Plädoyer im Hamburger Piratenprozeß

Im Hamburger Prozeß gegen zehn mutmaßliche somalische Seeräuber hat die Verteidigung in ihren Schlußvorträgen das Verfahren für »gescheitert« erklärt. Die Anwälte zweier Angeklagter verzichteten am Montag auf ihre Anträge, einen rumänischen Seemann als Zeugen zu laden. Eine erneute Beweisaufnahme hätte das bereits seit über zwei Jahren und 100 Verhandlungstagen andauernde Verfahren noch einmal verlängert.

In seinem Plädoyer kritisierte Rechtsanwalt Philipp Napp den Prozess als »geisterhaft« und »absurd«. Das Gericht sei nicht in der Lage, über ein Verbrechen, das in 9000 Kilometern Entfernung begangen worden sei, gerecht zu urteilen. Er forderte für seinen 1986 geborenen Mandanten eine Freilassung zum Ende des Verfahrens durch Aufhebung des Haftbefehls oder Haftverschonung. Die Anklage hatte auf eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren für den Somalier plädiert. Es war das fünfte von zehn Plädoyers der Verteidigung.

Der Anwalt kritisierte in seinem Schlußvortrag die Staatsanwaltschaft ebenfalls scharf. »Bei der Staatsanwaltschaft gibt es geheime Akten, die wir nicht kennen«, sagte Napp. Der Prozeß ziehe »voraussichtlich eine lebenslange Entwurzelung« der Angeklagten nach sich. In diesem Zusammenhang beschrieb der Verteidiger auch die schwierige Lage seines Mandanten, dessen Frau und Kinder mittlerweile in einem Flüchtlingslager an der äthiopischen Grenze lebten. Wie auch bei anderen Angeklagten wirke sich die Länge des Verfahrens gravierend auf die geistige und körperliche Gesundheit der angeklagten Männer aus.

Die zehn Somalier müssen sich seit über zwei Jahren für den Überfall auf den Frachter »MV Taipan« verantworten. Sie sollen am 5. April 2010 das unter deutscher Flagge laufende Containerschiff geentert haben. Die Besatzung flüchtete sich in einen Schutzraum und harrte dort aus, bis Soldaten der niederländischen Marine das Schiff stürmten und die Angreifer festnahmen.

Die Ermittlungsbehörden werfen den Angeklagten unter anderem erpresserischen Menschenraub und gefährlichen Eingriff in den Schiffsverkehr vor. Nachdem das Strafverfahren gegen einzelne Angeklagte zwischenzeitlich unterteilt worden war, sollen nun alle zehn mutmaßlichen Piraten gemeinsam verurteilt werden. Mit einer Urteilsverkündung wird Anfang Oktober gerechnet.

In der ersten Septemberwoche hatte die Staatsanwaltschaft jeweils mehrjährige Haftstrafen für die Angeklagten gefordert. Damit blieb die Anklage weitgehend bei den Forderungen aus ihrem bereits im Januar 2012 gehaltenen Plädoyer. Danach hatte es abermals diverse Beweisanträge der Verteidigung gegeben, gefolgt von einem Geständnis und neuen Erkenntnissen.

Geht es nach der Staatsanwaltschaft, sollen die sieben erwachsenen Angeklagten für sechs bis zwölf Jahre ins Gefängnis. Für die drei angeklagten Jugendlichen und Heranwachsenden forderte die Anklagebehörde vier bis fünfeinhalb Jahre Jugendstrafe. Es ist der erste Piratenprozeß seit Jahrhunderten in Hamburg.

(dapd/jW)