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Polizeigewalt in São Paulo

Massive Proteste gegen Fahrpreiserhöhung in São Paulo. Militärpolizei geht gewaltsam gegen Demonstrierende vor

São Paulo. Demonstrationen gegen Fahrpreiserhöhungen von Bus und Bahnen in São Paulo sind in den vergangenen Tagen von massiver Polizeigewalt überschattet worden. Laut Presseberichten und über soziale Medien verbreiteten Augenzeugenberichten habe die Militärpolizei vor Ort unter anderem eine zunächst friedliche Demonstration am Donnerstag, dem vierten Tag der Proteste, mit Tränengas und Gummigeschossen angegriffen und 230 Personen verhaftet. Videos der Vorkommnisse im Netz zeigen, wie Militärpolizisten mit Tränengas auf herumstehende Demonstranten schießt, die in Sprechchören „keine Gewalt“ fordern.

Bei der Niederschlagung der Demonstration ging die Polizei auch gegen Journalisten vor. Die Tageszeitung Folha de São Paulo gab am Freitag bekannt, dass dabei sieben Journalisten verletzt wurden. Die Journalistin Giuliana Vallone wurde im rechten Auge durch ein Gummigeschoss eines Polizisten getroffen. Der Reporter der Zeitschrift Carta Capital, Piero Locatelli, zeigt in einem Video, wie er wegen des Besitzes von Essig, den er zum Schutz gegen die Tränengaswolken auf die Demonstration mitgenommen hatte, verhaftet wurde. Andere Videos zeigen Journalisten, wie sie von Polizeikräften verprügelt wurden, wie der Reporter des Portals Aprendiz, Pedro Ribeiro Nogueira.

Entgegen den Presseberichten, die Demonstrationen gingen ausschließlich um eine Fahrpreiserhöhung von umgerechnet sieben Cent, geht es den Protestierenden um mehr. Denn obwohl die Regierung von São Paulo wiederholt erklärte, die Fahrpreiserhöhung von 3 Reais auf 3,20 Reais entpräche der Inflation, so weist die Protestbewegung darauf hin, dass bei einer seit 1994 akkumulierten Inflation von 332 Prozent die Fahrpreise nur 2,16 bis 2,59 Reais kosten dürften. Hinzu komme die mangelnde Qualität des Transportwesens in der Stadt. Die 20-Millionen-Stadt São Paulo hat ein System öffentlichen Nahverkehrs, der von privaten Konzessionsfirmen betrieben wird und einem Großteil der Bevölkerung nicht angemessen dienlich ist. Fahrten zur Arbeitsstelle können sich in São Paulo auf täglich bis zu vier und mehr Stunden belaufen. Auch sind die Ausmaße einer Fahrpreiserhöhung von umgerechnet sieben Cent je Fahrt nicht zu unterschätzen. Laut dem Nachrichtenportal UOL wurden durch diese Preiserhöhung einige Bewohner São Paulos gezwungen, sich beim Kauf von Nahrungsmitteln finanziell einzuschränken. Das Movimento Passe Livre (MPL), Hauptakteur bei den Protesten, wies darauf hin, dass es in ganz Brasilien 37 Millionen Personen gibt, die sich keine Benutzung des Nahverkehrs leisten können, da ihnen das Geld für die Fahrkarten fehlt.

Der Governeur des Bundesstaates von São Paulo, Geraldo Alckmin von der rechtsgerichteten Sozialdemokarische Partei Brasiliens PSDB, beschimpfte die Proteste als „Aktionen von Krawallchaoten“. Auch der Bürgermeister der Stadt, Fernando Haddad von der Arbeiterpartei PT, machte keine Anzeichen, die Fahrpreiserhöhung zurücknehmen zu wollen. Er erklärte sich nur bereit, sich mit den Demonstrierenden auf ein Gespräch treffen zu wollen. Proteste gegen Fahrpreiserhöhungen gab es außer in São Paulo auch in anderen Städten Brasiliens, so in Rio de Janeiro, Maceió, Porto Alegre und Manaus. Für Montag wurde eine neue Demonstration in São Paulo angekündigt. Währenddessen werden am heutigen Sonntag auch in Berlin Demonstranten in Solidarität mit den Protesten von São Paulo in Kreuzberg auf die Straße gehen.

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