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ÖSTERREICH, Wien: SOLIDARITÄT MIT DEM HUNGERSTREIK FÜR GERECHTIGKEIT IN DER TÜRKEI

Solidaritätskundgebung im Gedenken an die im Todesfasten für Gerechtigkeit und Freiheit der Kunst verstorbenen Grup Yorum Mitglieder Helin Bölek und Ibrahim Gökcek, sowie Mustafa Kocak.

WIEN – STEFANSPLATZ – VIRGILKAPELLE (neben Kirche)
DATUM: Sonntag, 17.MAI 2020, 14:00 UHR

Wir laden alle Organisationen und FreundInnen ein, die sich mit diesem Widerstand solidarisch erklärt haben, um an diesem Tag gemeinsam unseren gefallenen KämpferInnen für Gerechtigkeit zu gedenken.

Das Wort wird bei allen sein, die für die gerechte Stimme des Widerstands eintreten und unser Gedenken wird auch musikalisch begleitet. Wir bitten um Kontaktaufnahme,
falls jemand einen musikalischen Beitrag geben möchte.

Seit knapp einem Jahr haben in der Türkei MusikerInnen, JuristInnen, politische Gefangene in der Türkei mit einem zum Todesfasten erweiterten Hungerstreik auf die Ungerechtigkeit und Gesetzwidrigkeit der Regierung aufmerksam machen wollen.
Lieder und Konzerte werden verboten, Mitglieder der bekannten Protest-Folkband Grup Yorum massiv unterdrückt, kriminalisiert und in Haft genommen, linke Oppositionelle, darunter auch demokratische AnwältInnen werden zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt, die sich lediglich auf erzwungene Aussagen von Polizeiinformanten stützen und mit unabhängiger Gerichtsbarkeit nicht vereinbar sind.

Mitglieder der Band Grup Yorum Ibrahim Gökcek und Helin Bölek sind daher im vergangenen Jahr in ein Todesfasten getreten, um ihre Musik, ihren Kunst frei ausüben zu können und die Freilassung ihrer inhaftierten FreundInnen zu fordern.

Der oppositionelle Mustafa Kocak, der mit Falschaussagen ohne Beweisaufnahme zu lebenslanger Haft verurteilt wurde und dem von Anfang an ein faires Verfahren verweigert wurde, trat ebenfalls ins Todesfasten.
Die AKP- Regierung hat allen dreien ihre legitimen und gerechten Forderungen bis zuletzt verweigert und erneut vor aller Öffentlichkeit demonstriert, dass sie weit weg ist von einem Rechtsstaat und die eigenen Gesetze nicht respektiert.

Nachdem Grup Yorum- Solistin Helin Bölek am 288. Tag ihres Hungerstreiks ihr Leben verlor und auch Mustafa Kocak nach 297 Tagen im Gefängnis von Kiriklar/Izmir, nach furchtbarer Folter und Schmerzen im Kampf für Menschenwürde sen Leben opferte, blickte nun die ganze Welt mit großem Respekt auf den Widerstand von Ibrahim Gökcek, dessen einziger Wunsch es war, wieder auf Konzerten mit seiner Bassgitarre auftreten zu können und seine FreundInnen in Freiheit zu wissen.

Die internationale Solidarität wuchs Tag für Tag, MusikerInnen, politische Organisationen, Intellektuelle, MenschenrechtsvertreterInnen, Abgeordnete verschiedener Parteien in Europa stellten sich hinter die Forderung des Hungerstreikenden und riefen die AKP Regierung auf, die Einschränkungen gegenüber den KünstlerInnen aufzuheben.

Der Hungerstreik konnte einen großen politischen Sieg für sich verzeichnen und die Stimme des gerechten Widerstands wurde sogar weit über die Grenzen Europas hinaus gehört.

Ibrahim Gökcek unterbrach sein Todesfasten infolge einer gemeinsamen Entscheidung mit seinen BandkollegInnen am 323. Tag. Zu dem Zeitpunkt haben sich zahlreiche demokratische PolitikerInnen, Intellektuelle, KünstlerInnen und MenschenrechtlerInnen vor dem ‚Widerstandshaus‘ versammelt, um Grup Yorum’s Forderungen zu unterstützen.

Eine Menschenrechtsdelegation sprach mit VertereterInnen der zuständigen Ministerien, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen und kundzumachen, dass sie für die Band bürgen und alle weiteren diesbezüglichen Schritte der Regierung mitverfolgen werden.
Ibrahim Gökcek konnte trotz aller lebenserhaltenden Maßnahmen im Krankenhaus nicht am Leben erhalten werden. Zwei Tage nach Unterbrechung des Hungerstreiks verstarb er und er wurde unter internationalen Trauerbekundungen zu Grabe gebracht.

Doch selbst auf seinem letzten Weg setzte die AKP-Regierung auf Konfrontation und nahm scheinbar Rache für die politische Niederlage und die weltweite Empörung, die der Widerstand bzw. ihre eigene Ungerechtigkeit ihr einbrachte.

Die Beerdigungszeremonie wurde brutal verhindert, Menschen, die zur Beerdigungsfeier kommen wollten wurden durch die Straßen gejagt, teilweise mit Gummigeschossen und Tränengas angegriffen und brutal festgenommen. Anschließend wurde die alevitische Glaubenseinrichtung in Istanbul-Gazi, wo Ibrahims Leichnam aufgebahrt wurde, von der Polizei aufgebrochen gestürmt, Mitglieder der Band und auch AnwältInnen, die ihre MandantInnen bei der Durchführung der Zeremonie zur Seite stehen wollten, wurden ebenfalls festgenommen und der Leichnam aus der Aufbahrungshalle verschleppt.

Diese Willkür zog sich hin bis zur Bestattung im kleinsten Kreise der Familie in Kayseri, unter einem massiven Polizeiaufgebot. In der Repression und Unmenschlichkeit wurde die Polizei auch noch gestärkt von einer wütenden Gruppe Faschisten, die den Angehörigen und FreundInnen von Grup Yorum schon im Vorfeld drohten, sie würden „keine Bestattung zulassen und den Leichnam sogar aus der Erde holen und verbrennen“.

Schamlos wurden die Nelken, die auf Ibrahim’s Grab gelegt worden waren, bereits zweimal gestohlen. Die Eltern ersetzen sie täglich durch neue. Ihnen ist bewusst, dass ihr Sohn und auch die anderen Hungerstreikenden ein ebenso ehrenvollen Tod gestorben sind, wie sie auch ihr Leben führten. Die Haltung der Regierung und der ungestraft ihren blinden Hass demonstrierenden Nationalisten spricht ohnehin für sich.

Fakt ist, nichts ist vorbei. Der Kampf geht genau dort weiter, wo er von Helin, Mustafa und Ibrahim abgegeben wurde.

Der Widerstand wird von den inhaftierten AnwältInnen der ‚Anwaltskanzlei des Volkes‘ entschlossen weite geführt. Sie befinden sich weiterhin gegen die Justizwillkür sowohl in eigener Sache als auch zur Verteidigung ihrer MandantInnen im Todesfasten.

Aytac Ünsal und Ebru Timtik, beide „VolksanwältInnen“ und Mitglieder der Vereinigung Internationaler Demokratischer JuristInnen, befinden sich derzeit im Todesfasten und in Gefangenschaft der AKP.
Aytac Ünsal seit 100 Tagen, Ebru Timtik seit 131 Tagen.

Auch die politischen Gefangenen Didem Akman und Özgür Karakaya traten vor Monaten für faire Prozesse und zur Unterstützung des Widerstands in ein Todesfasten.

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