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Mumia Abu-Jamal: Revolutionäre Tradition

Von Assata Shakur, junge Welt 18.5.15

Als ich das erste Mal die Aufnahme eines von Mumia Abu-Jamal im Gefängnis geschriebenen und gesprochenen Radiobeitrags hörte, begriff
ich sofort, warum Justiz und Polizei der Vereinigten Staaten von Amerika von Anfang an so entschlossen waren, ihn hinzurichten. Dabei bediente sich Mumia, der damals der einzige politische Gefangene mit afrikanischen Wurzeln im Todestrakt war, noch nicht einmal einer besonderen aufrührerischen Rhetorik. Was er sagte, war so klar, so wahrhaftig, dass ich augenblicklich alles aus den Händen legte und mich
voll und ganz auf seine Worte konzentrierte.

Mumia Abu-Jamal – Journalist, Ehemann, Vater, Großvater – ist ein brillanter Autor und Redner. Er besitzt die Fähigkeit, das zu sagen,
was gesagt werden muss, und zwar auf eine sehr anschauliche und eindringliche Art. Seine Sprache, seine Stärke und seine Intelligenz
erinnern mich besonders an einen Mann: El-Hajj Malik El-Shabazz, auch bekannt als Malcolm X. Mumia Abu-Jamal setzt auf eine wahrhaft
überzeugende Weise Malcolms Tradition und die Traditionen so vieler unserer Freiheitskämpfer fort, die ihr Leben im Befreiungskampf unseres
Volkes riskiert haben.

Wenn ich in den letzten Jahren Malcolms Geburtstag feierte (morgen, am 19. Mai, ist sein 90. Geburtstag; jW), dann musste ich immer
unwillkürlich auch an Mumia denken, den Mann, der so unendlich viele Jahre im Todestrakt zubringen musste, aber dennoch stark und
wunderschön blieb und entschlossen weiter für unsere Sache kämpfte. Mumia, politischer Aktivist, Revolutionär und Humanist, folgte
gewissenhaft Malcolms Spuren. Wir spüren deutlich, wie Malcolms Energien durch Mumia weiterwirken. Und wir spüren Mumias Energien, wenn
er Malcolms Vermächtnis in die Tat umsetzt.

Würde Malcolm X heute noch leben, dann, so bin ich mir sicher, würde er dafür kämpfen, Mumias Leben zu retten. Würde Malcolm X heute noch
leben, dann würde er auch dafür kämpfen, alle politischen Gefangenen zu befreien. An euch, Schwestern und Brüder, trage ich deshalb im Namen
von Malcolm X die besondere Bitte heran, mit all euren Kräften für Mumias Leben zu kämpfen und ihn aus dem eisernen Griff seiner
Unterdrücker zu befreien.

Euch, die ihr unsere Vorfahren ehrt, fordere ich eindringlich dazu auf, auch die lebenden Heldinnen und Helden unseres Kampfes zu ehren. Wenn
ihr die Namen der Sklavenbefreier Nat Turner und Harriet Tubman und den von Malcolm X würdigt, dann ermahne ich euch, auch die Namen der
politischen Gefangenen Sundiata Acoli (41 Jahre in Haft), Mutulu Shakur (28 Jahre in Haft) und Mumia Abu-Jamal (33 Jahre in Haft) und vieler
anderer zu würdigen. Vergesst keinen unserer lebenden Kämpfer und gebt sie niemals preis. Wenn wir ihrem Kampf gegenüber gleichgültig sind,
sind wir es auch unserem eigenen gegenüber. Wenn wir die lebenden Protagonisten unserer Geschichte preisgeben, dann geben wir auch uns
selbst preis. Wir haben nicht vermocht, Malcolm X zu retten, aber wir können Mumia retten. Wir können ihn retten, und wir müssen ihn retten!
Weil wir unseren Bruder Mumia lieben, und weil wir ihn hier draußen an unserer Seite im Kampf für die Freiheit brauchen. Befreien wir Mumia
Abu-Jamal und alle politischen Gefangenen! Setzen wir unsere Tradition fort – bis zur endgültigen Freiheit!

Übersetzung: Jürgen Heiserassata