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Solidarität mit Mesale Tolu

Frankfurt am Main: Demonstranten fordern Freilassung der in Istanbul inhaftierten Journalistin
Von Gitta Düperthal. junge Welt 26.5.17

Seit Bekanntwerden ihrer Inhaftierung gibt es in Deutschland zahlreiche Protestkundgebungen, auf denen Mesale Tolus Freilassung gefordert wird. So wie hier am 15. Mai im bayrischen Neu-Ulm

Die Botschaften auf den Transparenten waren klar: »Journalismus ist kein Verbrechen« und »Schulter an Schulter gegen die Faschisten« hieß es auf den Spruchbändern, die Demonstranten am Mittwoch abend an der Hauptwache in Frankfurt am Main trugen. Veranstalter der Kundgebung war der Solidaritätskreis »Freiheit für Mesale Tolu«. Die in Deutschland geborene linke Journalistin war bereits am 30. April in Istanbul in ihrer Wohnung festgenommen worden und sitzt seither in Untersuchungshaft (siehe jW vom 12.5.). Tolu, die seit 2014 in Istanbul lebt, hatte zuletzt ehrenamtlich als Korrespondentin und Übersetzerin für die sozialistische Nachrichtenagentur ETHA gearbeitet. Zuvor war die 33jährige für die Radiostation Özgür Radyo tätig gewesen, die am 4. September 2016 aufgrund eines Dekrets von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan geschlossen worden war.

Protestkundgebungen gegen ihre Inhaftierung gab es am Mittwoch nicht nur in Frankfurt, sondern auch in Köln, Nürnberg und in ihrer Heimatstadt Ulm. Die Demonstration finde an einem Tag statt, »an dem der Welt-Journalist Deniz Yücel seit 100 Tagen in Untersuchungshaft sitzt und Mesale Tolu seit fast einem Monat«, sagte die Sprecherin des Solidaritätskreises, Cora Mohr, in Frankfurt. 165 weitere Pressevertreter seien in türkischen Gefängnissen eingesperrt.

Nach ihrer gewaltsamen Festnahme in Istanbul durch eine Sondereinheit der Polizei werde ihr der Vorwurf gemacht, sowohl »Propaganda« für eine » terroristische Organisation« verbreitet zu haben als auch Mitglied einer solchen zu sein, berichten ihre Angehörigen. Wie Yücel sei sie zudem der Spionage für Deutschland beschuldigt, sagte Tolus Bruder Hüseyin. Ansonsten sei über die Haftgründe kaum etwas bekannt. Da das Untersuchungsgericht die Akten als geheim einstufe, wisse nicht mal ihr Anwalt Näheres. Das zuständige Gericht habe sich einzig auf ihre Teilnahme an einer Beerdigung von zwei durch die Polizei in Istanbul erschossenen Kommunistinnen und auf ihre Anwesenheit bei einer Gedenkveranstaltung für die im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz »Islamischer Staat« getötete Deutsche Ivana Hoffmann bezogen, wo sie gedolmetscht habe, so Hüseyin Tolu. Skandalös sei, dass deutsche Konsularbeamte noch immer keinen Zugang zu seiner Schwester erhalten haben. Dabei besitzt Mesale Tolu, anders als Yücel, der auch einen türkischen Pass hat, ausschließlich die deutsche Staatsbürgerschaft. Aus diesem Grund müsste den Botschaftsvertretern eigentlich zwingend Zugang zu ihr gewährt werden.

Nach Angaben des Bruders hat Tolu im Gefängnis sechs Tage lang die Nahrungsaufnahme verweigert, um gegen die Freiheitsberaubung im Frauengefängnis im Istanbuler Stadtteil Bakirköy und das Verschweigen der Haftgründe durch die Justiz zu protestieren. Inzwischen habe sie ihren zweieinhalbjährigen Sohn bei sich, der unter dem Verlust beider Eltern gelitten habe. Auch Tolus Mann Suat Corlu ist inhaftiert. Mesales Vater Ali Riza Tolu hatte das Kleinkind seiner Mutter bei seinem Besuch im Gefängnis am 15. Mai übergeben.

Die in der »Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa«, »ATIK«, organisierten »Neuen Frauen« (Yeni Kadin) forderten in Frankfurt, die Presse- und Informationsfreiheit, »eines der wesentlichen Merkmale der Rechtsstaatlichkeit«, müsse jetzt verteidigt werden. Der vor knapp einem Jahr aus der Türkei nach Deutschland geflüchtete Schriftsteller Aziz Tunc appellierte an linke, linksliberale, sozialistische und kommunistische Deutsche und Kurden, gemeinsam gegen das Erdogan-Regime auf die Straße zu gehen. Die Vorsitzende der Linksfraktion im Hessischen Landtag, Janine Wissler, forderte die Bundesregierung auf, nicht schweigend zuzuschauen, wie die Türkei Journalisten ohne Anklage und Angabe von Gründen ihrer Freiheit beraube. In ein Land, das die Kurden mit einem blutigen Krieg überziehe, dürften keine Waffen mehr geliefert werden, mahnte die Linke-Politikerin.