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VERBOT VON »LINKSUNTEN.INDYMEDIA«

»Vermutlich hat sie unser Solitext geärgert«
Nach Verbot: Repressionen wegen Unterstützung der Plattform »Linksunten Indymedia«. Ein Gespräch mit Achim Schill und Detlef Georgia Schulze

Achim Schill und Detlef Georgia Schulze publizieren auf verschiedenen linken Blogs

Sie sind gemeinsam mit einem Journalistenkollegen ins Fadenkreuz der Ermittlungsbehörden geraten, weil Sie sich gegen das Verbot des linken Internetportals »Linksunten Indymedia« gewandt haben. Was wird Ihnen genau vorgeworfen?

Achim Schill: Es geht um die angebliche Verwendung eines Kennzeichens eines verbotenen Vereins und Unterstützung desselben.

Detlef Georgia Schulze: Das Bundesinnenministerium, kurz BMI, ist der Ansicht, dass es sich bei »Linksunten Indymedia« um einen Verein und bei dem Logo der Webseite um dessen »Kennzeichen« handelt. Mit dem Verbot des »Vereins« (siehe jW vom 26.8.2017) hatte das BMI auch die Verwendung dessen, was es für sein Kennzeichen hält, untersagt. Dabei wurde es von der Behörde selbst in der Verbotsverfügung, die damals im Bundesanzeiger, so einer Art Amtsblatt, veröffentlicht worden war, mit abgedruckt. Wir haben unsererseits einen Ausriss aus dem Bundesanzeiger, das fragliche Logo sowie die Textzeile darüber und darunter als Bild auf unseren Blogs plaziert. Dazu bebilderten wir unsere Protesterklärung gegen das Verbot wiederum mit einem Screenshot dieser Blogs. Obwohl wir mit dem Bundesanzeiger gearbeitet haben, nicht etwa mit einem Screenshot der Internetseite »Linksunten Indymedia«, und zudem zusätzlicher Text hinzugefügt wurde, legt uns die Staatsanwaltschaft dies als Verwendung des »Kennzeichens« eines verbotenen »Vereins« aus.

Wie ist der aktuelle Stand im Verfahren?

DGS: Die Staatsanwaltschaft hat Anklage erhoben. Wir durften dazu Stellung nehmen. Nun bekommt wahrscheinlich noch einmal die Staatsanwaltschaft das Wort – und dann wird das Gericht entscheiden, ob es die Anklagen zulässt und das Hauptverfahren eröffnet. Es muss klären, ob es zu einer mündlichen Verhandlung kommt oder ob es die Anklagen nicht zulässt und das Verfahren einstellt.

Wie verhalten sich die Ermittlungsbehörden Ihnen gegenüber?

DGS: Es gab keine Durchsuchungen und Beschlagnahmungen unserer Computer. Das wäre auch etwas übertrieben gewesen, da wir unsere Protesterklärung ja von Anfang an namentlich unterschrieben hatten. Soweit wir die Ermittlungsakten bisher kennen und ihnen glauben können, scheinen die Behörden nicht übermäßig in unserer politischen Vergangenheit und in unserem Privatleben rumgeschnüffelt zu haben.

Lässt sich vermuten, warum Polizei und Staatsanwaltschaft ausgerechnet gegen Sie vorgehen?

AS: Ich glaube nicht, dass es dafür besondere Gründe gibt. Der Auslöser war sicher, dass wir den beschriebenen Ausschnitt aus dem Bundesanzeiger verwendet und damit eine Grenze ausgetestet haben. Ansonsten könnte ich mir vorstellen, dass sie folgender Satz aus unserem Solitext besonders geärgert hat: »Wir rufen alle, die ebenso wie wir unter ihren Klarnamen oder mit nichtkonspirativen Pseudonymen bei ›Linksunten Indymedia‹ publiziert haben, auf, ihre Texte gesammelt wieder zugänglich zu machen bzw. als ›Linksunten‹-Publikationen zu kennenzeichen.« Wir hatten damit eine Handlungsmöglichkeit für viele aufgezeigt – soweit sie nicht gerade Anschlagserklärungen oder ähnliches bei »Linksunten« veröffentlicht hatten –, um gegen das Verbot zu protestieren. Damit wollten wir deutlich machen, dass auf der Plattform bei weitem ja nicht nur besagte Anschlagserklärungen und dergleichen erschienen waren, was das BMI als Anlass für das Verbot genommen hatte. Wir hatten »Linksunten« als Medium genutzt und geschätzt, weil es einer linken Pluralität zum Ausdruck verhalf.

Rechnen Sie damit, dass die Anklage zugelassen wird?

AS: Das ist schwer zu sagen. Ich hoffe auf Einstellung des Verfahrens, aber sicher bin ich mir da überhaupt nicht. Wir wollen aber auf alle Fälle mit der Soliarbeit weitermachen und werden uns nicht mundtot machen lassen. Für den Sommer planen wir gemeinsam mit anderen eine Veranstaltung zu »Linksunten«. Diese Zusammenarbeit möchten wir gerne noch mit anderen Gruppen und Einzelpersonen aus unterschiedlichen linken Spektren ausbauen. So gibt es etwa seit Ende letzten Jahres in Leipzig eine Gruppe, die eine Soliwebseite eingerichtet hat.

Interview: Kristian Stemmler
junge Welt 18.4.19