(Dieses Interview hat Lisa mit einer libertären Publikation aus Dresden gemacht)
Wie hast du den Prozess empfunden?
Es war mein erster Prozess, den ich als Angeklagte erlebt habe und dann noch so ein großer, bei dem so einige Jahre auf dem Spiel standen. Ich hatte somit wenig Erwartungen und Vorstellungen, was vielleicht auch besser so war. Ich habe es eigentlich ziemlich stark und locker erlebt, der erste und vor allem der letzte Prozesstag waren nur etwas härter und aufreibender. Anstrengend waren die ganzen Transporte aus Köln und, dass sie und in Aachen fast nichts zu essen gegeben haben und ich mich dort fast nur von Nüssen und Rosinen ernährte, dank den Anwälten. Ausserdem konnte ich mich ja mit meinen Gefährt*innen und Freund*innen nicht austauschen und musste alle wichtigen Entscheidungen für mich alleine treffen.
Ich hatte aber jederzeit vollstes Vertrauen in meine Leute, und fühlte mich auch 100% unterstützt von ihnen und vielen weiteren Gefährt*innen. Das gab mir natürlich eine riesen Stärke und viel Stolz auf uns, unsere Ideen und unsere Kämpfe.
(Dieses Interview hat Lisa mit einer libertären Publikation aus Dresden gemacht)
Wie hast du den Prozess empfunden?
Es war mein erster Prozess, den ich als Angeklagte erlebt habe und dann noch so ein großer, bei dem so einige Jahre auf dem Spiel standen. Ich hatte somit wenig Erwartungen und Vorstellungen, was vielleicht auch besser so war. Ich habe es eigentlich ziemlich stark und locker erlebt, der erste und vor allem der letzte Prozesstag waren nur etwas härter und aufreibender. Anstrengend waren die ganzen Transporte aus Köln und, dass sie und in Aachen fast nichts zu essen gegeben haben und ich mich dort fast nur von Nüssen und Rosinen ernährte, dank den Anwälten. Ausserdem konnte ich mich ja mit meinen Gefährt*innen und Freund*innen nicht austauschen und musste alle wichtigen Entscheidungen für mich alleine treffen. Ich hatte aber jederzeit vollstes Vertrauen in meine Leute, und fühlte mich auch 100% unterstützt von ihnen und vielen weiteren Gefährt*innen. Das gab mir natürlich eine riesen Stärke und viel Stolz auf uns, unsere Ideen und unsere Kämpfe.
Wie hat es sich angefühlt dieses Urteil zu bekommen?
Ich wusste ja, dass die Chancen verurteilt zu werden viel höher waren, auch wenn der Prozess positiv verlief und alles juristisch zu einem Freispruch führen müsste. Deshalb war ich auf eine Verurteilung vorbereitet und somit schockte es mich nicht. Aber natürlich war es trotzdem knallhart mir die nächsten Jahre im Knast vorzustellen, es geht ja schließlich um mein eigenes Leben und das ist emotional schon krass, v.a. zu wissen manche geliebten Menschen in Freiheit nicht wieder sehen zu werden. Im Gerichtssaal packte mich nach einigen Minuten eine absolute Wut auf diese Scheiss-Justiz, den Staat, die Bullen, dass sie uns die Freiheit, die Selbstbestimmung und unser Leben rauben, uns wegsperren. Es wundert mich zwar nicht, dass sie wie immer die Stärke, die Entschlossenheit und die Solidarität bestrafen, wie in dem Fall mich und mein Umfeld, aber es macht mich trotzdem so wütend, dem so wenig entgegensetzten zu können, außer natürlich noch mehr Stärke, Stolz, Würde… und ganz viel Wut.
Aber ich fühlte mich mit dieser Wut immerhin nicht alleine, sondern fühlte, dass der ganze Prozesssaal fast am explodieren war.
Jetzt im Nachhinein hat sich das auch nicht geändert, bloss das ich noch so einige, weitere Erfahrungen im Knast gemacht habe, die mich natürlich auch sehr geprägt haben. Ein Urteil ist ja nicht einfach nur eine Klatsche für den Moment, sondern eine Realität, die du jeden Tag aufs neue spürst… und zwar ganz besonderes hier im Knast, in dem alle verurteilt wurden und auch viele sehr viel Ungerechtigkeit und Schikane in ihren Prozessen erfahren haben.
Du hast erst in U-Haft gesessen, in der JVA Köln und nun in Willich. Wie können wir uns diese verschiedenen Knäste vorstellen?
In Spanien saß ich in Isohaft (in Soto del Real in Brieva), da mein Pandora-Verfahren noch offen war (inzwischen eingestellt). Isohaft ist natürlich im Vollzug viel schärfer, und trotzdem gibt es auch so manche Vorteile im Knast in Spanien verglichen mit Deutschland. Köln ist ein alter großer Knast mit mehr als 1000 Gefangenen, in dem sich Männer und Frauen ständig auf dem Gang und in teilweise gemischten Aktivitätsgruppen begegnen. Fast alle sind in U-Haft, es gibt somit eine riesige Fluktuation. Die Zustände sind teilweise miserabel, es gibt sehr viel Armut, Misere und Kommunikationsprobleme. Der Nicht-Deutschsprachige- und Analphabet*innenteil ist sehr groß… aber viele bekommen nur kurze oder Bewährungsstrafen. Willich II ist ein abgetrennter Frauen-Langzeitstrafenknast, etwa 200 Gefangene. Die meisten saßen schon vorher in anderen U-Haft-Knästen und haben schon Monate oder Jahre hinter sich. Die Atmosphäre ist somit ruhiger, aber die typischen Knastdynamiken sind stärker ausgeprägt. Dadurch, dass schon mehr Erfahrungen zusammen gemacht wurden, weiß jede, wie die andere drauf ist, wer aggressiv oder stressig ist, wer zinkt, wer lügt oder link ist, wem mensch trauen kann… Der Alltag vor allem in Willich ist von der Arbeit geprägt, da fast alle arbeiten und in Strafhaft ja Arbeitszwang herrscht. Ausserdem gibt es den täglichen Umschluss und die Freistunde, und zu dem wöchentliche Gruppen und ab und zu Sport. Letztendlich sind alle Knäste ähnlich in ihrer Bestrafungskonzeption, Willich ist wohl noch strenger und koservativer als der Knast in Köln, und der Vollzug ähnelt auf vielen Ebenen einer Forensik mit all den erzieherischen Massnahmen, dem Druck und den Erpressungen gegenüber Gefangenen.
Wie sieht dein Alltag dort aus? Deine Lebenssituation?
Ich arbeite, hab einen vollen Alltag mit Aktivitäten und sozialen Kontakten und mache ziemlich viel Sport, auch im Hof oder auf der Zelle. Ausserdem lese und schreibe ich, vor allem am Wochenende, wenn ich mehr Zeit dafür habe. Der Kontakt nach draußen ist sehr gering hier, ich bekomme zwar regelmäßig Besuch und Briefe, aber wir dürfen hier nur einmal im Monat telefonieren. Die Arbeit ist sehr beschissen bezahlt, mein Glück ist, dass ich nicht rauche und keine Abhängigkeiten habe, aber Geld von draußen können wir in Strafhaft sowieso nicht beziehen und die Preise im Einkaufsladen, wo wir einmal im Monat einkaufen können, sind scheiss teuer, teilweise doppelt so teuer wie in Supermärkten draußen, deshalb leben wir hier im Minimum, selbst wenn wir 40 Stunden wöchentlich teilweise sehr hart und körperlich arbeiten.
Gehst du arbeiten? Freiwillig? Konntest du aussuchen was du tust?
Ja, ich arbeite in Montage, natürlich unfreiwillig, wie alles im Knast unfreiwillig ist. Ich habe es dennoch vorgezogen mich der Arbeit nicht zu verweigern, um mehr Zeit ausserhalb der Zelle in Gemeinschaft zu sein und nicht in absoluter Armut zu leben, da wir ja hier in Deutschland in Strafhaft kein Geld mehr von draußen beziehen dürfen.
Wie sind die Arbeitsbedingungen?
Wie in normalen Betrieben auch, bloß mit mehr Kontrolle der Arbeitswerkzeuge, -Materialien und natürlich der Gefangenen… und richtig beschissener Bezahlung. Der Rest ist aber sehr ähnlich zur Arbeit in ganz normalen Betrieben in der unqualifizierte, stupiede Arbeit verrichtet wird.
Was fehlt die am meisten?
Die Freiheit. Die Selbstbestimmung. Die Unabhängigkeit. Und meine Familie, Freund*innen und Gefährt*innen, auch für sie da sein zu können, ganz besonders dann, wenn sie mich bräuchten. Ausserdem fehlt mir das Meer und die Berge…
Was ärgert dich am meisten?
Die größte Wut hab ich gegen all die täglichen Ungerechtigkeiten, die Schikane, die Unterdrückung und die Ausbeutung gegen uns Gefangene von Seiten des Knastes, der Schließer, des Staates, der Justiz, der Firmen, des Systems… das wir so Machtlos sind, oft wie Scheisse behandelt werden, unsere Körper und unsere Zeit nichts Wert sind, wir in Armut und Zwang gehalten werden, um uns besser ausbeuten zu können, wir auf Grund unserer Herkunft, unserer Geschichte oder unserer Gruppen oder „Banden“ diskriminiert und härter bestraft werden – beziehungsweise hier im Knast niemals „gelockert“ werden; wie versucht wird uns unter Druck, unter Stress oder in Abhängigkeiten zu halten, damit wir gefügig sind und an uns die ganze Pharma-Industrie verdienen kann… und noch so vieles mehr. Das ist zwar alles nichts neues, aber hier ist es in jedem Moment spürbar, und somit verschärft sich die schon immer vorhandene Wut gegen den Staat und das System.
Knäste sind mit ihren Haken, monotonen Routinen und Bestrafungssystemen dazu gemacht Menschen zu isolieren und zu brechen. Nimmst du das so wahr?
Ja. Nicht alle Routinen sind negativ, aber es ist ja etwas anderes eine feste, starre Routine vorgegeben zu bekommen, als sich selbst eine zu schaffen, um stark zu bleiben. Von der Zwangsroutine des Knastes gibt es ja keinen Ausbruch im Alltag. Das Bestrafungssystem ist natürlich die Wurzel des Knastsystems und genau dazu konzipiert um freie, rebellische oder einfach nicht anpassungsfähige Menschen zu brechen.
Wie versuchst du dagegen Widerstand zu leisten bzw. ist das überhaupt möglich?
Widerstand auf inividueller Ebene ist schon möglich, wenn mensch sich nicht entwürdigen oder kaputt machen lässt, das Knastsystem und die Schließer niemals legitimiert, ihnen gegenüber nicht unterwürfig ist, sich für die eigenen Rechte und die der Gefangenen einsetzt, solidarisch bleibt, sich nicht erpressen lässt und keine Angst vor Bestrafung hat… und möglicherweise neue Komplizenschaften auch für die Haftzeit hinaus bildet. Ein einzelner, starker und entschlossener Mensch kann auch hier im Knast sehr viel bewegen, ganz besonders dann, wenn es um sehr bewusste Entscheidungen und Wege geht. Das große Problem ist aber, dass der Großteil der Gefangenen so unterwürfig, schwach und egoistisch ist, und Organisierung und kollektiver Widerstand hier deshalb ziemlich unmöglich ist, weil es kein Vertrauen untereinander gibt. Kleinere Protestformen könnten möglich sein, aber nur dann wenn die Situation hier drinnen wirklich existenziell wird und die Gefangenen nichts mehr zu verlieren hätten, doch so lange sie mit Lockerungen und Strafen zu kaufen sind, werden sie so ziemlich jede Ausbeutung und Schikane einfach hinnehmen, zu mindest so weit es hart auf hart kommt. Und trotzdem gibt es immer wieder kleinste, widerständige Momente, die doch bei so einigen Gefangenen (und auch Schließern auf der anderen Seite) tiefe Spuren hinterlassen und zeigen, dass doch so einiges möglich ist, vorallem weil im Knast jede Art von Solidarität und Widerstand besonders intensiv gelebt wird.
Persönlich versuche ich immer stark und würdevoll durch den Knast zu gehen und mich gegen Ungerechtigkeiten zu wehren, oft hab ich auch Diskussionen und Probleme, manchmal bekomm ich auch „Diszis“ (Disziplinarstrafen). Ich hab aber immer versucht auch dabei auf mich selbst aufzupassen, nicht angreifbar zu sein und mich clever zu verhalten, um nicht kalt gemacht zu werden. Manchmal musste ich deshalb auch einen Schritt zurück gehen, was natürlich nicht leicht ist, aber insgesamt habe ich schon in allen wichtigen Momenten reagiert. Solidarität habe ich mit einzelnen Gefangenen erfahren.
Hast du Menschen im Knast mit denen du dich austauschen kannst?
Ja, es gibt einzelne würdevolle und rebellische Gefangene, aber der Großteil ist das absolute Gegenteil… genauso wie draußen in der Gesellschaft auch. Ich hatte aber immer Glück in meiner ganzen Knastzeit zumindest ein zwei Bezugspersonen zu haben, mit denen ich mich persönlich und teilweise politisch gut oder sehr gut austauschen konnte.
Wie ist das soziale Verhältnis der Menschen innerhalb der Knäste?
Es ist genauso wie draußen auch, die meisten sozialen Kontakte sind oberflächlich und Interessenbezogen, aber es gibt auch tiefere, enge Bindungen, die mensch hier evtl. finden kann. Das Problem ist, dass der Knast an sich eine Zwangsgemeinschaft ist, in dem mensch sich die Gemeinschaft und die Mitgefangenen eben nicht aussuchen kann. Wenn es Konflikte gibt, kann mensch sich nur schwer aus dem Weg gehen und muss sich irgendwie arrangieren, und das führt oft zu sehr viel Stress und Spannungen und artet manchmal dann auch in Gewalt aus.
Wie ist die Gesundheitsversorgung?
Sehr schlecht. Ich selbst hatte bisher immer Glück und noch keine gesundheitlichen Probleme, aber ich habe viel von anderen Mitgefangenen mitbekommen wie schlecht die Versorgung, gerade in ernsten Angelegenheiten, ist.
Wie sieht deine persönliche Perspektive im Knast aus?
Ich warte weiter auf meine Überstellung nach Spanien, die irgendwann vollzogen werden soll, wie bei allem im Knast braucht mensch immer viel Geduld, da es sehr langsam läuft. Wie dann mein weitere Weg durch den Knast in Spanien sein wird, werde ich noch sehen. Ich habe aber auf jeden Fall vor immer stark und würdevoll meinen Weg weiter zu gehen und für Gerechtigkeit, Freiheit und Anarchie immer weiter zu kämpfen, egal wie und wo auch immer.
Möchtest du denn Leser*innen noch etwas sagen?
Es ist wichtig keine Angst vor dem Knast und der Repression zu haben, da es zum Kampf dazu gehört. Klar ist es wichtig nicht zu leichtsinnig mit der eigenen Freiheit zu spielen, aber Knast ist niemals das Ende, sondern verschärft viel mehr die Entschlossenheit in sogar der beschissensten Situation – und dort erst recht – immer weiter zu kämpfen. Es gibt viele knallharte, krasse und ungerechte / unmenschliche Erfahrungen, aber auch einige unglaublich schöne und starke Erfahrungen und Begegnungen hier drinnen. Das wichtigste ist sich selbst immer ehrlich und treu zu bleiben – dann kann der Knast dich niemals brechen.
Lisa
JVA Willich II
Mai/Juni 2018
Soligruppe für Gefangene
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