1.) Die Entscheidung über die Entlassung von Sonja aus der U-Haft
wurde von Gericht zunächst nicht entschieden, sondern soll außerhalb der Hauptverhandlung fallen. Die Staatsanwaltschaft erklärte dazu, dass sie die Haftentlassung ablehne, da trotz „gewisser Erinnerungslücken“ von Klein weiterhin „dringender Tatverdacht“ bestehe.
2.) Die Verhandlung wird danach mit der Vernehmung von Klein durch die Anwälte fortgesetzt.
Dabei verwickelt sich Klein im Folgenden mehrfach in Widersprüche bzw. kann das ihm vorgelegte Fotomaterial nicht zuordnen:
– Die Hütte bzw. das Haus im Aostatal, wo sich Klein aufhielt, bevor
er sich von der RZ absetzte, kann er auf Fotos nicht wiedererkennen.
– Die Angaben über die Anzahl der Frankfurter RZ, die er gekannt habe, weicht in verschiedenen Aussagen von einander ab.
– Die Angabe über Personen aus der RZ, die ihn im September 74
„gecheckt“ hätten, sind widersprüchlich; nach der Vernehmung durch das BKA im Kontext der Kronzeugenregelung sind Personen dazu gekommen, die Klein vorher nicht genannt hatte.
– Den späteren Kronzeugen im Prozess gegen die RAF, V. Speitel, will
Klein angeblich nicht gekannt haben, obwohl Speitel das Gegenteil
behauptet und ausgesagt hatte, mit Klein über die Zusammenarbeit von RAF und RZ geredet zu haben.
– Widersprüchlich sind auch die Aussagen von Klein über den Zeitpunkt der Waffenlieferung für die OPEC-Aktion: Wurden die Waffen zunächst von der RZ oder „den Libyern“ geliefert? Wer überbrachte die Waffen der RZ: Kannte Klein die Person nicht, oder war es eine Frau mit Namen „Sonja“? Es gibt grundlegende Widersprüche zwischen den Aussagen von Klein in polizeilichen Vernehmungsprotokollen und den Ausführung in seinem Buch „Rückkehr in die Menschlichkeit“, das Klein angeblich
kurz nach seinem „Ausstieg“ begonnen hatte und dessen Ausführungen „richtig“ wären. Im folgenden liest die Richterin Passagen aus den Protokollen und dem Buch vor; die Widersprüche kann Klein nicht auflösen.
Bemerkenswert ist noch, dass Klein auf die Frage, ob der Sprengstoff
aus Libyen benutzt worden ist oder der von der RZ, klipp und klar
erklärt, das wisse er nicht, er habe den Sprengstoff in der Wohnung
nicht gesehen, das wäre Youssufs Aufgabe gewesen.
– I.F. Erläuterung von Klein über die Pistole, die er angeblich die
ganze Zeit bei sich trug und die er nach seinem „Ausstieg“ an den
SPIEGEL geschickt habe. Nach seiner Verletzung bei der OPEC-Aktion in Wien habe Carlos die Waffe an sich genommen und sie ihm in Aden wiedergegeben. Die Pistole sei später per Diplomatengepäck vom Südjemen nach Italien geschickt worden.
– Die Frage, ob sich Klein mit den Möglichkeiten der
Kronzeugenregelung beschäftigt habe, will er zunächst nicht
beantworten. Als daraufhin der Anwalt mit Beugehaft droht und die
Richterin ihm nahelegt, lieber doch zu antworten, erklärt er sich doch zu einigen Aussagen bereit. In diesem Zusammenhang sagt er, dass er nach seinem „Ausstieg“ im April 77 zunächst Interviews gegeben habe, ohne RZ-Mitglieder zu belasten. Er habe sogar öffentlich (in Rom) gegen den „Terrorismus“ Reden gehalten und sei von der RZ bedroht worden. Dazu sagt er nichts genaues. Er habe sich dann überlegt, auch auszusagen, wobei er sich Hoffnung gemacht habe, dass das Gericht ihn dann hoffentlich „milde“ beurteilen werde. Er habe sich zu Gute gehalten, dass er durch sein politisches Auftreten gegen den „Terrorismus“ schließlich die „Frankfurter Unterstützerszene“ der RZ „zerlegt“ habe.
– Auf Fragen der Anwälte zu evt. psychischen Problemen bzw. Einnahme von Psychopharmaka von Klein interveniert die Richterin. Diese Fragen seien „ unangemessen“ und für die Frage der „Glaubwürdigkeit“ des Zeugen „irrelevant“.
Daraufhin stellen die Anwälte im Namen von Sonja Antrag auf
Befangenheit der Richterin, da für sie die Glaubwürdigkeit von Klein
offensichtlich feststehe. Nach Stellung des Antrags wird der
Prozesstag beendet.