400 politische Gefangene in der Türkei und Kurdistan im Hungerstreik

400 politische Gefangene in der Türkei und Kurdistan im unbefristeten Hungerstreik

Am 15. Februar 2012 begannen politische Gefangene in den Gefängnissen der Türkei und Nord-Kurdistan mit einem unbefristeten Hungerstreik. Unter den 169 Gefangenen, die in den D und E-Typ- Gefängnissen von Diyarbakir, im Mardin E-Typ-Gefängnis, im Elbistan E-Typ-Gefängnis und im Bitlis E-Typ-Gefängnis in den Hungerstreik traten, befinden sich auch die Parlamentsabgeordneten der Partei für Frieden und Demokratie (BDP), Selma Irmak und Faysal Sarıyıldız. Die Forderungen der Hungerstreikenden lauten: Die Freilassung von Abdullah Öcalan und die Fortsetzung des Dialogs für eine politische Lösung der kurdischen Frage, die Einstellung der politischen Repression, der Massenverhaftungen und Militäroperationen gegen die kurdische Bevölkerung sowie das Recht auf Bildung in der kurdischen Muttersprache.

Die Abgeordnete Selma Irmak teilte in einem Brief an den Vorstand und die Mitglieder der BDP vom 15. Februar 2012 die Gründe für ihren Hungerstreik mit:

Die kurdische Frage hat einen Punkt erreicht, an dem nur ein demokratischer Prozess, der auf Dialog und Verhandlungen basiert, Frieden und eine Lösung bringen kann. Wir sind bewusst, dass dies ein langer und schwieriger Prozess sein wird. Seit nunmehr dreißig Jahren fordert unser Volk eine demokratische Lösung. Diese Forderung zu erfüllen, ist sowohl leicht als auch schwierig. Eine demokratische Lösung kann nur durch einen Dialog mit dem Repräsentanten Herrn Öcalan erreicht werden. Jeder Friedensprozess braucht seine Akteure. Die Person, die unser Volk vertritt, ist Herr Öcalan; deshalb ist er die einzige Person, die im Namen unseres Volkes sprechen kann und der der Hauptakteur sein muss. Als gewählte VertreterInnen und PolitikerInnen unseres Volkes sind wir bereit, unsere Rolle in diesem Prozess zu einzunehmen. Wir sind dafür bereit, jegliches Risiko einzugehen und auch unser Leben dafür in die Waagschale zu werfen. Aufgrund der Unterbrechung des Friedensprozesses und der Verhandlungen mit Herrn Öcalan bin ich genauso ernsthaft besorgt wie Ihr. Die hiermit einhergehende, aufgezwungene Totalisolation von Herrn Öcalan soll ihn aus den politischen Prozessen ausschließen. Ich bin tief beunruhigt, über das, was wir `das Konzept des politischen Genozids gegen KurdInnen’ nennen. Seine Umsetzung durch Massenverhaftungen, Morde, Massaker, verbale und körperliche Gewalt wird zu noch mehr Feindschaft gegen sie führen und wird unsere beiden Völker dazu bringen, gegeneinander zu kämpfen. (…)

Als eine Person, die von der ehrenhaften und willenstarken Bevölkerung von Şirnak gewählt wurde und als eine Frau, die durch die Ereignisse tief bewegt ist, kann ich demgegenüber keine passive Zuschauerin mehr bleiben. Da ich aller Ausdrucksmittel und -möglichkeiten beraubt wurde, bin ich verpflichtet, meinen Körper als ein Kommunikationsmittel einzusetzen.“

Zübeyde Teker, die Präsidentin der Unterstützungsorganisation für Angehörige von Gefangenen TUHAD-FED, gab am 22. Februar 2012 in einer Presseerklärung bekannt, dass die Zahl der hungerstreikenden Gefangenen bereits 400 gereicht habe. Sie erwähnte, dass es insgesamt 8.000 politische Gefangene aus der Arbeiterpartei Kurdistans PKK und der Frauenfreiheitspartei Kurdistan PAJK in türkischen Gefängnissen gibt. Diese beantragten in einem Schreiben an die Vereinten Nationen vom 13. Februar 2012, die offizielle Anerkennung als Kriegsgefangene. Die Gefangenen erklärten, dass sie ihren bis zur Erfüllung ihre Forderungen den Hungerstreik fortsetzen werden. Einige der Gefangenen befinden sich bereits seit dem 20. Januar 2012 im Hungerstreik.

Als Cenî – Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V. erklären wir unsere Solidarität mit den Forderungen der politischen Gefangenen im Hungerstreik. Um jeglichen Schaden für die Gesundheit der Gefangenen zu verhindern, rufen wir alle Menschenrechtsorganisationen, die EU und UN-Greminien auf, umgehend tätig zu werden: Die Zeit ist reif und drängt – für eine politische Lösung der kurdischen Frage, d.h. für die Freiheit von Abdullah Öcalan und aller politischer Gefangenen!

Uns bekannte Namen von politischen Gefangenen im Hungerstreik sind:

Diyarbakır-D-Typ-Gefängnis (62 Gefangene im Hungerstreik): Lütfi Dağ, Özgür Yıldırım, Sinan Kaplan, Nadir Yıldırım, Nihat Varlı, Mirhan Göktaş, Mahsum Akbaş, Murat Yıldeniz, Müstafa Türkan, Umut Özer, Sıddık Çete, Serdar Ziriğ, Ahmet Çelen, Ali Ekinci, Aykut Eroğlu, Recep Güler, Ercan Sezgin, Tuncay Ok, Enver Özkartal, Mehmet Ermiş, Mahir Birgül, İlyas Efe, Yücel Çelik, Ramazan Malçok, Saffet Durmaz, Serhat Keskin, Necmetin Kaçar, A. Kemal Türk, Mikail Çağrıcı, Savaş Aslan, Hekim Denli, Talat Uçar, İsmail Öndeş, Erdal Işık, Ömer Atlı, Mustafa Kaplan, Diyar Kaydu, Emrah Ubiç, Ulaş Telsaç, Murat Kozat, Ali Kurt, Ömer Sipek, Mehmet Aksu, Maşallah Özmen, Şafi Kayhan, Aslan Demir, Çetin Atlan, Mazlum Timuçin, Ufuk Fidan, Mehmet Taş, Bülent Buluç, Müslüm Tıkız, İrfan Bozencir, Osman Kılıç, Ozan Alpkaya, Selami Kızıl, Hüseyin Barsak, Cengiz Ünal, Murat Canşat, Salih İlem, Şerif Aslan, Yakup Borukanlı

Diyarbakır-E-Typ-Gefängnis (9): BDP Şırnak MP Selma Irmak, Fadile Bayram, Hacire Özdemir, Leyla Deniz, Ayşe Irmak, Pınar Işık, Dirayet Taşdemir, Hanım Çeşme und Emine Yılmaz.

Mardin-E-Typ-Gefängnis (22): BDP Şırnak MP Faysal Sarıyıldız, Ramazan Aktaş, Musa Aslan, Gürhan Koyuncu, Mahmut Balkaş, Toncay Gündoğan, Mesut Gökhan, Behruz Akgül, Bekir Kılıçaslan, Aziz Bulut, Mesut Kar, Ömer Kabul, Hayretin Alkan, Cahit Sevim, Zerdeşt Oduncu, Burhan Gök, Mehmet Ali Güray, Ruşen Erdem, Bahar Cirasun, Asiye Atılgan, Fatma Uyar, Cemile Duman.

Batman-M-Typ-Geschlossenes-Gefängnis (15): nur die Namen von Mahsum Bilen, Şehmus Bülbül, İlhan Rengin, Resul Saçaklıdır und Ahmet Çelik sind bekannt. Seit dem 25 Januar 2012 befinden sie sich im unbefristeten Hungerstreik.

Siirt-E-Typ-Geschlossenes-Gefängnis (15): 10 männliche und 5 weibliche Gefangene von PKK und PAJK befinden sich im Hungerstreik. Die Namen der gefangenen Frauen sind nicht bekannt; die Namen der hungerstreikenden Männer sind İbrahim Akın, Ali Temelkuran, Nusret Yıldırım, Mehmet Şakar, İskan Yiğit, Muhammed Demir, Uğur Eren, Şefik Uçkan, Kasım Çelik und Abdurrahman Demir.

Bingöl-M-Typ-Geschlossenes-Gefängnis (14): Bülent Buluç, Müslüm Tıkız, İrfan Bazencir, Osman Kılıç, Ozan Alpkaya, Selami Kızıl, Hüseyin Barsak, Cengiz Ünal, Murat Cansal, Salih İlem, Mehmet Şerif Aslan, Yakup Borukanlı, Hanım Çeşme, Emin Yılmaz.

Malatya-Gefängnis (8): nur 4 Namen von hungerstreikenden Gefangenen sind bekannt: Nevzat İçen, Suat Daştan, Ramazan Demir und Çetin İnsel.

Muş: 8 Gefangene befinden sich im Hungerstreik, ihre Namen sind nicht bekannt.

Tokat-F-Typ-Geschlossenes-Gefängnis (6): In einem Brief aus dem Gefängnis von Tokat teilten Süleyman Yıldırım, Hüseyin Misto, Erdal Daş, Abdullah Cin, Hafzullah Kaçmaz und Havil Acar mit, dass sie in einen unbefristeten Hungerstreik getreten sind.

Elbistan-E-Typ-Gefängnis (5): Bedrettin Uzunboy, Salih Şimşek, Hüseyin Çığ, Emin Mutlu und Hüseyin Torunoğlu.

Bitlis-E-Typ-Gefängnis (5): Pelin Yılmaz, Ediba Ekmen, Ruken Çelik, Ülkem Özkan und Şeyman Kantarcı.

Osmaniye-F-Typ-Geschlossenes-Gefängnis (5): Emrah Özdemir, Mehmet Akar, Mazlum Kapan, Ekrem Coşkun, Feridun Kayacan.

Rize-Kalkandere-L-Typ-Gefängnis (5): Ramazan Özelçi, Haşim İzol, Mahsun Karaman, Abdulmenaf Aslan and Kamuran Aytaç.

Kandıra- 2-Nolu-F-Typ-Gefängnis (5): Yakup Taş, Hakan Yalçınkaya, Maşallah Yağan, Necat Saçı and Alattin Semir Zuğurlu.

Erzurum-Oltu-Gefängnis (4): Mesut Yabalak, İzet Eren, Kaçak Demirci and Metin Serhat traten am 20. Januar 2012 in den unbefristeten Hungerstreik. Ihre Gesundheitssituation verschlechtert sich zunehmend.

Antalya-L-Typ-Geschlossenes-Gefängnis (2): Halit İnan und Mehmet Aslan

Tekirdağ-Gefängnis (1): Adnan Titiz

Weitere politische Gefangene in den Gefängnissen von Gebze, Urfa, Adıyaman und Midyat erklärten gegenüber ihren Angehörigen, dass sie sich im unbefristeten Hungerstreik befinden. Genaue Zahlenangaben liegen nicht vor, jedoch wird die Zahl bislang auf 400 geschätzt.

Cenî – Kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V.
23 Februar 2012