Budapest Solidarität Düsseldorf: „Wir werden unsere Solidarität sichtbar machen!“

Am Oberlandesgericht Düsseldorf werden ab Herbst 2025 mehrere antifaschistische Gefangene vor Gericht gestellt werden. Um die Prozesse zu begleiten und die Antifaschist:innen zu unterstützen, hat sich ein Solidaritätskreis gegründet. Perspektive Online hat mit Edgar Schäfer von Budapest Solidarität Düsseldorf gesprochen.
Warum habt ihr euch entschlossen, den Solidaritätskreis zu gründen?
Die kurze Antwort ist: Weil es notwendig ist.

In Düsseldorf soll sechs Beschuldigten in einem der größten Verfahren gegen Antifaschist:innen der letzten beiden Jahrzehnte der Prozess gemacht werden. Dieses Verfahren ist politisch motiviert und zielt darauf ab, die antifaschistische Bewegung als ganze zu spalten und zu kriminalisieren. Für die Angeklagten steht auch persönlich durch die Gefahr hoher Haftstrafen viel auf dem Spiel.

Wir sind der Meinung, dass es legitim, und in der heutigen Situation vor allem auch notwendig ist, entschlossen gegen Faschist:innen vorzugehen. Deswegen haben wir beschlossen auch hier direkt vor Ort die Solidarität mit den angeklagten Antifaschist:innen zu verstärken. Dazu sind wir als Gruppen und Einzelpersonen aus ganz verschiedenen Zusammenhängen zusammengekommen und hoffen, dass auch noch mehr Initiativen zu uns stoßen werden.

Was habt ihr geplant?
Eine ganze Menge! Grundsätzlich haben wir das Ziel, möglichst viel Öffentlichkeit für diesen politischen Prozess zu schaffen und möglichst großen Druck auf Verantwortliche und Entscheidungsträger aufzubauen. Dafür planen wir ganz verschiedene Sachen.

Am Samstag vor dem ersten Prozesstag wollen wir zum Beispiel eine große Demonstration organisieren, um ein gut sichtbares Zeichen zu setzen. Und am Sonntag danach rufen wir zu dezentralen Aktionen in NRW auf. Auch an den Prozesstagen selber wollen wir die Angeklagten im Gerichtssaal natürlich nicht alleine lassen. Schon vor dem Prozessbeginn planen wir eine Podiumsdiskussion, bei der wir mit unterschiedlichen Gästen über das Verfahren und die Solidaritätsarbeit reden wollen.

Das sind erst einmal die ganz großen Sachen. Es ist aber klar, dass wir einen langen Atem brauchen. Der Prozess kann sich hinziehen und wir müssen auch auf eventuelle Wendungen oder Zuspitzungen reagieren. Neben größeren Veranstaltungen gehört auch eine kontinuierliche Aufklärungsarbeit dazu.

Es ist uns außerdem wichtig zu betonen, dass wir nicht alleine stehen. Wir fordern alle auf, auch eigenständig in anderen Städten aktiv zu werden.

Warum denkt ihr, dass diese Arbeit wichtig ist?
Die Verfolgung der sechs Antifaschist:innen passiert nicht im luftleeren Raum. Seit Jahren geht es hier und in vielen anderen Ländern mit stetig erhöhtem Tempo nach rechts. Einerseits sind da die Wahlerfolge der AfD und eine neue Neonazi-Jugendbewegung, die zum Beispiel gegen CSDs mobil macht.

Aber auch bei der letzten und der neuen Regierung sieht man, wohin die Reise geht. Eine Asylrechtsverschärfung nach der anderen, Einschränkung der Rechte von Frauen und LGBTI+ Personen. Aber auch Gerede von „nationalen Kraftanstrengungen“ und ein stetiger Abbau von Freiheitsrechten bei gleichzeitig immer mehr Befugnissen für Polizei und Geheimdienste sind schon heute das, was das Leben vieler Menschen beeinflusst.

Menschen, die mehr wollen als eine inszenierte Brandmauer – die es inhaltlich offensichtlich nicht gibt – stören da. Ein wirklicher Kampf gegen diese Rechtsentwicklung wird kriminalisiert und damit den Rechten der Weg frei gemacht. Wir denken, es muss heute allen antifaschistisch gesinnten Menschen darum gehen, sich dieser Entwicklung entgegenzustellen – das bedeutet auch, sich im Budapest-Komplex solidarisch zu zeigen.

Wie schätzt ihr die Entwicklungen im sogenannten Budapest-Komplex ein?
Das Budapest-Verfahren schließt gewissermaßen an die Antifa-Ost Verfahren an. Eigentlich geht es bei den vorgeworfenen Taten um Delikte wie Körperverletzung oder ähnliche. In der Anklage wird daraus dann eine „kriminelle Vereinigung“ nach dem Gummiparagraphen 129 StGB. Das geht mit Mitteln für die Repressionsbehörden einher, die einem Sonderstrafrecht gleichen.

Dazu gehören zum Beispiel umfassende Überwachungsmaßnahmen, die oft auch das gesamte Umfeld betreffen. Wir kennen heute noch nicht das gesamte Ausmaß, mit dem auch die Familien und die Freund:innen der Beschuldigten ausspioniert wurden. Mit §129 wird aus unterstellten Sachen wie Körperverletzung, die sonst meist Bewährung oder kurze Haftstrafen bringen würden, dann bei Verurteilung ziemlich sicher ein mehrjähriger Knastaufenthalt.

Das Verfahren brandmarkt junge Leute, die sich gegen Nazis engagieren, als besonders gefährliche Gewalttäter. Die politische Haltung würde nur als Vorwand für Gewalt dienen würde. Mit der Realität hat das nichts zu tun.

Im Gegenteil sind die vermeintlichen „Opfer“ gefährliche Neonazis, aus deren Umfeld es immer wieder Angriffe gegen Unbeteiligte, die jüdische Gemeinde in Budapest und vermeintliche Linke gab. Aufgrund von Verbindungen der Nazis zur Orban-Regierung gibt es gegen sie keine nennenswerte Repression. In dieser Situation in selbstorganisierter Gegenwehr einen willkürlichen Gewaltakt zu sehen, ist absurd.

Noch absurder ist die Tötungsabsicht, die den Angeklagten teils unterstellt wird. Aber auch diese Absurdität hat Kalkül: Unserer Einschätzung nach geht es bei dem Aspekt weniger um tatsächlichen Erfolg mit diesem Anklagepunkt, als um Abschreckung gegenüber solidarischen Menschen.

Es gäbe noch sehr viel zu sagen, zum Beispiel zur Rolle der SoKo Linx oder den ungarisch-deutschen Beziehungen. Aber das würde den Rahmen dieses Interviews sprengen. Viele Hintergründe finden sich zum Beispiel auf dem Blog vom Budapest Antifascist Solidarity Comittee. Es lohnt sich auf jeden Fall, dort reinzuschauen.

Zusammenfassend können wir sagen, dass es sich um ein politisch motiviertes Verfahren handelt, das neue Standards bei der Strafverfolgung gegen engagierte Antifaschist:innen setzen soll.

Was wird das Besondere an den Verhandlungen in Düsseldorf?
Erstmal steht dabei die Ortsauswahl für sich: Bisher liefen die Verfahren im Budapest-Komplex in der anderen Hälfte Deutschlands. Dort, wo auch die meisten Beschuldigten, ihre Familien und ihre Anwält:innen herkommen. Dort bestehen auch schon Solidaritätsstrukturen, die mit viel Energie gute Arbeit machen.

Die Verlegung nach NRW bedeutet für die Angehörigen, dass sie zum Teil sehr lange Anreisen haben werden und bei deutlich weniger Prozesstagen dabei sein können. Auch die bestehende Solidaritätsarbeit wird so zu einem gewissen Teil untergraben.

Die offiziellen Begründungen für die Verlegung glauben wir deshalb nicht. Wir denken, dass es schlicht und einfach darum geht, die Gefangenen zu brechen und die Solidarität zu schwächen. Wir sind genau deshalb aber auch entschlossen, diese Pläne in ihr Gegenteil umzukehren und die Solidarität am Ende noch stärker deutlich zu machen.

Eine weitere Besonderheit ist das Oberlandesgericht in Düsseldorf. Von den örtlichen Bedingungen liegt das Gericht für uns ziemlich ungünstig: Das Prozessgebäude ist sehr abgelegen und gleicht mehr einem Cartoon-Knast als einem Gerichtssaal. Meterhohe Mauern mit Stacheldraht, Helikopter-Landeplatz auf dem Dach und kleinlichste Kontrollen am Eingang – all das dient natürlich auch der Inszenierung, man würde hier gegen gemeingefährliche Leute vorgehen.

Aber auch das wird uns nicht davon abhalten, Wege zu finden, unsere Solidarität sichtbar zu machen!

https://perspektive-online.net/2025/08/budapest-solidaritaet-duesseldorf-wir-werden-unsere-solidaritaet-sichtbar-machen