Angesichts der aktuellen gesellschaftspolitischen Diskussion über Sexismus möchte ich an dieser Stelle auf den Umgang der Justizvollzugsanstalt Freiburg mit weiblichen Lehrkräften und den inhaftierten Schülern hinweisen.
Was ist passiert?
Zur Zeit besuche ich den Abitur-Kurs in der Gefängnisschule; unsere Klasse wird von an Regel- und beruflichen Gymnasien tätigen LehrerInnen unterrichtet. Kürzlich erzählte mir Peter (alle Namen geändert), als er ausnahmsweise alleine im Unterricht saß, da die Mitschüler krank waren, hätte er mit Frau Schmitt nicht alleine im Klassenzimmer bleiben dürfen. Laut ihr gebe es eine Dienstanweisung, die dies verbiete; so zogen sie um in den Bürotrakt der Schule, um dort auf dem Flur den Unterricht fortzusetzen.
Mein eigenes Erlebnis
Am 9. November, ich war der einzige Schüler der Klasse, der zum Unterricht erschien, passierte mir das, was zuvor Peter widerfuhr. Ich musste mit Frau Friedrich in den Bürotrakt umziehen. Dort trafen wir auf die Leiterin der Gefängnisschule. Auf Befragen gab sie an, diese Regel diene „dem Schutz“ von weiblicher Lehrkraft und auch dem Schüler, um möglichen „Gerüchten“ vorzubeugen, wie es sie in der Vergangenheit wohl schon gegeben habe.
Auf meinen Einwand, sie selbst führe doch auch alleine Gespräche mit Inhaftierten, in ihrem Büro, bei geschlossener Türe, konterte sie mit der Bemerkung, dass dies „etwas anderes“ sei.
Analyse der Praxis der JVA Freiburg
Vorauszuschicken ist, dass das Vorgehen der Anstalt inkonsistent anmutet, denn Psychologinnen und Sozialarbeiterinnen führen tagtäglich ausgiebige Gespräche mit den Inhaftierten hinter verschlossenen Türen. Möglicherweise handelt es sich also bei weiblichen Lehrkräften um eine besondere Spezies?!
Die Diskriminierung auf Grund des Geschlechts liegt auf der Hand, denn laut Schulleiterin gelte die Dienstanweisung nicht für männliche Lehrkräfte. Diese dürften auch alleine einen Schüler im Klassenzimmer unterrichten.
Meines Erachtens offenbart die Praxis der Haftanstalt ein antiquiertes Geschlechterbild, wonach männlichen Schülern und weiblichen Lehrkräften nicht zugetraut werden kann und darf, unbeobachtet zu lernen, bzw. zu lehren. Selbst wenn es in der Vergangenheit dazu gekommen sein mag, dass in absoluten Einzelfällen sich Lehrkraft und Schüler seelisch und körperlich näher gekommen sein sollten: so what!? In der JVA Offenburg ist genau dies vor einigen Jahren zwischen einer Psychologin und einem Insassen passiert! Wurde deshalb den weiblichen Bediensteten verboten, alleine mit Gefangenen zu sprechen? Selbstverständlich nicht.
Zur Zeit prüft der Anstaltsleiter der JVA Freiburg, ob die Dienstanweisung weiterhin Bestand haben muss oder aufgehoben wird.
Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
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