Wieder im Knast
Keine Aussage gegen Assange und Wikileaks: US-Whistleblowerin Chelsea Manning auf unbestimmte Zeit in Beugehaft
Die US-amerikanische Whistleblowerin Chelsea Manning ist am Freitag (Ortszeit) in Beugehaft genommen worden, weil sie sich weigert, vor einem nicht öffentlich tagenden Gericht über Julian Assange, den Mitbegründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, aussagen. Auf Anordnung des Staatsanwalts soll die 31jährige so lange im Gefängnis von Alexandria eingesperrt bleiben, bis sie sich anders entscheidet.
Die frühere US-Soldatin und Wikileaks-Informantin sollte am Freitag vor der Grand Jury im US-Bundesstaat Virginia aussagen. Sie hatte zuvor bereits erklärt, von ihren verfassungsmäßigen Rechten Gebrauch zu machen und der Aufforderung nicht Folge zu leisten.
Manning will alle rechtlichen Mittel gegen die Erzwingung einer Aussage vor einer geheimen Grand Jury ausschöpfen: »In Solidarität mit vielen Aktivisten, die gegen Ungerechtigkeit kämpfen, bleibe ich meinen Prinzipien treu.« Grand Jurys sind mit weitreichenden Ermittlungsvollmachten ausgestattete Geschworenengremien, die Zeugen ohne anwaltlichen Beistand befragen dürfen.
Im fraglichen Fall geht es um den journalistischen Hauptfeind der USA, Julian Assange, der seit mehr als sechs Jahren als politischer Flüchtling in der ecuadorianischen Botschaft in London lebt, um einer Auslieferung in das Land von »Freedom and Democracy« zu entgehen. Assange wird verfolgt und terrorisiert, seit Wikileaks 2010 Hunderttausende geheime Dokumente des US-Militärs und von US-Behörden über die Kriege im Irak und in Afghanistan veröffentlicht hatte. Vor allem das Video »Collateral Murder« über ein US-Kriegsverbrechen in Bagdad sorgte für weltweites Aufsehen. Die Informationen stammten von Chelsea Manning, die vor einer Geschlechtsumwandlung damals noch als Soldat Bradley Manning das Material von Servern der US-Armee heruntergeladen und Wikileaks zugespielt hatte. Manning wurde dafür im August 2013 wegen Spionage zu 35 Jahren Gefängnis verurteilt, Anfang 2017 jedoch vom scheidenden US-Präsidenten Barack Obama in einer seiner letzten Amtshandlungen begnadigt.
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Die Verantwortlichen von Wikileaks verurteilten Mannings neuerliche Verhaftung als »Angriff auf die Pressefreiheit«. In einer über Twitter verbreiteten Erklärung schreiben sie: »Whistleblower werden jetzt gezwungen, gegen Journalisten auszusagen, und ins Gefängnis gesteckt, wenn sie nicht kooperieren.«
Der Friedensaktivist und US-Whistleblower Daniel Ellsberg, der in den 1970er Jahren geheime Pentagon-Papiere über den Vietnamkrieg veröffentlicht hatte, bekundete umgehend seine Solidarität mit dem prominenten Opfer der nordamerikanischen Klassenjustiz: »Chelsea Manning handelt wieder heldenhaft im Namen der Pressefreiheit. Es ist eine Farce, dass sie zurück ins Gefängnis geschickt wurde, weil sie sich weigerte, vor einer Grand Jury auszusagen.« Die Ermittlungen seien »eine ernsthafte Bedrohung für alle Rechte von Journalisten, und Chelsea erweist uns allen einen großen Dienst, diese zu verteidigen. Sie wurde bereits gefoltert, verbrachte Jahre im Gefängnis und hat mehr als genug gelitten. Sie sollte sofort freigelassen werden.«
Lisa Ling, die als Whistleblowerin Informationen über das globale US-Drohnenmordprogramm offengelegt hatte und Protagonistin des Dokumentarfilms »National Bird« von Errol Morris und Wim Wenders ist, verwies auf Mannings Aussage, dass solche geheimen Verfahren tendenziell die Regierung begünstigten und sie immer bereit sei, Dinge öffentlich zu erklären.
In Deutschland fordert Die Linke im Bundestag die sofortige Freilassung von Chelsea Manning. »Der geheime Schauprozess gegen Julian Assange und die Beugehaft gegen Chelsea Manning müssen sofort beendet werden«, forderte am Samstag Fraktionsvize Sevim Dagdelen. »Es ist ein Zeichen eines Unrechtsstaats, wie in den USA gegen die Whistleblowerin vorgegangen wird. Nicht Manning und Assange, die Kriegsverbrechen öffentlich gemacht haben, gehören auf die Anklagebank, sondern ehemalige US-Präsidenten wie George W. Bush und Barack Obama neben Donald Trump, die für Kriegsverbrechen verantwortlich zeichnen.« Die Bundesregierung müsse sich für einen Schutz von Whistleblowern einsetzen und »die Sorge um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf diplomatischer Ebene ansprechen«, so Dagdelen.
Von Rüdiger Göbel
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