Aus einem Brief von Werner Braeuner vom 15.10.2011

461. Tag der Arbeitsverweigerung

Lieber,

… besonders Dank für die Info vor allem über das Urteil vom 27. 9. im Verfahren von Faruk in Düsseldorf. Den von den dortigen UnterstützerInnen Faruks gerufenen Parolen schließe ich mich an: „Nieder mit dem Imperialismus, es lebe unser Kampf! Die deutschen Gerichte unterstützen den Faschismus in der Türkei!“ Wie kann ein Gericht erst anbieten, ihn für 3 Jahre 9 Monate bzw. für 4 Jahre 6 Monate zu verurteilen, ihn dann aber zu lebenslänglich  verurteilen, nur weil der Angeklagte kein Geständnis ablegt? Das ist sicherlich ein  Racheurteil, zynisch und verächtlich. Und es ist ein offener Angriff auf die gesamte klassenkämpferische Linke in der BRD, die eingeschüchtert werden soll. Das Urteil gegen Faruk Ereren  ist ein Urteil gegen uns alle, unsere Klassensolidarität ist nun herausgefordert!
Freiheit für Faruk Ereren! ….

Mein Fazit (meines Hungerstreiks):

Solidarität wächst mit dem Erfolg einer Aktion. Doch umgekehrt gilt auch natürlich und vor allem, dass ein Erfolg einer Aktion von der Solidarität abhängig ist. Es besteht da ein Wechselverhältnis. So wird es letztlich wohl darauf ankommen, ob das Thema eines isolierten Kampfes auch für die gesamte proletarische Klasse Bedeutung haben wird, denke ich. Ist letzteres der Fall, stellen sich Solidarität und Erfolg ein. da es im HS sehr direkt um unmittelbar leiblich-körperliche Dinge  gegangen ist (Nahrung), die auch die Menschenwürde betreffen (Ekel), war da doch überraschend viel Solidarität (jedenfalls auch aus meiner Sicht!). Ich selbst sehe den HS daher als politisch erfolgreich, die Klasse hat ihre Macht demonstriert! (Es darf ja nicht vergessen werden, das meine Person kontrovers betrachtet wird in der Klasse, weil ich einen Menschen getötet habe. Das erschreckt viele Menschen und erschwert ihnen, Solidarität zu üben.) Für mich eine wichtige Lehre war,  dass eigentlich unwichtig war, das ich eingeknastet bin: mein HS war nicht ein Kampf, der nur mit dem Knast zu tun hatte, sondern ein allgemeines Thema der Klasse, der Befriedung der aller- einfachsten körperlichen und seelischen Grundbedürfnisse.
Viele draußen werden sich wahrscheinlich schämen, eine solchen Kampf im eigenen Namen und für sich selbst zu führen, weil sie sich nicht als massiv gesellschaftlich ausgegrenzt outen müssen. Ums so lieber werden Ausgegrenzte dann für einen kämpfen, der noch ausgegrenzter ist, nämlich weil er eingeknastet ist. So können sie indirekt auch für sich selbst kämpfen bzw. ihre eigenes Problem thematisieren, ohne ihr eigenes darzustellen.
Was nun meine Mitgefangenen angeht, hat der Umstand meines Erfolges bei vielen Neid hervorgerufen. Die meisten Gefangenen haben draußen keine solidarische Unterstützung! Aus deren Sicht bin ich stärker als sie. Der Erfolg eines Stärkeren führt wohl immer zu Neid; der Erfolg eines Schwächeren aber wird von den stärkeren Teilen der Klasse wohl eher als eigener Erfolg gewertet, vermute ich. Womöglich werde ich von vielen Linken als „stark“ gesehen….., weil ich Gewalt angewandt habe im Kampf, so könnte es sein, dass ich von solchen beneidet werde und keine Solidarität erhalte!
In der RH – Zeitung 01/2011 auf Seite 38 ist ein Beitrag über COINTELPRO. Es wird ein FBI-Beamter zitiert, besonders müssten Aktivisten politisch untergraben, isoliert und geschwächt werden, die Gewalt angewendet haben. Denn solche Aktivisten besäßen in ihrem politischen Umfeld große Anziehungskraft und würden daher die Kampfkraft radikaler Organisationen steigern.
Hier ist zu bedenken, dass ich ja nicht einer bestimmten einzelnen Organisation angehöre. Ich zähle weitläufig zur Arbeitslosenbewegung, die in Wahrheit aber nicht gibt, weil diese „ Bewegung“ im wesentlichen das mediale Potemkinsche Dorf sozialdemokratischer Gewerkschaften ist.  Außerdem bin ich von dieser „Bewegung“ ja vor meiner Tat ausgegrenzt und massiv angegriffen worden (siehe der Vorwurf, Trinkwasser vergiften zu wollen im Zusammenhang mit der Strumpfhosensabotage von Abwasseranlagen).
In all dem hier oben Angeführten mag der Grund liegen, dass viele Linke mich wenig bis nicht unterstützen mochten im HS;  sie wussten schlicht nicht, ob ich „ einer der ihren “ bin.  Autonomer bin ich nicht, Linksradikaler mit Staatsorientierung auch nicht. Vielleicht wissen einige vage, ich sei Anarchist. Da müsste nachgedacht werden, wie die Spaltung in Strömungen überwunden werden kann. Wahrscheinlich nur und allein durch eine ausdrückliche Hervorhebung von Klassenkampforientierung  bei allen Strömungen……..
Mit Andi aus der Schweiz bin ich vollauf solidarisch!

Mit herzlichen und kämpferischen Gruß,
Werner