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Schwere Unruhen und Counter Insurgency in den USA

Verfasst von: Henry Berry Lowry.

Am Samstag den 9. August 2014 wurde der Schwarze Teenager Michael Brown von einem weißen Polizisten in dem Vorort Ferguson bei St. Louis, Missouri, USA am hellichten Tage auf offener Straße erschossen.

Michael Brown und ein Freund laufen auf einer kaum befahrenen Straße vom Supermarkt nach Hause, als hinter ihnen ein Polizist in seinem Streifenwagen anfährt und die beiden auffordert, die Straße zu verlassen und den Gehweg zu benutzen. Als diese der Aufforderung nicht sofort nachkommen, zieht der Bulle seine Waffe und richtet sie auf Michael Brown. Im Laufe eines kurzen Wortgefechtes schießt dieser mehrfach auf Brown, welcher noch an der selben Stelle stirbt.

Die Polizei behauptet später, es hätte ein Gerangel um die Waffe gegeben, dem wird jedoch von zahlreichen Augenzeugen widersprochen. 

Kurz nach dem Mord versammeln sich Anwohner der überwiegend Schwarzen Nachbarschaft an der Todesstelle und ziehen zur regionalen Polizeistation, wo sie den Namen des Schützen sowie eine offizielle Stellungnahme einfordern. Dies wird noch die nächsten Tage über verwehrt, die Polizei fordert die Menge stattdessen auf, die Straßen zu verlassen. Natürlich kommt es noch im Laufe des selben Tages zu Demonstrationen und Menschenansammlungen, bei Einbruch der ersten Nacht werden Supermärkte geplündert und in Brand gesteckt.

Am darauffolgenden Sonntag kommt es zu weiteren Demonstrationen und Straßenblockaden durch Angehörige der Nachbarschaft. Die Polizeikräfte werden verstärkt, schwer bewaffnete Riot Cops werden herangeholt, welche erst vor Kurzem in Crowd Control weitergebildet wurden. Es kommt zu Szenarien, in denen der permanente Krieg sehr offen dargestellt wird. Während von allen Seiten Pressekonferenzen gehalten werden, gehen paramilitärische Polizeikräfte gegen jegliche Menschenansammlungen in den Straßen vor. Sie schießen mit Tränengas, Blendschockgranaten, Gummi- und Holzgeschossen , sowie einer bisher unbekannten Munition, ein Jugendlicher wird durch eine scharfe Polizeikugel getroffen und verwundet. Cops patrouillieren die Straße in schwer gepanzerten Jeeps. Das „Long Range Acoustic Device“ (LRAD) wird genutzt, eine Art fokussierte Schallkanone, welche einen immens lauten und unangenehmen Sound auf einer Frequenz verursacht, der bei Menschen psychische Instabilität, Panik, und Fluchtbedürfnis auslöst. Sniperschützen zielen auf Menschenansammlungen, es werden deutsche Schäferhunde von weißen Cops auf Schwarze Protestierende gehetzt, was nicht ohne Grund bei vielen Erinnerungen an Zeiten der Civil Rights-Bewegung und die rassistische Polizeigewalt hervorruft. 

In den folgenden Tagen und Nächten kommt es fast ohne Unterbrechung zu Demonstrationen, Blockaden und Widerstand gegen die polizeiliche Besetzung. Revoltierende versammeln sich, konfrontieren die Polizeikräfte, werfen Tränengas zurück. Es wird von vereinzelten Schüssen auf Polizeiautos und einen Polizeihubschrauber berichtet, diese sind jedoch nicht bestätigt worden. Die Polizei verstärkt zunehmend die Angriffe auf die Nachbarschaft und geht aggressiv gegen jeden vor, der sich auf der Straße befindet. Tränengas wird in Gärten geschossen, in denen sich Menschen aufhalten. Es wird eine Ausgangssperre verhangen, welche jedoch zahlreich gebrochen wird. Die Polizei zieht ebenso in einen propagandistischen Krieg und verbreitet zahlreiche Lügen über die Ereignisse. Gleichzeitig fordert sie die Medien auf, das Gebiet zu verlassen. Wenn dem nicht nachgekommen wird, oder die nicht im Sinne der Polizei ist, wird dem auch nachgeholfen. Journalisten wurden angegriffen, festgenommen und sogar gezielt mit Gummigeschossen und Tränengas beschossen.  

Aufgrund dieser Angriffe und der weiteren Stille seitens offizieller Stellen gibt es kaum Berichterstattung über die Ereignisse. Dennoch verbreiten sich die Nachrichten über soziale Netzwerke landesweit und international. Die Meisten haben wohl über facebook und twitter erfahren, was in Ferguson vor sich geht. Die Solidaritätserklärungen und Aktionen nehmen daraufhin stark zu. Nicht nur innerhalb der USA: Revoltierende in Paläsina senden Grußbotschaften und teilen ihr Wissen im Widerstand gegen das Tränengas – schließlich verschießt das israelische Militär in Gaza die selben Gaskartuschen wie die Polizei in Ferguson. ] Auf den Demonstrationen in Ferguson wird daraufhin des Öfteren „Free Gaza“ skandiert.
 Die Situation spitzt sich zu, die Polizei dreht die Schrauben an, doch die Menschen auf der Straße bleiben widerständig. Zahlreiche Stimmen werden laut und sprechen von der Polizei als Besatzungsmacht und Mörder, von einem permanentem rassistischen Krieg gegen die Schwarze Bevölkerung. Obama, erster Schwarzer Präsident in der Geschichte der USA, fordert unterdessen zu „Frieden und Besinnung in Ferguson“ auf.  Mitglieder der Community antworten, dass Wut und Riots die angemessenste Antwort auf die Situation seien. 

 Am Donnerstag den 14. August veröffentlichen Anonymous Informationen einer Person, die sie als den Mörder Browns vermuten. Die Polizei dementiert dies, der twitter-account, über welchen die Informationen gingen, wird gesperrt. Die Einsatzleitung der Polizei wird unterdessen an Ron Johnson übertragen, ein Schwarzer Cop, der auch in der Nachbarschaft aufgewachsen ist, die nun im Ausnahmezustand ist. Nach einer Pressekonferenz lässt er sich Arm in Arm mit einer der „Sprecherinnen der Community“ abfotografieren. Die Polizeikräfte werden unter ihm „milde gestimmt“, Tränengas und Gummigeschosse werden nicht mehr eingesetzt, „friedliche Proteste“ werden geduldet (Ron Johnson meint gar, er könne den Unmut verstehen. Nur als Cop muss er wohl nicht so schnell Angst davor haben, jeden Moment von eben jenem Berufsstand kontrolliert oder umgebracht zu werden). Die Polizei konzentriert sich darauf, die Situation zu beobachten, den Verkehr bei Demonstrationen zu lenken und für einen geregelten Ablauf zu sorgen. Geschulte Bullen ohne Kampfausrüstung suchen das Gespräch mit den Demonstrierenden. Die Spezialkräfte halten sich im Hintergrund oder sind auf der Straße gar nicht mehr präsent, es gibt die Ansage von Johnson gegenüber den Revoltierenden, dass Gewalt, Vandalismus und Plünderungen nicht geduldet werden. Die Polizei hält sich eine punktuelle Intervention vor.

Unterdessen finden in zahlreichen Großstädten der USA Schweigemärsche in Gedenken an Michael Brown statt.

 Am Morgen des 15. August veröffentlicht der Polizeisprecher in einer eiligen Pressekonferenz den Name des Mörders an Michael Brown: Darren Wilson. Außerdem wird verlautet, er hätte auf Brown geschossen, da er diesen für den Verdächtigen eines vorherigen Überfalls auf ein Waffengeschäft gehalten habe. Wie dies damit zusammenpasst, dass Wilson die beiden Teenager aufforderte, den Gehweg zu benutzen und ihm die Straße frei zu machen, bleibt unklar.

Nach der Pressekonferenz gibt es eine Demonstrationen der Nachbarschaft, bei der Ron Johnson, nun der befehlshabende Polizeichef, symbolisch mitläuft. Viele scheinen stark verwundert über den plötzlichen Wandel im Straßenbild. Wo vorher noch Polizeiketten in Camouflage und Panzer standen und Tränengas in der Luft lag, laufen nun Demonstranten mit Polizisten in lockerer Uniform gemeinsam und schießen Selfies. Johnson sagt dazu treffend: „Wenn ich eine junge Dame aus Angst vor einer Polizeiuniform weinen sehe, dann ist das ein Problem. Das müssen wir beheben.“  Auch die „Sprecher der Community“ wenden sich an eben diese und verkünden: „Die Polizei respektiert uns, deswegen sollten wir sie respektieren.“ Die Polizei ist unterdessen kaum mehr physisch präsent in den Straßen. Leute aus der Nachbarschaft dennoch. Die Polizei hat sie zwar gebeten, in ihre Häuser zu gehen, doch sie sammeln sich weiterhin auf den Straßen und haben das Spektakel in eine Art Straßenfestival gewandelt. 

Während all dieser Ereignisse in Ferguson, wurde in Los Angeles der 25-jährige Ezell Ford von Polizisten erschossen. Er lief die Straße entlang, als eine Streife ihn anhielt und kontrollieren wollte. Die Cops sprangen auf ihn und fixierten ihn, indem sie sich auf ihn knieten. Dann soll der eine Cop zum anderen gebrüllt haben: „Erschieß ihn“, woraufhin dieser den unter ihm Liegenden mit drei Schüssen hinrichtete.