Wegen Auseinandersetzungen mit Neonazis sind derzeit mehrere Antifaschist:innen im Budapest-Komplex inhaftiert. Nun steht das Datum für den Prozessbeginn in Düsseldorf im Januar fest. Schon jetzt im November beginnt ein ähnlich gelagertes Verfahren gegen Antifaschist:innen in Dresden. Derweil haben die USA das vermeintliche Netzwerk um die Angeklagten als Antifa-Ost auf ihre Terrorliste gesetzt.
Es ist eines der größten Gerichtsverfahren gegen Antifaschist:innen in Deutschland in den letzten Jahren – nun steht sein Beginn fest: Am 13. Januar 2026 soll vor dem Oberlandesgerichts Düsseldorf die Hauptverhandlung gegen „sechs mutmaßliche Mitglieder einer linksextremistischen kriminellen Vereinigung“ beginnen, wie das Gericht in einer Pressemitteilung erklärt.
Das Staatsschutzverfahren richte sich gegen die deutschen Staatsangehörigen Paula P. (22 Jahre), Emilie („Emmi“) D. (23 Jahre), Nele A. (23 Jahre), und Moritz S. (23 Jahre) – jeweils als Heranwachsende – sowie Clara W. (24 Jahre) und Luca S. (23 Jahre). Vorgeworfen wird ihnen unter anderem die „Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung“, „versuchter Mord“ und „gefährliche Körperverletzung“. Nun solle geklärt werden, „ob die erhobenen Vorwürfe zutreffen oder nicht“. Für die Angeklagten gelte die Unschuldsvermutung.
Das Budapest Antifascist Solidarity Committee (BASC) kritisiert nicht nur den Prozess grundsätzlich, sondern hält außerdem die Verhandlung vor einem Oberlandesgericht für „überzogen“. In einem Beitrag weist es darauf hin, dass man jetzt Antifaschist:innen in die Nähe von Terrorismus rücke, jedoch zuletzt bei einem Verfahren gegen die Neonazi-Organisation Combat 18 keine genügende „Strahlkraft“ für die Verhandlung vor einem Oberlandesgericht gesehen worden sei. Dieses Verfahren wird nun vor dem Landgericht Dortmund beginnen.
Damit werde suggeriert, von Antifaschist:innen würde eine größere Gefahr als von gewaltbereiten Neonazis ausgehen. Combat 18 war eine zentrale Unterstützer-Struktur der Neonazi-Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Es zeige sich, so das BASC: „Im Kampf gegen Nazis kann man sich auf den Staat nicht verlassen.“
Vorwurf: Kampf gegen Neonazis
Der Generalbundesanwalt wirft im nun geplanten Verfahren den Angeklagten vor, einer „militanten linksextremistischen Vereinigung“ um den in einem gesonderten Verfahren angeklagten Johann G. anzugehören. Dessen Prozess soll bereits am 25. November in Dresden beginnen. Auch sechs weitere Personen sind dort angeklagt.
In Düsseldorf wird ab Januar zum einen ein Angriff auf einen Shop der Nazi-Marke Thor-Steinar in Erfurt im April 2022 behandelt. Dabei soll die Verkäuferin attackiert und Sachschaden im Laden entstanden sein. Im Januar 2023 soll es weitere Angriffe auf Neonazis gegeben haben. Gegenstand der Verhandlungen sind auch mehrere Auseinandersetzungen mit Faschist:innen rund um den Tag der Ehre in Budapest.
Dort versammeln sich jährlich tausende Neonazis, um der SS zu huldigen. Bei einigen der Angriffe soll laut Anklageschrift auch in Kauf genommen worden sein, dass die Opfer tödliche Verletzungen hätten erleiden können – deshalb der massive Vorwurf des „versuchten Mords“.
Umstritten bleibt derweil zwischen dem 7. Strafsenat und der Generalbundesanwalt, ob Paula P. am Morgen des 11. Februar 2023 in Budapest zwei Personen ausgespäht hat oder nicht. Ob hier ein hinreichender Tatverdacht vorliegt, soll nun der Bundesgerichtshof entscheiden.
Angeklagte werden nach Düsseldorf verlegt
Die sechs Angeklagten befinden sich seit Anfang des Jahres in Untersuchungshaft. Damals hatten sie sich an verschiedenen Orten in Deutschland freiwillig gestellt, nachdem sie sich über zwei Jahre im Untergrund vor den Behörden verbergen konnten. Nun werden sie getrennt und in verschiedene Gefängnisse in NRW überstellt. Viele der Angeklagten sind im Osten Deutschlands wohnhaft, sodass Freunde oder Verwandte sowohl für die Unterstützung während der Prozesse, als auch für Besuche im Gefängnis nun lange Reisestrecken in Kauf nehmen müssen.
Laut Basc.News begannen die Überstellungen Anfang des Monats bei der Antifaschistin Emmi: Sie wurde um 4 Uhr morgens aus dem Schlaf gerissen und in die JVA Dinslaken verbracht. Dabei durfte sie weder einen Anwalt anrufen noch erfuhr sie, wo genau es hingeht – nur dass sie nicht nach Ungarn abgeschoben würde, wurde ihr gesagt.
Sie wurde allein in einer 4-Personen-Zelle ohne Fenster inhaftiert. Zu Beginn wurden ihr auch Handschellen beim Hofgang angelegt – was erst nach Eingeifen der Anwälte beendet worden sei.
Bereits kurz nach ihrer Ankunft feuerten solidarische Antifaschist:innen Feuerwerk vor dem Gefängnis ab und riefen Parolen. Für den Samstag ist eine Kundgebung geplant, die Freiheit für Emmi fordert. Mehrere antifaschistische Bündnisse haben zudem ihre solidarische Prozessbegleitung für die anstehenden Verfahren angekündigt.
Trump setzt Antifa-Ost auf Terror-Liste
Die deutsche Kriminalisierung von kämpferischem Antifaschismus trifft inzwischen auch in den USA auf offene Ohren. Seit Donnerstag gelten dort der Organisation namens Antifa Ost oder auch Hammerbande Angehörende als „global agierende Terroristen“ („Specially Designated Global Terrorists“). Das teilte das US-State-Department in einer Presseerklärung mit. Zudem soll die Strukturen laut US-Außenministerium ab dem 20. November zusätzlich als ausländische terroristische Organisationen („Foreign Terrorist Organizations“) eingestuft werden. Was genau die Einstufung in der Praxis bedeuten wird, ist schwer abzusehen.
Deutsche Behörden zeigten sich davon überrascht: „Das von der Gruppierung ausgehende Gefährdungspotenzial hat sich zuletzt erheblich verringert“, teilte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums mit. Dies hänge damit zusammen, dass mutmaßliche Mitglieder verurteilt oder in Haft seien.
Das Vorgehen reiht sich sowohl in den USA als auch in Deutschland ein in ein verschärftes Vorgehen gegen antifaschistische Strukturen. Zugleich sind vor allem rechte und faschistische Kräfte in den USA im Aufschwung oder sogar Teil der Regierung – und auch in Deutschland ist die faschistische AfD in Umfragen zweitstärkste Kraft.










