Frankreichs Regierung verweigert Freilassung eines libanesischen Kommunisten
junge Welt, 12.8.2014
Schon vor 15 Jahren hätte Georges Ibrahim Abdallah freigelassen werden können – doch Ende Oktober wird er seit 30 Jahren in einem französischen Gefängnis sitzen. Der 1951 in Kobayat geborene Libanese hatte sich in den 80er Jahren am Widerstandskampf gegen die israelische Besatzung seines Landes beteiligt. Die Truppen Tel Avivs waren 1978 und 1982 in den Libanon einmarschiert, um die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO zu zerschlagen, die in dem Land ihre wichtigste Basis hatte. Zudem sollte der syrische Einfluß im Libanon zurückgedrängt und eine pro-israelische Regierung in Beirut installiert werden. Erst im Jahr 2000 zogen sich die israelischen Truppen aus dem Südlibanon zurück, nur die vom Libanon beanspruchten Schebaa-Farmen am Fuß der Golanhöhen stehen noch unter israelischer Kontrolle.
Georges Ibrahim Abdallah, der damals zu den führenden Köpfen der »Libanesischen Revolutionären Bewaffneten Gruppen« (FARL) gehörte, soll sich in dieser Zeit an Anschlägen auf Repräsentanten Israels und der USA beteiligt haben. Nach seiner Festnahme 1984 wurde er wegen Mittäterschaft an den 1982 verübten Morden an dem israelischen Diplomaten Yaakov Bar-Simantov sowie am stellvertretenden Militärattaché der US-Botschaft in Paris, Charles R. Ray, zu lebenslanger Haft verurteilt. Die festgelegte Mindesthaftdauer betrug 15 Jahre. »Er hätte also ab 1999 freigelassen werden können«, erläuterte eine Aktivistin des französischen Solidaritätskomitees »Soutien à Georges Ibrahim Abdallah – Bagnolet« im Gespräch mit junge Welt. Er habe seither wiederholt Anträge auf Haftentlassung gestellt, die aber alle abgelehnt wurden. Zuletzt sah es im Januar 2013 so aus, als könnte er das Gefängnis verlassen, nachdem die französische Justiz sein letztes entsprechendes Gesuch positiv beschieden hatte. Voraussetzung wäre jedoch gewesen, daß der damalige französische Innenminister und heutige Premier Manuel Valls die Ausweisung des Libanesen angeordnet hätte. Dieser weigerte sich jedoch, das entsprechende Dokument zu unterschreiben – offenbar auf Druck Washingtons. »Es gab eine Intervention der USA, es sei völlig inakzeptabel, daß Georges überhaupt jemals wieder aus dem Gefängnis kommt«, hieß es aus dem Solidaritätskomitee.
Als Reaktion auf die fortgesetzte Verhinderung einer Freilassung ernannte der Stadtrat von Bagnolet, östlich von Paris, Georges Ibrahim im vergangenen Dezember zum Ehrenbürger. Dafür eingesetzt hatte sich der damalige kommunistische Bürgermeister der 35000 Einwohner zählenden Stadt, Marc Everbecq. Inzwischen regiert Tony di Martino von der Sozialistischen Partei die Stadt, und zusammen mit den Konservativen der UMP und der extremen Rechten setzte er sofort alles daran, die Ernennung rückgängig zu machen. Anfang Juli erklärte daraufhin ein Verwaltungsgericht in Montreuil die Ehrung für ungültig.
Georges Ibrahim wird auf die Ehrenbürgerschaft verzichten können, denn in seinem Heimatland gilt er vielen ohnehin als Held. Mit Blick auf den 30. Jahrestag der Inhaftierung am 24. Oktober wollen seine Unterstützer ihre Aktivitäten verstärken. Derzeit läuft der neunte Antrag auf Haftentlassung, doch die Chancen stehen schlecht, denn gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Lage im Nahen Osten würde eine Entscheidung auf Entlassung des Langzeitgefangenen natürlich als politisches Signal an Israel verstanden werden. Von Premier Valls, der im vergangenen Jahr die Freilassung als Innenminister verhindert hatte, ist so ein Schritt kaum zu erwarten. Deshalb appellierten im vergangenen Juni am Rande des UZ-Pressefestes der DKP in Dortmund die Vertreter von 23 kommunistischen Parteien unter anderem aus den USA, Frankreich, Brasilien, Kolumbien, Libanon, Kuba und Palästina an den französischen Präsidenten François Hollande, Georges Ibrahim Abdallah sofort und bedingungslos freizulassen.