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Zum Aktionstag zum 19.12.2000 und unseren grundsätzlichen Überlegungen zur Repression

1. Der 19. Dezember 2000 und der §129b //

Rund um den 19. Dezember fanden in verschiedenen Städten Aktivitäten statt, um einerseits den Gefängnismassakern in der Türkei am 19.12.2000 mit deren Hilfe die F-Typ Gefängnisse eingeführt wurden zu gedenken, sowie dazu die aktuelle Repression gegen türkische Linke mit Hilfe des §129b, zu thematisieren.

Die Aktivitäten gingen von einem Solibündnis aus, dass sich Mitte des letzten Jahres gegründet und zur Aufgabe gesetzt hat unabhängig von politischen und ideologischen Differenzen Solidarität zu organisieren und den Angriffen gegen uns eine geschlossene Solidarität entgegenzustellen.

Ein erster Anfang stellten die Aktivitäten zum 19. Dezember dar: Mit Kundgebungen, Veranstaltungen, Transparentaktionen und einer gemeinsamen Wandzeitung, die in den verschiedenen Städten verklebt worden ist, wurde versucht sowohl einen Blick zurück, als auch einen Blick auf die aktuelle Repression zu werfen.
Die Wandzeitung thematisierte die Gefängnismassaker in der Türkei und den Widerstand der Gefangenen gegen diese.

Wir haben mit unseren Aktivitäten versucht den Blick in die Geschichte mit einem Blick auf die aktuelle Repression zu kombinieren, um damit auch die Kontinuität der Verfolgung aufzuzeigen – ohne die Qualität gleichzusetzen.

Für uns war und ist wichtig herauszustellen, dass auch wenn wir uns nicht in allen Punkten einig sind, diese Angriffe gegen Einzelne – seien es Personen oder Organisationen – auch einen Angriff gegen uns alle darstellt. Umso notwendiger und wichtiger wird es zukünftig sein sich gemeinsam gegen diese Angriffe zu wehren. Denn Solidarität ist der Anfang von allem und wenn in der kapitalistischen Logik Repression auf Widerstand folgt, folgt aus einem revolutionären Verständnis heraus Solidarität auf Repression.

Zum Überblick der Aktivitäten in den Städten des Netzwerks Freiheit für alle politischen Gefangenen:

In Hamburg gab es 2 Veranstaltungen, die die  Kriminaliserung von migrantischen Organisationen   thematisierte:
1) Vor über 20 Jahren war es die Antifa Genclik (Antifaschistische  Jugend)  in Berlin und  heute die Anatolische Förderation.
Die Situation in Deutschland zu Beginn der 1990er Jahre war in besonderem Ausmaß geprägt von Rassismus in verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen. Um dieser Situation entgegentreten zu können, organisierten sich vorwiegend migrantische Jugendliche in Berlin zu antifaschistischem Selbstschutz.
Nach der tödlichen Attacke auf den Nazifunktionär Kaindl  im April 1992 kam es zu heftigen Angriffen gegen die Antifa Genclik: Die Ermittlungen der bürgerlichen Justiz enthielten alle Facetten: von der verbalen Hetze gegen arabische und türkische MigrantInnen bis hin zur offenen Zusammenarbeit mit den Neofaschisten.  
Im Prozess im Jahr 1994 wurden insgesamt sieben Menschen angeklagt. Im Verlauf des Prozesses kam es zu Aussagen und teilweise zu Absprachen mit der Staatsanwaltschaft.
Eine der damals von dieser Repression Betroffene, die keine Aussagen machte, schilderte ihre Erfahrungen u.a. zu Rassismus  und daraus folgende Morde   an migrantischen Menschen in  Hoyerswerda, Rostock, Mölln, Solingen, die daraus folgende Notwendigkeit des migrantischen Schutzes und  Bedeutung der Aussageverweigerung und damit der politische  Prozessführung damals wie heute.

2) 129b-Veranstaltung:
Von der Verfolgung durch den Paragrafen 129b ist besonders die Anatolische Föderation betroffen, die auch eine antifaschistische Selbstschutzorganisation ist.
Von den 13 politischen Gefangenen in der BRD stehen 10 dieser Organisation nah.
– Gezeigt wurde ein Film aus dem Jahr 2008/2009, der den ersten § 129b-Prozess in Stuttgart-Stammheim gegen linke Aktivisten behandelte.
–  Rechtsanwalt Jürgen Schneider, der in diesem Verfahren tätig war, erläuterte die juristischen Hintergründe.
– Zusätzlich wurde über die laufenden Verfahren und ihre Hintergründe berichtet.

In Berlin wurden ebenfalls die Wandzeitungen plakatiert und es fand eine Veranstaltung in Kooperation mit der Plattform gegen Isolation statt auf welcher Beiträge zum 19. Dezember 2000, sowie zu Bedeutung und Perspektiven der Solidaritätsarbeit gehalten und der Film „Der stille Tod“ (OmdU, Regie: Hysein Karabey) gezeigt wurde.

In Magdeburg wurden die Wandzeitungen im Viertel verklebt, zwei Transparente
gemalt die am Libertären Zentrum und am Sozialen Zentrum aufgehängt wurden.

Im Rahmen des Aktionstag hat das Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen Stuttgart und die Anatolische Föderation gemeinsam zwei Veranstaltung und eine Kundgebung organisiert.
Am Freitag, den 20.12., fand eine Veranstaltung im Linken Zentrum Lilo Herrmann statt zu der einige Interessierte kamen.
Ein Überlebender des 19.12. sprach über die Ereignisse an dem Tag, den politischen Kontext und seine Erlebnisse, ein Aktivist des Netzwerks über die Verfolgung der migrantischen Linken durch den §129b. Der Vortrag diente der Erinnerung an die Gefängnismassaker in der Türkei am 19.12.2000 mit deren Hilfe die F-Typ Gefängnisse eingeführt wurden, sowie dazu die aktuelle Repression gegen türkische Linke mit Hilfe des §129b, zu thematisieren. Dass das eine mit dem anderen zu tun hat wird alleine in Personen wie Sadi Özpolat deutlich, der momentan in der JVA Bochum weggesperrt ist, da er mit Hilfe des §129b zu einer 6jährigen Haftstrafe verurteilt worden ist. Sadi war während des Todesfastens im Anschluss an die Gefängnismassaker Sprecher der Gefangenen.

Damals wollte der Staat die Menschen, die gegen Ausbeutung und Unterdrückung kämpfen, mit Gewalt zur Aufgabe ihrer politischen Identität zwingen.Heute versucht der Staat mit einer neuen Welle von Verhaftungen den Widerstand gegen ihn im Keim zu ersticken, um eine revolutionäre Perspektive unmöglich zu machen.
Im Anschluss an die Veranstaltung wurden den Gefangenen Plakate und Postkarten geschrieben. Am Sonntag, den 22.12.,  fand in den Räumlichkeiten der Anatolischen Föderation in Stuttgart die Veranstaltung mit knapp 50 Besuchern statt.

Am 21.12 fand eine Kundgebung vor dem Gefängnis Stuttgart Stammheim statt, an der sich knapp 20 Personen beteiligten. Es wurden Redebeiträge gehalten in denen die Verfolgung durch den §129 verdeutlicht wurde und über die Umstände der Inhaftierung von Yusuf und Özgür berichtet wurde. Viele der Gefangenen antworteten mit „Biji Azadi“ und anderen Parolen. Mit Luftballonen an denen Karten befestigt waren wurde auf politische Gefangene und insbesondere auf die §129b Gefangenen aufmerksam gemacht.

2. Unsere grundsätzlichen Überlegungen zur Repression:

Linke und revolutionäre Strukturen bekommen immer wieder Angriffe der internationalen Repressionsbehörden zu spüren. Der notwendige Widerstand gegen Ausbeutung und Unterdrückung wird mit allen Mitteln verfolgt und versucht einzudämmen. Doch die Repression ist die logische Konsequenz des Kapitals, um den Widerstand bereits im Keim zu ersticken und die Ausbeutungsbedingungen zu optimieren. Diesen Angriffen der staatlichen Behörden müssen wir unsere geeinte Antwort der Solidarität entgegensetzen, dabei werden wir unsere Kräfte bündeln um trotz der Repressionsschläge die Klassenkämpfe von unten entwickeln zu können. Aus diesem Grund haben sich mehrere Organisationen zusammen geschlossen um die Antirepressionsarbeit zu stärken und eine Verteidigungsfront aufzubauen. Das erklärte Ziel ist, das Bewusstsein über Repression als Teil des Klassenkampfes von oben zu stärken und angegriffene Strukturen gemeinsam auf folgender Grundlage zu organisieren.

•    Linke Politik verteidigen
Um, als geeinte Linke, Repressionsschläge zurückdrängen zu können, müssen wir ohne ideologische Vorbehalte eine gemeinsame Position zur Aufhebung von Unterdrückungsverhältnissen auf einer solidarischen Basis herausstellen und diese als Ausgangsbasis einer gemeinsamen Praxis betrachten. Denn antifaschistischer, antikapitalistischer, antirassistischer, antipatriarchaler und antiimperialistischer Widerstand wird über ideologische Unterschiede hinweg verfolgt und angegriffen. Wir wollen gemeinsam Linke Politik verteidigen! Gemeinsam werden wir angegriffen und gemeinsam müssen wir uns zur Wehr setzen.  Fünf Finger sind ´ne Faust!

•    Repression ist ein Ausdruck des Klassenkampfes von oben.
Repression kann nicht losgelöst von den Verhältnissen betrachtet werden, und richtet sich nicht ausschließlich gegen den aktiv kämpfenden Teil der Klasse, sondern gegen die gesamte Klasse. Soziale Repression betrachten wir als Teil des Klassenkampfes von oben.

•    Wir sind keine karitative Vereinigung
… und haben keinen karitativen Ansatz, sondern einen klassenkämpferischen.

•    Sogenannte „Kreative Prozessführung“ lehnen wir ab!
Nur Aussageverweigerung und kollektives Handeln im Umgang mit der Justiz können unsere Solidarität und unseren Widerstand stärken.
Dies ermöglicht ein geeintes, konsequentes Vorgehen gegen Staat und Repression.

•    Keine Zusammenarbeit mit Staat und Repressionsbehörden
Wir arbeiten nicht mit Staat und Repressionsbehörden zusammen. Dies beginnt, als grundsätzlicher Widerstand gegen alle Formen der Repression, vor dem ersten Anquatschversuch und gilt für Vorladungen und Prozesse. Wir halten stets an der Aussageverweigerung fest, da wir von der Klassenjustiz zu keinem Zeitpunkt Gerechtigkeit zu erwarten haben. Aussagen sehen wir als politische Fehler, eine konsequente Aussageverweigerung hingegen bietet keine zusätzliche Grundlage für folgende Prozesse. Dem Staat darf keine Möglichkeit gegeben werden durch Spekulationen und Gerüchte Informationen oder Hinweise abzuschöpfen.

•    Drinnen und draußen – ein Kampf!
Es ist ein Kampf, egal ob im Knast oder draußen. Der Knast ist einer der schärfsten Ausdrücke der Repressionsbehörden, doch wir lassen uns durch keine Mauern trennen im gemeinsamen Kampf gegen den selben Feind. Gefangene Genossinnen und Genossen kämpfen weiter und müssen sich auf Unterstützung von Draußen verlassen können.

 

soli-buendnis@riseup.net