Erklärung von İhsan Cibelik am 28. Hauptverhandlungstag (21.12. 2023)

Dies ist meine Erklärung zum Raub meines Rechts auf die notwendige medizinische Behandlung.
Ich habe mir den Beschluss des Senats1 über meinen Antrag, dass der Haftbefehl wenigsten vorübergehend außer Vollzug gesetzt wird, damit mein Prostatakrebs behandelt werden kann, angesehen. Den Beschluss habe ich mir viele mal durchgelesen. Das so ein Antrag abgelehnt wird, verstößt so sehr gegen die grundlegenden Menschenrechte, dass der Senat offensichtlich, um Gründe für die Ablehnung zu finden, widersprüchlich argumentiert. Zusammengefasst steht dort folgendes:
Der Angeklagte sagt immer wieder, er sei ein revolutionärer Künstler. Das beinhaltet das Potenzial einer ständigen Tat. Wenn man so einen gefährlichen Menschen frei lassen würde, würde dieser, aus welchen Gründen auch immer, fliehen. Weil es sich bei ihm um einen gefährlichen Terroristen handelt und er eine schwere Strafe zu erwarten hat, würde er fliehen weil die bislang verbüßte Untersuchungshaft für die zu erwartende Strafe nicht ausreicht. Je nach Verfügbarkeit, je nach Möglichkeit soll seine Behandlung in der JVA fortgesetzt werden. Was er selbst möchte, ist irrelevant. Selbst wenn die Ärzte eine OP vorschlagen, ist das irrelevant. Er soll sich damit begnügen alle 3 Monate untersucht zu werden. Anfangs sei es in der JVA zu Verzögerungen gekommen. Aber das würde sich jetzt ändern. Und wenn er nicht behandelt werden kann, könne der Senat nichts dafür. Wir – der Senat – kümmern uns für die Öffentlichkeit, um die Verfolgung des Schuldigen. Dazu sind wir verpflichtet. Außerdem hat die U-Haft noch nicht erreicht, was sie sollte. Die Gesundheit ist nicht die Zuständigkeit des Gerichtes. Warum sollen wir uns damit rumschlagen? Damit muss sich die JVA rumschlagen.
Jetzt kommt ein Zitat: „In der heutigen Hauptverhandlung hat er sich selbst erneut als „revolutionärer Künstler bezeichnet.“2 Zitat Ende. Das heißt er hat seine Sympathie für die Revolution kundgetan. Somit besteht ein Tatverdacht.
Einfacher gesagt heißt es konkret, dass revolutionäre Aktivitäten und ein revolutionärer Künstler zu sein einen dringenden Tatverdacht darstellen. Ein Gericht, dass diese Sätze in einen Beschluss hineinschreiben kann, bewegt sich nicht mehr im Bereich von Gerechtigkeit.
Weil hier darüber geurteilt wird, die einzelnen Aktivitäten und Aktionen zu definieren und sich dabei anzuschauen, ob es sich um eine Straftat handelt oder nicht. Und wenn das Gericht bei manchen Aktivitäten oder Aktionen oder Dokumenten auch behauptet, es handelt sich um eine Straftat, so handeltet sich dabei um Behauptungen aus nicht gesicherten fraglichen Quellen. Das Gericht sucht und findet keine konkreten Beweise. Es wird aber diese Last los, wenn es alle Aktivitäten – selbst lebensnotwendige wie Essen und Trinken – als Terrorismus stigmatisiert und definiert. Und für sich selbst deutet der Senat, dass wir keine Einlassungen abgegeben haben, ebenfalls als eine Straftat und bestraft uns deshalb. So weit gingen noch nicht mal die Richter des Faschismus in der Türkei. Das sollten sie denen auch beibringen. Diese sahen bis dato keine Straftatbestände darin, wenn wir uns als revolutionäre Künstler bezeichneten, unsere Identität kundtaten, in unseren dutzenden Alben, in unseren Interviews, Konzertauftritten, wenn wir Reden hielten …. Vielleicht können sie von nun an diesen Fehler beseitigen.
In der Begründung für die Ablehnung des Haftantrags gehen Sie (der Senat) am meisten auf die Fluchtgefahr ein. Die Gefahr der Flucht würde ihm die Möglichkeit zu geben, schwere Straftaten zu begehen. Ist das so? Soll ich seit 14 Jahren schwere Straftaten begangen haben, ohne zu fliehen? Die Polizeibeamten, die Polizeidirektoren, die Staatsanwälte haben jeden einzelnen meiner Atemzüge verfolgt und zu den Akten gebracht. Dann haben sie wohl diese „schweren Straftaten“ nicht gesehen oder nicht verfolgt. Damit werden sie zu Mittäter.
An einigen Stellen wird es noch einmal unterstrichen, die zu erwartende hohe Gefängnisstrafe nehmen sie wohl als Grundlage für ihre Paranoia: Die Annahme der Flucht.
Wie lange wird die Haftstrafe denn sein? Sie haben das wohl schon mehr oder weniger festgelegt. Oder stand das etwa von Anfang an fest?
Zitat: „Die Fluchtgefahr entfällt nicht … Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die von dem Angeklagten in seiner Erklärung geschilderte, in türkischer Haft erlittene Folter im Fall seiner Verurteilung bei der Strafzumessung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen sein dürfte.“3
Was ist das für ein Satz? Kaufen wir im Bazar ein? Damit sie das, was ihnen erzählt wird, ernst nehmen, müssen sie das nicht am eigenen Leibe erfahren haben. Es handelt sich um Tatsachen. Und wenn sie diese für wahr halten würden, müsste dieser Prozess beendet werden. Auch die Sache mit der Behandlung und andere unsinnigen Sachen müssen beseitigt werden. Ich bin ein revolutionärer Künstler. Ich beobachte, was in der Welt und in meinem Land passiert und versuche mich einzubringen. Es ist nicht wichtig, was ich erlebe. Ich habe das nur erwähnt, damit es die Glaubwürdigkeit unterstreicht. Aber was der Imperialismus an kriminellen Handlungen begangen hat und begeht, können sie in hunderttausenden Dokumenten feststellen. Sie schreiben auch noch, ein Straftäter muss verfolgt werden, demgegenüber sei das Recht auf Freiheit untergeordnet und dies nicht unverhältnismäßig. Nur ist das Recht auf Freiheit von Anfang an eine wesentliche Frage der Verteidigung.
Aber bei dem Antrag, den sie abgelehnt haben, wurde dieses Recht auf Freiheit nicht thematisiert.
Was thematisiert wurde, war das Recht auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit. Lassen sie es uns konkretisieren. Wenn die Todesstrafe in ihren Gesetzen nicht abgeschafften worden wäre und sie ein solches Urteil gefällt hätten. Hätten sie dann nicht bis zum letzten Moment dafür gesorgt, dass die Gesundheit gut ist, damit die Strafe vollzogen werden kann?
Und wenn dafür gesundheitliche Probleme erst mal behandelt werden müssten. Das Recht auf Gesundheit ist selbst hier grundlegend. Sie gingen noch nicht mal darauf ein. Als hätten wir eine andere unakzeptable Forderung gestellt. Wir sagen, es geht um die Gesundheit – um den Krebs. Verhindern sie nicht meinen Kampf gegen den Krebs!
Sie beugten sich den Vorschlägen und Stellungnahmen der Bundesanwaltschaft. Um das tun zu können, mussten sie das Recht, das Strafvollzuggesetz, Prinzipien verzerren und willkürlich anwenden. Es wird gesagt, dass jemand der sich in Untersuchungshaft befindet und sich behandeln lassen muss, nicht zu entlassen werden braucht. Wir haben unsere Forderung jedoch nie für die Krankheiten gestellt, die sich in der JVA behandeln lassen.
Die Rede ist hier von Krebs, von Metastasenbildung und von der Gefahr der Streuung des Krebses. Ich will, dass eingegriffen wird, bevor es sich streut. Wenn diese Möglichkeit besteht, dann gewährleisten sie das. Wir wissen zu gut, dass es in der JVA nicht möglich ist. Dann hindern sie mich nicht daran, dass dies verwirklicht wird. Danach können sie das machen, was immer sie wollen. Ich habe dutzende Male gesagt, dass ich keine Angst vor Gefängnis, der Strafe habe. Der Beschluss, aus dem ich zitiert habe, soll wohl folgendermaßen verstanden werden: Wenn ein Untersuchungshäftling krank wird, muss er unter den Bedingungen behandelt werden, welche die JVA bietet. Damit muss er sich begnügen. Das schließt die Inkaufnahme des Todes mit ein. So sei es – so der Beschluss – nicht zwingend notwendig, dass der Haftbefehl außer Kraft gesetzt wird.
Ist es so? In der Türkei gibt es in den Gefängnissen, Gefangene deren Krankheiten nicht mehr behandelt werden können. Es handelt sich um Krankheiten, die in den Gefängnissen eingetreten sind. Es handelt sich um hunderte Fälle. Die Todesgefahr steigt aufgrund der Strafvollzugspolitik und den damit verbundenen allgemein bekannten bürokratischen Hürden.
Für diese Gefangenen in der Türkei wurden viele Kämpfe geführt. Ich habe auch meinerseits versucht, diese Kämpfe zu unterstützen. In der Türkei entscheidet das Forensische Institut über die Behandlung und Beendigung der Gefangenschaft. Die AKP-Regierung hat durch das Forensische Institut dutzende falsche Atteste ausstellen lassen. Diese Kenntnisse sind gesichert. Genau diese Institution ist es, welche bei Gefangenen, die ernsthaft krank sind, keine ordentlichen, der Wahrheit entsprechenden Arztberichte erstellt. In den Berichten steht dann: „Dem Gefangenen geht es gut. Die Krankheit kann im Gefängnis behandelt werden“. Somit verhindert das Forensische Institut die Behandlung. Aber genau dasselbe Institut ist es, wenn die Krankheiten so weit fortgeschritten ist, dass der Tod kurz bevorsteht, ein neues Attest zugunsten der Haftentlassung ausstellt. Nur damit der Gefangene nicht im Gefängnis unter der Verantwortung des Staates, sondern daheim stirbt. Ich erinnere an Güler Zere.4 In ihrer Freizeit, wenn es sie interessiert, können sie ja beim Justizministerium nachfragen und sich auch weitere Informationen holen. Wie viele starben nach der Haftentlassung? Wer entscheidet hier? Es gibt hier ein Attest. Und es existiert die Option für eine Operation. Aber es wird nicht unternommen, was notwendig ist, damit dies veranlasst wird. Trotz der Gefahr, dass ich mich wiederhole, muss ich darlegen, warum das in der JVA nicht möglich ist. Was will ich? Ich will, dass die Krebszellen, die in der Prostata sind, entfernt werden. Und ich will, dass man feststellt, ob die anliegenden Organe betroffen sind. Und das unter für die Gesundheit am besten geeigneten Umständen. Es ist nur zu offensichtlich, dass dies unter den Bedingungen der JVA und in der Haft nicht möglich ist. Und auch die postoperative Phase und damit verbundene nötige Pflege und Reha ist dort nicht möglich.
In dem Beschluss steht auch folgende unverständliche Aussage: „Die Vorgehensweise der JVA lässt insgesamt nicht besorgen, dass künftig eine sachgerechte Behandlung des Angeklagten unterbleiben wird.“5
Ich habe nie behauptet, dass sie vorsätzlich falsch gehandelt hat. Aber es ist nun mal so, bei Gefängnissen handelt es sich nicht um Gesundheitszentren, sondern Strafvollzugszentren. Dies beginnt bei der Sicherheit und dann gibt es auch noch viele andere Gesichtspunkte für die Gefangenen in diesem Zusammenhang.
Die Gesundheit ist nur einer dieser Punkte.
In allen JVAs, wird man – abgesehen von Notfällen – wo man vorsprechen kann, in der Regel überwiesen. Gefängnisse haben nicht die Ausstattung für Befunde und Behandlungen. Sie sind nicht dafür ausgestattet. Und ihre Funktion und ihre Regelungen sind nicht dafür vorgesehen. Es geht hier nicht um meine persönliche Sicherheit. Die JVA-Ärztin – Frau D. – hat nur verschämt auf die Verzögerungen in meinen Fall hingewiesen. Aber ich musste zuvor persönlich mit drei sehr langen Briefen darauf hinweisen. Frau D. kennt die Bedingungen für die Behandlung meiner Krankheit nur zu gut. Sie weiß, dass diese nicht gut und ideal sind. Niemand soll aber erwarten, dass sie das so kundtut. Es könnte sein, dass dies ihr Status, ihr Arbeitsvertrag, andere Interessen oder andere politische Interessen nicht ermöglicht. Frau D. möchte das vielleicht nicht riskieren. Aber die Realität in den Gefängnissen haben sie – die Mitglieder des Senats – doch vor Augen.
Beispiel 1:

  1. Mai 2022: In Frankreich hätte es in der Klinik zu einer Biopsie kommen sollen, ich hatte einen Termin. Dies hat nicht funktioniert und es sollte kurzfristig einen anderen Termin geben. Ich wurde aber verhaftet.
  2. Mai 2022: Der Anstaltsarzt hat die Dringlichkeit einer Biopsie in meine Akte reingeschrieben.
  3. September 2023, d.h. 1 1/2 Jahre später wurde die Biopsie endlich gemacht und es wurde Krebs festgestellt.
    Beispiel 2: Es geht sich um eins von den Medikamenten, als ich festgenommen wurde. Ich wollte das nicht öffentlich erzählen, aber sie lassen mir keine andere Wahl. Es handelt ich um eine Creme gegen Ekzeme. Die heißt …. Laut den Vollzugsbestimmungen im Gefängnis wurde es mir weggenommen. Wie auch die anderen Medikamente. Es sollte mir aber wieder gegeben werden. Aber ich bekam es erst nach 3 1/2 Monaten. Ich konnte nächtelang nicht schlafen, weil es gejuckt hat.
    Beispiel 3: Da sie in den Gefängnissen nicht in die Ferne sehen können, geht das Sehvermögen ihrer Augen verloren. Zum einem war die Sehstärke meiner Brille nicht mehr ausreichend. Und wie sie sehen können, ist diese an einer Stelle zerbrochen. Da das Lesen und Schreiben für uns für die Verteidigung grundlegend ist, versuchte ich eine Neue zu bekommen. Diese Untersuchung meiner Augen, die gerade mal 30 Sekunden betrug, war erst möglich, nachdem diverse Anträge eingereicht wurden und ein Gerichtstermin abgesetzt wurde. Wenn ich meine Brille durch die Institution hätte richten lassen wollen, möchte ich gar nicht wissen wie lange das gedauert hätte. Monate, ja gar Jahre. Aber meine Anwälte haben die Brille draußen richten lassen und mitgebracht. Sie ist gleich repariert worden. Von ihnen wollen wir die Erlaubnis, dass siehierhergebracht wird.
    Ich möchte folgendes betonen: Nichts davon resultiert aus der bösen Absicht oder Versäumnisses der Vollzugsanstalt. Das System und die Umsetzung, was die gesundheitliche Fürsorge von Gefangenen angeht, hat dies so etabliert. Ich gebe noch ein weiteres wichtiges Beispiel. Im Gefängnis ist die Sicherheit am wichtigsten. Das hat sogar die absolute Priorität. Nach dem von ihnen sehr gerne verwendeten Begriff ist das nicht unverhältnismäßig. Im September 2023 bin ich mit den Beamten der Sicherheitsabteilung des Gefängnisses, genannt Haus 4, zur Biopsie-Untersuchung gegangen. Die Biopsie erfolgte. Ich kam nach der Betäubung zu mir. Die Schicht des Beamten, der mich begleitet hatte, war zu Ende. Er rief die JVA an. An seiner Stelle kam ein Beamter, der in derselben Abteilung zuständig ist. Nachdem ich mich erholt hatte und die Ärzte mich informiert haben, habe ich mich zum Gehen bereit gemacht. Mit seiner Hilfe kehrten wir ins Gefängnis zurück. In Haus 4 gibt es eine Regel. Beim Betreten muss man alles, was man anhat, ausziehen und das anziehen, was man dort gelassen hat. Erst nachdem die Kleidung durchsucht wurde, wird man in die Zelle gebracht. Wir sind in den Bereich gelangt, wo man in die Zelle gelassen wird. Ich trug nur ein Shirt und Short, da ich ja aus dem Krankenhaus kam. Es befand sich Blut im Short. Die Wirkung der Narkose hatte abgenommen und ich war sehr erschöpft. Der Beamte wartete und schaute mich an. Ich zog meine Schuhe aus. Ich frage, ob es denn nicht möglich sei, dass er mich mit dem Detektor durchsucht und abtastet, damit ich in die Zelle kann. Er drehte sich zu mir um und sagte, wir müssen. Ich sagte, es wird mir sehr schwerfallen, ich kann mich weder bücken noch setzen. In seiner Hilfsbereitschaft erwiderte er, „keine Eile, mach langsam“. Ich zog die Sachen, welche ich anhatte, aus und zog die anderen Sachen an. Es dauerte 15 Minuten. Er wollte mir ja helfen. Er sah das T-Shirt und die Shorts und gab mir diese zum Mitnehmen. Ich möchte betonen, er hatte wirklich gute Absichten. Wir haben immer noch eine gute Beziehung miteinander. Ich betone, obwohl Blut auf den Short war, musste ich mich umziehen. Das müssen sie verstehen. Hier geht es nicht um gute Absichten. Sondern um die Praxis. Die Fluchtgefahr wird immer wieder wiederholt. Sie ist nahezu zu einer Paranoia geworden ist. Doch sie suchen nicht nach einer Lösung, um dies zu beheben oder eine Lösung hervorzubringen. Sie verstecken sich hinter dieser Gefahr und lehnen ab.
    Sie sind in der Lage uns über Jahre hinweg zu beobachten, selbst jeden Atemzug. Hinterher fassen sie einen Beschluss und aktivieren all ihre Möglichkeiten, um mich festzunehmen. Und um diesen Prozess zu machen haben sie, auch wenn etwas unzulänglich, hunderttausende von Seiten digitalisiert und hochgeladen. Doch sie schaffen keine Lösung, die dazu beiträgt, die Behandlung eines Gefangenen und seine Operation und die damit einhergehende Nachsorge zu gewährleisten, in dem sie Vollstreckung außer Vollzug setzen.
    Aus diesem Grunde können sie letztlich Entscheidungen treffen, deren Konsequenzen die gleichen sind, wie die der Folterer und Mörder in der Türkei und derjenigen, die dort Roben anhaben aber im Grunde genommen Folterer sind. Um sie nicht in den gleichen Topf zu stecken, was können sie mir dazu sagen? Bleibt da noch ein Unterschied? Sie haben eine Entscheidung getroffen, die haltlos, schwach und ohne jede Initiative ist.
    So als ob man von Ast zu Ast springen würde und sich an einem Ast halten würde. Wir sind seit Monaten hier von Angesicht zu Angesicht und haben die Atmosphäre in diesem Saal gemeinsam mitbekommen. Nun, ihnen gegenüber sitzen keine gefährlichen, fürchterlichen unmenschlichen Kreaturen. Wenn dies der Fall gewesen wäre, so hätten sie diese Beschlüsse viel entspannter schreiben können. Ihnen sind Menschen begegnet die mit ihren Reden, Tönen, Interessen, Erfahrungen fröhlich und enthusiastisch sind, die ihre Genossen lieben. Den Regeln des Gerichts gegenüber soll man Respekt haben.
    Ich möchte, dass die Seele von dem, was zur Sprache gebracht wird, nicht verloren geht. Als wir hier über die Gesundheit redeten, haben sie die JVA angerufen und nachgefragt. Für meine Augen haben sie sogar eine Verhandlung abgesagt. Serkan konnte sein Kind sehen. Ich konnte meine Frau ohne Scheibe sehen. Davon ausgehend, habe ich gedacht, dass sie die rechtlichen und grundlegenden Menschenrechte wahren und Initiative ergreifen könnten. Ich habe aufgrund meiner Naivität und meines guten Willen mich geirrt. Die Wahrheit habe ich in ihren Beschlüssen gesehen. Mit diesem neuerlichen Beschluss habe ich sie zweifelsfrei begriffen. Ich glaube nicht mehr an eine Veränderung. Sie ergreifen keine Initiative. Sie können selbst bei groben Fehlern nicht eingreifen. Sie haben die Behandlung eines Krebskranken verhindert aufgrund der Paranoia, er könnte fliehen. Ohne sich über eine Lösung Gedanken zu machen. Dann die Argumentation mit der Verhältnismäßigkeit. Sie bringen die Ärzte der Uniklinik Köln ins Spiel. Indem diese mir einen Krebs mit niedrigem Risiko attestieren und angeben es würde ausreichen, alle 3 Monate Untersuchungen durchzuführen. Damit nehmen sie mir die Chance, das Risiko einzugrenzen und den Krebs zu heilen. Wir können nur beten, dass dieses kleine Risiko nicht zur Realität wird. Aber schlussendlich wissen sie, dass diese Begründungen nicht herhalten können, denn sie sind zu schwach. Darum entdecken sie auf einmal, dass die Themen um die Gesundheit herum, nicht in ihrer Zuständigkeit liege. Das heißt, zunächst behindern sie die Behandlung und dann stellen sie fest, dass sie nicht zuständig sind. Verzeihen sie bitte. Dann haben wir unnötig ihre Zeit vergeudet. Sie prozessieren hier gegen uns im Namen des deutschen Volkes. Meiner Meinung nach gegen den Willen des deutschen Volkes. Sie halten sich an die Strafprozessordnung. Sie haben alle unsere Anträge abgelehnt und haben die ganze Zeit darauf geachtet, dabei auf die Anklagebehörde zu schauen. Ein paar mal und mit ein paar Beschlüssen haben sie das erklärt. Von Anfang an standen die Haftbeschlüsse fest. Und sie wollen die Akten schließen. Bitte nur zu. Ich habe keinen Grund mehr dem Respekt entgegenzubringen. Ich glaube nicht mehr an eine Änderung. Ich werde für mein Recht auf Behandlung kämpfen. Dabei lese ich auch die hunderttausend Seiten der Akten. Und so weit es mir möglich ist, werde ich meine Kunst leben. All dies wird auch in die Geschichte eingehen. Auch dieser Senat. Die Geschichte wird dies nicht vergessen. Es waren die werktätigen Völker, die für Rechte und Freiheiten gesorgt haben. Die imperialistischen Herren stellen das auf den Kopf. Durch sie, mittels dieser Gerichte richten sie das gegen die Kinder der werktätigen Völker. Sie tun dies unter dem Vorwand des Kampfs gegen den Terror. Sie benutzen das. Oder sie bekommen dafür ein Lob von Setton und der Bundesanwaltschaft. Aber zweifellos wird dies das deutsche und das anatolische Volk und die Geschichte in ihrer Erinnerung behalten.
    Das weiß ich, daran glaube ich. Ich protestiere gegen ihren Beschluss. Damit ich für mein Recht einstehen kann nehme ich mein demokratisches Recht in Anspruch und befinde mich seit dem 19. Dezember 2023 im Hungerstreik. Vielleicht wissen sie das ja.
    Es ist so, dass sich selbst viele faschistischen Generäle bis zum Ende kultiviert, gebildet und nett verhielten.
    Auch sie machen dies.
    Diese hatten keinen Erfolg. Die Sozialisten haben gesiegt.
    Wir befinden uns heute in einer finsteren Welt. In einer Welt, die wegen der Ungerechtigkeiten verdunkelt wurde. Vielleicht gibt es noch größere Opfer zu bringen.
    Trotzdem wird der Sozialismus, werden die Revolutionäre am Ende siegen.
    Wir stehen hier stellvertretend für die hoffnungsvolle Zukunft der Menschheit.
    Mir ist eines bewusst und ich glaube an eins: Wir sind das Volk, wir haben Recht und wir werden siegen!

1 https://dhkpcverfahren2023129b.wordpress.com/2023/12/17/olg-dusseldorf-staatsschutzsenat-aktenzeicheniii-7-sts-1-23beschluss-vom-12-dezember-23-des-7-strafsenat-des-olg-dusseldorf-mit-dem-der-antrag-auf-haftunterbrechung-fur-den-krebskranken-ihsan/

2 Siehe Fußnote 1)

3Siehe Fußnote 1)
4 Hinweis Verteidigung: siehe ai-Bericht Türkei 2009, S. 7; https://www.amnesty.org/en/documents/eur44/004/2010/en/ Haftbedingungen – Zugang zu medizinischer Behandlung: Im Juli schrieb ai an die türkischen Behörden, um die Besorgnis von ai darüber zum Ausdruck zu bringen, dass Güler Zere, einer Gefangenen im Frauengefängnis Adana Karataş, kein Zugang zu einer angemessenen medizinischen Behandlung gemäß den internationalen Menschenrechts-Standards, einschließlich der UN-Mindestregeln für die Behandlung von Gefangenen gewährt wird. Bei Güler Zere war zuvor eine Krebsart diagnostiziert worden. Der von AI eingesehene medizinische Bericht vom 22. Juni 2009 besagt eindeutig, dass Güler Zere eine lebensbedrohliche Krankheit hat, dass sie auf die Fürsorge anderer angewiesen war und dass sie während ihres Verbleibs im Gefängnis keine angemessene Behandlung erhalten konnte. Trotz der Appelle ihrer Anwälte, ihre Haftstrafe zur Bewährung auszusetzen, hat das Institut für Gerichtsmedizin sich wiederholt geweigert, ihrer Freilassung zuzustimmen. Güler Zere wurde schließlich im November 2009 aus dem Gefängnis entlassen Präsidialerlass.
Sie verstarb am 7. Mai 2010.

5 Siehe Fußnote 1)