[B] Wir Sind Alle 129 a,b,c,d – Aufruf zur Offenen Versammlung für offensive Solidarität (03.04. – 19:00 Uhr – Braunschweiger Str. 53/55) (DE/EN)

Nach den ersten beiden offenen Versammlungen für offensive Solidarität, geht es jetzt in die konkrete Planung eines Wochenendes mit Diskussion und Demonstration Berlin. Wir wollen uns vernetzen, aber auch aus Berlin unsere Solidarität mit dem aktuell laufenden Prozess in Dresden zeigen.
Hierzu laden wir euch ein, am Sonntag, den 03.04.22 um 19:00 Uhr in der Braunschweiger Str.53/55

[B] We Are All 129 a,b,c,d – Call for Open Assembly for offensive solidarity (03.04. – 19:00 – Braunschweiger Str. 53/55)

After the first two open assemblies for offensive solidarity, we are now moving into the concrete planning of a weekend with discussion and demonstration Berlin. We want to network, but also show our solidarity from Berlin with the currently ongoing process in Dresden.

For this we invite you to meet on Sunday, 03.04.22 at 19:00 in Braunschweiger Str. 53/55.

— ENGLISH BELOW—

Seit einiger Zeit mehren sich Ermittlungsverfahren wegen des Tatvorwurfs der Bildung einer kriminellen bzw. terroristischen Vereinigung, angetrieben von der Bundesanwaltschaft.

Das zur Zeit in Dresden verhandelte Verfahren gegen Lina, weitere Angeklagte und noch nicht verhandelte Beschuldigte führt uns, wie schon des Öfteren, eine Reihe von Widersprüchen, Problemen und Konfliktfeldern in der politischen Solidarität mit von Repression Betroffenen vor Augen.

Aus einer antiautoritären / anarchistischen Perspektive halten wir es für notwendig, zu einer offenen Versammlung mit dem besonderen Fokus auf den §129 Prozess im Antifa Ost-Verfahren aufzurufen. Um gemeinsam zu diskutieren und politisch zu analysieren, was Repression und die gerade auffällige Nutzung des §129 durch den Staat für uns und die Bewegung bedeutet und um gemeinsam eine auf gegenseitige Hilfe beruhende emanzipatorische revolutionäre Zukunft zu erkämpfen.

Solidarität besteht unseres Erachtens aus mehreren Faktoren: Einmal die ganz konkrete Solidarität zu den Gefangenen, so in der Organisierung von Geld, Büchern, Klamotten und emotionalem Support. Und eine offensive Art der Solidarität, die mit Erklärungen oder bewusstem Schweigen gegenüber den repressiven Institutionen, unsere nachhaltige Ablehnung gegen die existierenden Verhältnisse auszudrücken. Also: Die Verteidigung unserer Ideen auf allen Ebenen und in jedem Terrain, in dem wir uns bewegen. Es geht uns um offensive Solidarität, die tatsächlich zeigt, wofür wir kämpfen. Es sollte primär um die Fragen unseres Kampfes gehen, warum intervenieren wir an diesen Punkten und worin besteht die Notwendigkeit dieser Kämpfe? Der Staat greift diese an, weil sie stören. Was gibt es Schöneres, als diese zu stärken und zu verbreitern?

Eine horizontale, offene und gemeinsame Organisierung und Austausch bildet die Grundlage von Solidarität. Lasst uns also gemeinsam Wege finden, um gegen die Repressionsschläge des Staates zu kämpfen.

Die Strafrechtsnorm 129 hat ihre Wurzeln schon im 19. Jahrhundert. Von 1871 bis 1945 wurden damit – staatsfeindliche Verbindungen – vor allem Vereinigungen der Arbeiterinnenbewegung oder Kommunistinnen kriminalisiert. In der Bundesrepublik richtete sich der Paragraf 129 nominell gegen „kriminelle Vereinigungen“ , praktisch aber weiterhin gegen politische Linke. In den 50er Jahren wurden Zehntausende Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder der KPD eingeleitet. In den 80er Jahren trafen Ermittlungsverfahren wegen des Paragrafen 129 Hunderte Hausbesetzer*innen. Eine Verschärfung fand 1976 im Zuge des ausufernden staatlichen Vorgehens gegen die Rote Armee Fraktion statt. Die Einführung des Paragrafen 129a, der »Bildung einer terroristischen Vereinigung« wurde mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft. Ermittlungsverfahren werden automatisch von der Bundesanwaltschaft übernommen, die damit zur Verfolgungszentrale gegen linksradikale Gruppen geworden ist, so auch bei dem Antifa Ost Verfahren. Mit Ausnahme des Paragrafen 129 b, eine „kriminelle bzw. terroristische Vereinigung im Ausland“, der oft zur Einknastung von Angehörigen kurdischer und türkischer Strukturen verwendet wird, werden Verfahren nach § 129 und § 129 a oft eingestellt und dienen oft zur Einschüchterung und Ausforschung von Strukturen.

Terrordateien, Paragrafendschungel und Überwachungstechniken dienen dazu, Prozesse von Selbstorganisierung und kollektiver Verweigerung – und damit emanzipatorischer Entwicklung überhaupt – zu verhindern und anzugreifen.

Ein weiterer Aspekt zeigt sich in diesem § 129 Prozess: mit seiner Umsetzung steht nicht mehr die „kriminelle Handlung“ im Mittelpunkt der Strafverfolgung. Der Staat interessiert sich nicht so sehr für die Tatsache, dass eine Person eine andere Person verprügelt, dass ein Auto verbrannt wird, ein Stein geworfen wird, ein Fenster zerbrochen wird, eine Bank in Brand gesteckt wird usw.. Die Aktion und ihre Folgen treten in den Hintergrund. Worauf es wirklich ankommt und was solche Vorwürfe bewegt, nicht nur hier in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern und darüber hinaus, ist die politische Idee hinter der Aktion. Die Idee hinter jeder Handlung ist die wirkliche Gefahr für den Staat und muss als solche bestraft, verhaftet, in jeder Hinsicht gestoppt werden, bevor sie sich ausbreitet, reproduzierbar wird und in die Köpfe und Hände anderer Menschen gelangt. Kriminalisierung durch §129 zeigt sich als perfektes Werkzeug, das eingerichtet wurde, um jede politische Idee zu zerschlagen, die gegen die Machtansprüche des Kapitals, des Patriarchen oder der Kolonialist*in aufbegehrt.

In den heutigen Bewegungen gibt es oft starke Impulse zu reformistischen Teilbereichskämpfen, in denen sich von der Fähigkeit entfernt wird, sich gegenseitig in verschiedenen Befreiungskämpfen zu unterstützen und das Ineinandergreifen von verschiedensten Unterdrückungsformen zu erkennen und bekämpfen. Gegen diese Isolierung zwischen Kämpfen verbinden wir unsere Solidarität gegen den §129 und unseren Kampf gegen Faschismus mit einem Kampf gegen jede Herrschaft!

Jeder Einzelne, welcher allein oder gemeinsam mit anderen offen gegen den Staat und seine verschiedenen Formen von Herrschaft und Unterdrückung kämpft, sollte bedenken, dass diese Art von Anklage an deren Tür klopfen könnte. Aber das sollte uns nicht erschrecken! Wir sollten uns nicht isolieren und distanzieren, sondern die Verbindungen in unseren Kämpfen, in unseren Leben und die Solidarität und die Beziehungen zueinander stärken, um den Angriffen des Staates feindlich und offensiv gegenüberzustehen.

Seit November 2020 befindet sich die Gefährtin Lina in Untersuchungshaft und wird nach § 129 zusammen mit 9 anderen beschuldigt, eine kriminelle Organisation gebildet zu haben, um Neonazis den Gar auszumachen. Der Prozess, der seit dem 8. September läuft, findet in Dresden in einem ehemals für die Nazigruppe Freital gebauten Hochsicherheits-Gerichtssaal statt. Im Moment stehen Lina und 3 der anderen Angeklagten vor Gericht. Es zeichnet sich ab, dass es vielleicht in naher Zukunft zu Zeug*innenvorladungen und weiteren Anklagen kommen kann. Viele haben vielleicht auch mitbekommen, dass der Prozess und die Solidarität vom Schatten bestialischer Auswirkungen des Patriarchats überlagert sind. Nun einmal mehr wollen wir uns davon nicht bleiern den herrschenden Verhältnissen hingeben und gerade jetzt zur offensiven Solidarität aufrufen in unseren Kämpfen gegen die herrschenden Verhältnisse.

Die Darstellung von Lina durch die Medien entweder als unschuldiges Mädchen, das von ihrem Freund korrumpiert wurde, oder als gewalttätige Anführerin einer Bande von Schläger*innen speist sich in ein sexistisches und patriarchales Narrativ der herrschenden Verhältnisse, in dem Flinta+, die nicht in eine bestimmte Rolle passen, als von der Norm abweichend beurteilt werden und das kotzt uns an. Sie wird nun seit über einem Jahr ohne jegliche Verurteilung gefangen hinter staatlichen Mauern gehalten.

Lina muss raus! Durch die Mauer – bis sie bricht!

NIEMAND ALLEIN IN DEN HÄNDEN DES STAATES! Freiheit für Lina ! Freiheit für Alle!

Freitag – 25.03.22 – 19:00 Uhr – Kalabalik – Bitte kommt getestet

We are all 129 a,b,c,d – Call for open solidarity assembly

For some time now, the number of investigations for the construction of a criminal or terrorist organization has been growing, driven by the federal public prosecutor’s office.

The proceeding currently running against Lina, other defendants and accused that have not yet been dealt with shows us, as other proceedings have shown repeatedly before, several contradictions, problems and fields of conflict surrounding political solidarity with people affected by repression quite plainly.

From an anti-authoritarian/anarchist perspective, we consider it necessary to call for an open assembly, with a special focus on the §129 trial Antifa Ost. To discuss and politically analyse together what repression and the state’s current conspicuous use of §129 means for us and the movement, and to fight together for a mutual aid based emancipatory revolutionary future.

In our opinion, solidarity consists of several factors: Firstly, the very concrete one towards the prisoners, namely in the organisation of money, books, clothes and emotional support. And an offensive way of expressing, with statements or conscious silence towards repressive institutions, our sustained rejection of the existing conditions. In other words: defending our ideas at all levels and in every terrain in which we move. We are concerned with offensive solidarity that actually shows what we are fighting for. It should be primarily about the questions of our struggle, why do we intervene at these points and what is the necessity of these struggles? The state attacks them because they are disruptive. What better way than to strengthen and broaden them?

Horizontal, open and common organising and exchange is the basis of solidarity. So let’s find ways together to fight against the repressive blows of the state.

The penal code 129 has its roots in the 19th century. From 1871 to 1945, it was used to criminalize associations of the workers‘ movement or communists in particular – hostile associations to the state. In the Federal Republic of Germany, § 129 was nominally directed against „criminal associations“, but in practice it continued to be directed against political leftists. In the 1950s, tens of thousands of preliminary proceedings were initiated against members of the KPD. In the 1980s, hundreds of squatters were investigated under $ 129. The law was intensified in 1976 in the course of the escalating state action against the Red Army Faction. The introduction of Paragraph 129a, which punishes the „formation of a terrorist organisation“, was punished with up to ten years in prison. Preliminary proceedings are automatically taken over by the Federal Public Prosecutor’s Office – which has thus become the persecution center against radical left groups. This was also the case with the Antifa Ost proceedings. With the exception of section 129b, „criminal or terrorist organisation abroad“, which is often used to jail members of Kurdish and Turkish structures, proceedings under 129 and 129a are often dropped and are often used to intimidate and investigate structures.

Terror files, a jungle of paragraphs and surveillance techniques are used to prevent and attack processes of self-organisation and collective refusal – and emancipatory development in general.

Another aspect that becomes apparent in this 129 process- is that with its implementation, the „criminal act“ is no longer the focus of law enforcement. The state is not so interested in the fact that a person beats up another person, that a car is burned, a stone is thrown, a window is broken, a bank is set on fire, etc. The action and its consequences fade into the background. What really matters and what moves such accusations, not only here in Germany but also in other European countries and beyond, is the political idea behind the action. The idea behind each action is the real danger to the state and as such must be punished, arrested, stopped in every way before it spreads, becomes reproducible and gets into the heads and hands of other people. Criminalisation through §129 shows itself to be a perfect tool set up to crush any political idea that rebels against the power claims of capital, the patriarch or the colonialist.

In today’s movements, there are often strong impulses towards reformist sectional struggles, moving away from the ability to support each other in different liberation struggles and recognizing and fighting the intertwining of different forms of oppression. Against the these isolation between struggles, we connect our solidarity against the §129 and our fight against fascism with a struggle against every domination!

Every individual who openly fights against the state and its various forms of domination and oppression, alone or together with others, should bear in mind that this kind of accusation might come knocking on their door. But this should not frighten us! We should not isolate and distance ourselves, but strengthen the links in our struggles, in our lives and solidarity and relations with each other to be hostile and offensive to the attacks of the state.

Since November 2020, the comrade Lina is in preventive detention and is accused under § 129 together with 9 others of having formed a criminal organization to attack Neo-Nazis structures.The trial, which has been going on since September 8, is taking place in Dresden in a high-security courtroom formerly built for the Freital Nazi group, in front of the Federal Constitutional Court. At the moment, Lina and 3 of the other accused are on trial. It appears that it may come to invitations of witness and further accused, in the near future. Many may also have noticed that the trial and solidarity are overshadowed by the bestial effects of the Patriarchate. Now, once again, we do not want to surrender deadly to the ruling circumstances and call for offensive solidarity in our struggles against the ruling circumstances.

The media’s presentation of Lina as either an innocent girl corrupted by her boyfriend or a violent leader of a gang of thugs feeds into a sexist and patriarchal narrative of the prevailing conditions in which FLINTA+ who do not fit a certain role are judged as deviating from the norm and this pisses us off. She has been held captive behind state walls for over a year now without any condem.

Lina must get out! Through the wall- until it breaks! Until all are Free!

NO ONE ALONE IN THE HANDS OF THE STATE! Freedom for Lina! Freedom for all!

Friday, 25.03.22 – 7 p.m. – Kalabalik – Please come tested

https://de.indymedia.org/node/180554