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»Den Forst schützen und den Kohleabbau beenden«

Räumung der Besetzung im Hambacher Wald? Aktivisten bereiten sich auf Polizeieinsatz vor. Gespräch mit Todde Kemmerich

Todde Kemmerich ist Filmemacher und organisiert freiberuflich soziokulturelle Projekte mit Jugendlichen und Erwachsenen

Es kursieren derzeit Gerüchte, die Waldbesetzung im Hambacher Forst werde zeitnah auf Geheiß der nordrhein-westfälischen Behörden beendet. Welche Anhaltspunkte gibt es dafür?

Informanten teilten uns mit, dass ab nächsten Freitag Räumungsgefahr herrscht. Trupps uniformierter Polizeibeamter mit Kletterspezialisten, Angestellte des Innenministeriums sowie die Grubenwehr und andere inspizieren demnach den Wald. Die Besetzer wiederum bereiten sich zur Zeit mit Aktionskonferenzen auf eine Räumung vor. Auch das bis zum 22. August andauernde Klimacamp beim Braunkohletagebau Garzweiler in Erkelenz und die dort vertretenen Umweltinitiativen diskutieren, wie der Hambacher Forst erhalten werden kann: Wie ist Öffentlichkeit herzustellen, welche solidarischen Aktionen sind zu planen?

Es wird also Gegenwehr geben?

Vermutlich wird ab Ende kommender Woche einer der größten Polizeieinsätze gegen die Klimagerechtigkeitsbewegung stattfinden. Die Aktivisten rufen zum breiten Widerstand dagegen auf. Bei Räumungsbeginn werden zwischen 500 und 1.000 Menschen erwartet. Mindestens 30 Baumhäuser sind im Waldgebiet besetzt, Umweltschützer richten sich mit Lebensmitteln und Wasser zum Bleiben ein. Das Bündnis »Ende Gelände« kündigt eine massenhafte Aktion zivilen Ungehorsams an, um die Rodung zu stoppen. Greenpeace und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, BUND, machen den Erhalt des Waldes zur Bedingung für ihre zukünftige Mitarbeit in der Kohlekommission der Bundesregierung. Es geht darum, den Forst zu schützen und den Kohleabbau von RWE zu beenden.

Aktuell läuft noch eine gerichtliche Auseinandersetzung, ob RWE roden darf?

2017 hatte der BUND mit Eilantrag geklagt, damit keine unveränderlichen Tatsachen geschafft werden. Das Verwaltungsgericht Köln lehnte ab. Danach war im Herbst 2017 zwei Tage lang gerodet worden, bis das Oberverwaltungsgericht Münster es untersagte. Letzteres hatte die Landesregierung aufgefordert, ein unabhängiges Gutachten in Auftrag zu geben, ob der Hambacher Wald nach europäischen Kriterien schützenswert ist. Statt dessen gab es aber eines im Auftrag von RWE, in dem es hieß, es handele sich um kein schützenswertes Flora-Fauna-Habitat. Von wegen unabhängig, kann ich da nur sagen! Die Bergbaubehörde Arnsberg entschied daraufhin, es dürfe in diesem Jahr gerodet werden. Der BUND klagte erneut, das Verwaltungsgericht lehnte ab. Die Entscheidung liegt jetzt wieder beim Oberverwaltungsgericht. Möglicherweise entscheidet dieses wie 2017, dass der Wald als potentielles Schutzgebiet nicht zerstört werden darf – aber eventuell ist es dann zu spät.

Bei Auseinandersetzungen um den Hambacher Forst gab es stets Polizeigewalt. Sie selbst beklagten, am 3. Dezember 2016 deren Opfer geworden zu sein. Dies wurde nie aufgeklärt. Aber gegen Sie hat man dann ermittelt?

In der Tat. Als ich damals dabei war, einen Dokumentarfilm über den Hambacher Forst zu drehen, kamen Polizisten zusammen mit Sicherheitsleuten von RWE auf mich zugerannt. Sie rissen mich brutal nieder, fesselten mich und traktierten mich mit Faustschlägen. Es gibt Zeugen und Videoaufnahmen, die das belegen. Die Staatsanwaltschaft hat diese Beweismittel bis heute aber nicht ausgewertet. Statt dessen hatte ich Gegenanzeigen wegen Hausfriedensbruchs und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und gefährlicher Körperverletzung am Hals. Alle Verfahren gegen mich sind mittlerweile eingestellt. Mein Anwalt hat nun Beschwerde eingereicht und darauf hingewiesen, dass auch die Beamten sich an Recht und Gesetz halten müssen.

Wie ist Ihre allgemeine Erfahrung mit der Polizei im Wald?

Früher kannte ich solche Geschichten von Aktivisten, die bei einer Festnahme übel behandelt wurden, nur vom Hörensagen. Ich spreche oft mit Beamten, die dort im Einsatz sind. Es scheint, als würden sie zuvor gebrieft, angeblich »schlimme Linksextremisten« anzutreffen, die alle »gewalttätig« seien. Das kann ich nicht bestätigen.

Interview: Gitta Düperthal junge Welt 18.8.18