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Unbequemes Gedenken

Vielerorts wollen antifaschistische Organisationen an die Opfer rechter Pogrome und Gewaltattacken erinnern. Die Stadtoberen sind davon nicht immer begeistert

Nachdem Ende August mehrere tausend Neonazigegner zum 20. Jahrestag der migrantenfeindlichen Pogrome eines rechten Mobs in Rostock-Lichtenhagen auf die Straße gingen, sind in den kommenden Wochen in weiteren bundesdeutschen Städten Gedenkveranstaltungen und Demonstrationen geplant.

So wollen Antifaschisten am 22. September in Hoyerswerda demonstrieren, um sich für ein Denkmal und die Entschädigung der Betroffenen des Pogroms von 1991 stark zu machen. Unter dem Applaus vieler Anwohner hatten Neofaschisten damals in der ostsächsischen Kleinstadt zwei Wohnheime angegriffen, in denen Flüchtlinge untergebracht waren. Über fünf Tage hinweg belagerten Hunderte Menschen die Unterkünfte und ließen ihrem Rassismus so lange freien Lauf, bis die Migranten von der Polizei »evakuiert« wurden.

Statt das antifaschistische Engagement einiger Bürger von Hoyerswerda zu begrüßen, behauptete Oberbürgermeister Stefan Skora (CDU) noch 2011 in einem Interview, die Ausschreitungen von 1991 seien keine Pogrome gewesen.

Die Kampagne »Rassismus tötet!« ruft zur Teilnahme an der Demonstration am 22. September in Hoyerswerda (14 Uhr, Bahnhofsvorplatz) auf, in deren Rahmen die »Geschichte des Pogroms als auch die heutigen Zustände in Hoyerswerda thematisiert werden« sollen.

Am gleichen Tag findet auch in Magdeburg eine antifaschistische Demonstration ab 13 Uhr am Hauptbahnhof statt. Dort wollen linke Gruppen unter anderem an Farid Boukhit erinnern, der am 27. September 1994 an den Folgen der Verletzungen starb, die ihm rassistische Schläger im Mai 1994 zugefügt hatten. Auch soll an den Todestag des Punks Torsten Lamprecht erinnert werden, der sich in diesem Jahr zum 20. Mal jährte. Der junge Punk war am 9. Mai 1992 beim Angriff mehrerer Dutzend Faschisten auf alternative Jugendliche in Magdeburg schwer verletzt worden und am 11. Mai an den Folgen verstorben.

»Uns ist es bei der erschreckend großen Anzahl der Opfer rassistischer Gewalt in Sachsen-Anhalt wichtig, niemanden zu vergessen. Deshalb halten wir es für sinnvoll, einen zentralen Gedenktag für Magdeburg zu etablieren«, so ein Sprecher der Magdeburger »Initiative für die vergessenen Opfer rassistischer Gewalt«. Gleichzeitig wolle man Behörden und etablierte Politik nicht aus ihrer Verantwortung entlassen und daher auch gesellschaftliche Rassismen samt der Begünstigung und Förderung dieser Zustände durch staatliche Institutionen offen benennen, so der Sprecher weiter.

Unterdessen verstärken Polizei und Justiz den Druck auf Magdeburgs Antifaschisten. So haben Beamte des Landeskriminalamtes in Sachsen-Anhalt in der vergangenen Woche unter anderem die Wohnung eines linken Aktivisten durchsucht. In den frühen Morgenstunden waren gleich mehrere Dutzend Beamte mit brachialer Gewalt in das soziale Zentrum in der Magdeburger Puschkinstraße eingedrungen und hatten sowohl den Treffpunkt der linken Szene als auch eine dazugehörige Wohnung über sieben Stunden hinweg durchsucht. Ausgestattet mit einem Durchsuchungsbeschluß des Amtsgerichts Magdeburg, der mit Ermittlungen wegen »versuchten Totschlages« begründet wurde, verschafften sich die Polizisten mit einem Rammbock Zutritt und beschlagnahmten alle dort befindlichen Datenträger, Computer, Mobiltelefone, private Fotos, Kontoauszüge, persönliche Briefe, Kleidung sowie sämtliche Aschenbecher samt Zigarettenstummel. Hintergrund der Razzia waren Anschuldigungen gegen einen 33jährigen im Zusammenhang mit Protesten gegen einen Neonaziaufmarsch am 14. Januar in Magdeburg. Während einer Polizeiaktion gegen antifaschistische Gegendemonstranten soll der Beschuldigte »einer bislang unbekannten Person auf dem Dachgeschoß einen Betonstein« gereicht haben, den diese dann auf einen Polizisten geworfen habe. Der Beamte hatte dem Stein ausweichen können und wurde nicht verletzt. Markus Bernhardt

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