solidarität

Einige Gedanken zum Umgang zur Repression

Für die Soli-Party für einen Genossen am 25.10.14 in Berlin

Lieber Genosse, liebe Anwesende,
so aus der Ferne ist  für mich nicht einfach, was zu der Thematik zu sagen. Ich versuche es aber mal trotzdem.

Repressionsschläge wie ein z. B. ein § 129-Verfahren sind immer ein Einschnitt für die Betroffenen.
Sei es für einen selbst, für seine politische und familiären Zusammenhänge.

Damit es nicht  zu abstrakt und  allgemein bleibt, berichte ich von meinen Erfahrungen.
Anfang der siebziger Jahre versuchte ich meine Praxis mit der Politik der Guerilla zu verbinden.
Ich besuchte Prozesse gegen GenossInnen aus der RAF und  stellte mit anderen Öffentlichkeit dazu her.
Besetzte mit anderen MitstreiterInnen das Haus in der Hamburger Ekhofstraße 1973. Kurz vor der Räumung wollten wir es nach „Petra Schelm“ benennen. Sie war eine Militante aus der RAF, die am 15. 8. 1971 von der Polizei erschossen wurde.
3 HausbesetzerInnen wurden zu 16, 14 und 12 Monaten Knast verurteilt. Ich wurde nur kurzfristig festgenommen.
Da war es für mich selbstverständlich, mit diesen Gefangenen gemeinsam für ihre Freilassung zu kämpfen. Die wegen der Hausbesetzung Eingesperrten, schlossen sich einem Hungerstreik der politischen Gefangenen an. Später sagte einer dieser Gefangenen, durch die Teilnahme an diesen Streik seien sie praktisch nicht allein dem Knast ausgeliefert gewesen und konnten so nach drinnen und draußen Kontakte knüpfen.

Da war es für mich nur konsequent, die politischen Gefangenen aus den Bunkern der Isolation heraus zu kämpfen. Ich schloss mich deshalb 1974 den „Komitees gegen Folter an den politischen Gefangenen in der BRD“ an.
Nach der Festnahme zahlreicher Mitglieder aus der RAF 1972 wurde mit strikter Isolation und Sonderbehandlung versucht, die Inhaftierten zu brechen und zu zerstören. 9 Gefangene aus diesen Zusammenhängen überlebten den Knast nicht.
Um diese Isolationsfolter mit aller Gewalt durchzusetzen, reagierte die Klassenjustiz mit Repression:
Weitere Verschärfungen gegen diese Gefangenen, Verfahren und Festnahmen gegen ihre AnwältInnen, Angehörigen und uns draußen.

Mein erstes § 129-Verfahren erhielt ich 1974, weil ich mich gegen diese Haftbedingungen engagierte und die politischen Ziele der Guerilla, nach Befreiung durch Revolution, teilte. Auf diese Repression reagierte ich scheinbar locker und abgeklärt. Doch so war es nicht. Eine kurze Zeit sah ich hinter jeden Baum und in jeder Straße Zivilbeamte, die mich beobachteten und verfolgten. Natürlich war von Erfassung wegen meiner subversiven Praxis immer auszugehen, doch ist es was anders, wenn ich selbst betroffen bin. Dann ist die Bedrohung nicht abstrakt, sondern real und konkret, eben Neuland für mich. Ich konnte mit meinen Zusammenhängen und AnwältInnen darüber reden, mit der Folge das ich die z. B. die Observation realistischer und angstfreier anpackte. Sei es sie genau einzuschätzen, auch manchmal aufzudecken und zu vermeiden.

Nur gemeinsam konnte/n ich/wir der Repression widerstehen. Das gilt damals wie heute.
Mein zweites § 129-Verfahren hatte ich 1983, weil ich angefangenen hatte, politische Gefangene aus der RAF und dem Widerstand, das waren Eingesperrte aus der Legalität, die die politischen Ziele der RAF teilten, zu schreiben und zu besuchen. Die Isolation, die Mauern nach drinnen zu durchbrechen, ist durch Öffentlichkeit möglich, aber mir war und ist auch wichtig, durch direkten Kontakt zu den Weggesperrten sie zu bekämpfen. Gelang mir das, war es war auch für uns beide, eben auch für den Gefangenen, gut. Das gab uns auch gegenseitig Kraft und wir wurden stärker und durchbrachen auch unsere Isolation, drinnen wie draußen. Diese Aufhebung ist immer ein Aufbrechen von Herrschaft und ein Schritt zur Befreiung.
So war es für mich nicht verwunderlich, dass ich 1983 mit einem weiteren § 129-Verfahren konfrontiert wurde und auch deshalb meine Wohngemeinschaft vom Staatsschutz durchsucht wurde. Bald 4 Jahre durfte ich danach keine Gefangenen aus diesen Zusammenhängen mehr besuchen.

Auf Grund des Verfahrens untersagte mir eine Bekannte aus meinen familiären unpolitischen Umfeld, ihre Wohnung zu betreten. Sie hatte einfach Angst, dass sie durch mich noch mehr vom Staatsschutz erfasst werden würde. Grundsätzlich ist es wichtig, Ängste nie zu ignorieren, sondern zu akzeptieren. Ich hielt mich natürlich an ihre Bitte.  
Selbst zu seinen Ängsten zu stehen, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Es ist zum einen  ehrlich, zum anderen ist es ein Schritt, damit besser  umgehen zu können. So eine Offenheit gegenüber seinen GenossInnen ist immer richtiger, als den „coolen Helden“ zu spielen. So eine Aufrichtigkeit hat immer was mit eigenem Leben und Kämpfen zu tun, und ist real, also kein Film!

1983 hatten sich damals Einige aus meinen nachbarschaftlichen Umfeld mit mir solidarisiert, da ich die politischen Hintergründe des Verfahrens auf Grund der Durchsuchung noch einmal konkret vermitteln konnte. Es gab daraufhin zum z. B. Solidaritätsadressen auf  einer Veranstaltung.
Das der Staatsschutz angreifbar war, zeigte sich auch dadurch, dass während der Hausdurchsuchung ein Notizbuch eines beteiligten Beamten verschwand.

Fazit:
Repression polarisiert immer. Wir alle, die gegen diese Verhältnisse kämpfen, müssen sich dazu solidarisch verhalten. Das geht nur gemeinsam und mit Aufrichtigkeit. Das hört sich einfach an, ist aber ein langer und mühsamer Weg.
Es ist aber ein lohnender Schritt in Richtung Befreiung.

Venceremos

Wolfgang aus Hamburg