Hintergründe zu 30 Jahre „Celler Loch“

Anfang 1976 wurde die „Operation Neuland“ von diversen Regierungs-, Polizei und Geheimdienstkreisen geplant. Ziel war die „Schaffung brauchbarer Zugänge zu terroristischen Kreisen. V-Leute sollten in den harten Kern eindringen.“ Finanziert wurde das mit mehreren Millionen DM durch westdeutsche Großkonzerne mit der Intention, vor allem die RAF zu infiltrieren und somit zu zerschlagen. Nach den Aktionen der RAF im Jahre 1977, die zum Ziel hatten, elf Gefangene zu befreien, wurden in den folgenden 2 Jahren mehrere RAF Mitglieder bei Festnahmen erschossen, wie z.B. Willy Peter Stoll, Michael Knoll und Elisabeth van Dyck. Rolf Heißler überlebt nur durch „Zufall“ schwer verletzt im Juni 1979 und war bis Ende 2001 im Knast.

Die damalige politische Lage der radikalen Linken Mitte der siebziger Jahre war dadurch gekennzeichnet, dass es diverse bewaffnete Gruppen gab. Zu den bekanntesten zählten neben der RAF die Bewegung 2.Juni. und die Revolutionäre Zellen. Ebenso agierten viele linksradikale Gruppen (HausbesetzerInnen, Anti-Knastgruppen, Anti-AKW-Bewegung, Anti-militaristische Zusammenhänge usw.), die ein antagonistisches Verhältnis zum Staat hatten. Politisches Ziel aller dieser linken Zusammenhänge war, trotz gewisser Unterschiede, eine freie und emanzipatorische Gesellschaft durch selbstbestimmte politische und militante Interventionen zu erkämpfen.

Gerade die Aktionen der RAF 1977 waren für die Herrschenden nach eigenen Worten die bisher „größte Herausforderung“ der damaligen Bonner Republik. Dies erforderte nicht nur von der BRD, sondern auch von ihren Nato-Verbündeten besondere politische und polizeiliche Maßnahmen, um diese Bewegung in den Griff zu kriegen. Es wurde eine mit V-Leuten durchsetzte Gruppe mit Ex- Gefangenen bzw. flüchtigen Gefangenen wie Klaus Loudil und Manfred Berger und einem Kroaten namens Lazlo Susitisch bzw. Zeljko Susak „aufgebaut“, die einen Sprengstoffanschlag auf die Mauern des Celler Gefängnis verübten und somit die entsprechende Legende mit Hilfe auch der Medien bekamen. Die Sprengung des Gemäuers erfolgte am 25.Juli 1978 durch die GSG 9.

Aufgedeckt wurde Ganze erst bald 8 Jahre später im April 1986 durch die Presse, obwohl 1983 die Humanistische Union schon einmal vergeblich versuchte, das öffentlich zu machen. Diese „Operation Neuland“ wurde durch die damalige SPD/FDP-Bundesregierung unter Kanzler Schmidt und Innenminister Maihofer, den Landesregierungen Niedersachsens und Hessens sowie Geheimdiensten und des BKA umgesetzt. Der JVA-Leiter von Celle, Kühling, war auch eingeweiht. Diese Aktion war nicht einmalig und hatte neben der schon genannten Infiltration und Zerschlagung der radikalen Linken weitere Ziele. So gab es auch 1977 zur Desorientierung und Diffamierung der Militanten einen Sprengstoffanschlag auf ein Justizgebäude in Hannover, an dem auch ein Nazi beteiligt war. Dieser wurde den Linken in die Schuhe geschoben.

Oder V-Leute waren auf Anti-Akw-Gruppen in Gorleben und Göttingen angesetzt worden, um sie zu unterwandern und zu militanten Aktionen zu provozieren.
Die mit V-Leuten durchsetze Gruppe mit Loudil, Berger und Susak versuchten nach dem „Celler Anschlag“ bei GenossInnen zu landen, um die radikale Linke zu unterwandern:

– in Hannover (Helmut Luelf)
– Salzgitter (Knastgruppe Wildes Huhn)
– Frankfurt (Brigitte Heinrich und Gefangenenrat)
– Amsterdam (Henk Wubben und bei Monique Augustin, der Schwester des damaligen RAF-Gefangenen Ron Augustin)
– Hamburg (Lutz Schulenburg und Manfred Gürth)

Von Susak ist weiterhin bekannt, dass er in Algerien als Agent bundesdeutscher Geheimdienste den damaligen Vorsitzenden der Befreiungsbewegung für die Kanarischen Inseln, Cubillo, zu ermorden versuchte (Spiegel 7/88). Damit wurde deutlich, dass diese V-Leute auch international operierten und, dass Widerstandsbekämpfung für die herrschenden Klassen in wahrsten Sinn keine Grenzen kennt.

Was für Auswirkungen hatte diese fingierte Anschlag für Sigurd Debus?

Nach dieser Staatsschutzaktion am 25.Juli 1978 wurde Sigurd Debus, der in Celle inhaftiert war, total isoliert. Angeordnet hatte das der eingeweihte JVA-Leiter. 6 Jahre war er in Isolationshaft, davon über 5 Jahre in völliger Einzelisolation, mit allen Verschärfungen. Mit Ausnahme von 7 Monaten „Normalvollzug“, der von BND/Staatsschutzbehörden und Justiz veranlasst wurde, um an Sigurd mehre VSLeute (Gefangene wie Loudil und Berger) heranzuführen. Ministerpräsident Niedersachsens war übrigens Ernst Albrecht von der CDU, Vater der heutigen Familienministerin von der Leyen, der sich 1976 in seinem Buch „Der Staat – Idee und Wirklichkeit“, dafür aussprach, dass staatliches Töten und Folter sittlich in gewissen Situationen geboten seien.

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Sigurd, der nie Mitglied der RAF war, sondern einer anderen bewaffneten Gruppe angehörte, war 1974 verhaftet worden und starb am 16.April 1981 im Zusammenhang eines Hungerstreiks, der die Aufhebung der Isolation zum Ziel hatte, d.h. er wollte mit den Gefangenen aus der RAF zusammengelegt werden. Sein Tod ist bis heute ungeklärt, da ärztliche Unterlagen verschwanden.

Konsequenzen für die herrschende Klasse aus dem Celler Loch

Der damalige Leiter des Hamburger VS, Lochte, kritisierte 1989 in der ARD diesen Einsatz von V-Leuten. Er meinte damit nicht generell solche Aktionen, sondern nur, dass „soziale Gefangenen“ eingesetzt würden, da die Adressaten damals häufig schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht hatten, und so nicht als vertrauenswürdig galten.

Heute wissen wir, das der VS damals in Süddeutschland einen V-Mann wie Klaus Steinmetz führte. Dieser Typ war kein sozialer Gefangener, sondern agierte über 10 Jahre in radikalen Zirkeln der Linken, bis die RAF Kontakt zu ihm aufnahm. Im Juni 1993 wurde Birgit Hogefeld verhaftet, die immer noch eingesperrt ist, und Wolfgang Grams, dessen Tod bei der Festnahme in Bad Kleinen bis heute ungeklärt ist, als Steinmetz die beiden an die Polizei bzw. Geheimdienste verriet.

Konsequenzen für uns als die Linke

Natürlich agieren die Sicherheitsbehörden auf einem hohen Niveau und entwickeln sich kontinuierlich weiter, doch soll hier kein Horror, Angst vor totaler Erfassung bzw. Omnipotenz vor dem und durch den Apparat entstehen.

Das wiedererstarkte Deutschland führt Krieg, denn jetzt sind über 8 000 deutsche Soldaten in allen Krisenregionen der Welt wie in Europa, Afrika und Asien stationiert. Gleichzeitig verschärft sind die Lage auch nach innen, um diese aufwendigen Auslandseinsätze zu garantieren und abzusichern:
Das soziale Elend großer Teile der Bevölkerung verschärft sich (Agenda 2010) und die Repression nimmt zu.

Setzen wir unsere Ziele konsequent um, so können wir uns leichter vor Infiltration und Diffamierung von der Gegenseite zu schützen: Wir streben eine freie und emanzipatorische Gesellschaft auf kommunistischer Basis an. Diese Prinzipien können die diversen Sicherheitsapparate nicht wirklich in allen ihren Facetten erfassen und begreifen, das bleibt ihnen fremd, denn sie sind zu stark von den kapitalistischen Werten, wie Konkurrenz, Hierarchie, Unaufrichtigkeit, Käuflichkeit usw. behaftet.

Wenn wir unsere Prinzipien immer genau anwenden, bleiben V-Leute, Spitzel etc. draußen, d.h. sie kriegen keinen Fuß in unsere Zusammenhänge rein! Das war in der Vergangenheit so und wird auch zukünftig so bleiben!