gewesen zu sein.

An der heutigen Verhandlung nahmen neben den Verteidiger*innen der betroffenen Kurdinnen und Kurden auch zwei Vertreter des türkischen Staates sowie ein Staatsanwalt teil. Trotz Urteil des höchsten belgischen Gerichts, ist die Einlegung von Rechtsmitteln dennoch möglich. So kündigten die Ankläger umgehend an, gegen die heutige Entscheidung wieder Rechtsmittel einzulegen. Der Kassationshof setzte hierfür eine Frist bis zum 24. Januar. Sollte bis zu diesem Termin die Revision vorliegen, wird eine erneute Verhandlung am 28. Januar in Brüssel stattfinden.

Für den 29. Januar ist eine Pressekonferenz der kurdischen Organisationen vorgesehen.

Die heutige Entscheidung des Kassationshofs zeigt, dass es möglich ist, aufgrund von Fakten und einer realistischen Sichtweise eine grundlegend andere Einschätzung und Einordung von Konflikten vorzunehmen, die nicht mit strafrechtlichen, sondern nur mit den Mitteln politischer Verhandlungen zu lösen sind.

Die deutsche Politik, die Strafverfolgungsbehörden und die Justiz sollten sich hieran ein Beispiel nehmen.

AZADÎ e.V., Rechtshilfefonds

für Kurdinnen und Kurden in Deutschland