Schlusserklärung der ‚Arbeitsgruppe Anti-Terror- Gesetze‘ des Internationalen Symposiums
Berlin, 05.11. 2023
Wir stellen fest:
„Terror“
und der
„Kampf gegen den Terror“
sind politische Kampfbegriffe. Eine
international einheitliche Definition existiert nicht. Eines aber ist Tatsache:
Was für den Faschismus Terror war, war und ist tatsächlicher antifaschistischer Widerstand
mit dem Ziel, von Barbarei und Unterdrückung zu befreien.
Was für Kolonialmächte die Bedrohung der Macht war, war und ist die Befreiung der Völker
von Fremdherrschaft und Unterdrückung.
Das Ergebnis dieser Kämpfe waren Errungenschaften im Völkerrecht, die
Befreiungsbewegungen anerkannten:
Die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse zur Verurteilung des Hitlerfaschismus, der
antikoloniale Befreiungskampf und die Entstehung weiterer sozialistischer Länder führten
dazu, dass im internationalen Völkerrecht ausdrücklich auch ein Recht zum bewaffneten
Kampf festgestellt wurde, wie es u.a. in Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls I zu den Genfer
Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter
Konflikte zum Ausdruck kommt, der
„bewaffnete Konflikte, in denen Völker gegen
Kolonialherrschaft und fremde Besetzung sowie gegen rassistische Regimes in Ausübung
ihres Rechts auf Selbstbestimmung kämpfen“
(
https://www.lexfind.ch/tolv/161726/de
) als
legitim ansieht.
Und:
„Völker, die kämpfen, um sich von fremder Unterdrückung und Ausbeutung zu befreien,
haben das Recht, alle Mittel zu benutzen, die Ihnen zur Verfügung stehen – eingeschlossen
Gewalt.“
(UN-Resolution Nr. 3070 vom 30.11. 1973, Nr. 2 –
https://digitallibrary.un.org/record/191219
) „
Akte die von Bürgern von Staaten begangen
werden, die sich im Kriegszustand befinden und die einem Aggressor in einem besetzten
Gebiet Widerstand leisten oder die für ihre nationale Befreiung kämpfen, können nicht als
Akte des internationalen Terrorismus betrachtet werden. Demgegenüber sind solche Akte, die
von einem einzelnen Staat gegen ein Volk mit dem Ziel durchgeführt werden, seine nationale
Befreiungsbewegung auszulöschen, und den Widerstand gegen die Besatzer zu zerbrechen,
echte Manifestationen des internationalen Terrorismus in seinem weitesten Sinn.“
(REPORT
OF THE AD HOC COMMIITEE ON INTERNATIONAL TERRORISM, UN 1973, S. 12, Nr.
37 –
https://legal.un.org/avl/pdf/ha/dot/A9028.pdf
)
Die Kriminalisierung von Vereinigungen, die zunehmende Ausweitung von Anti-Terror-
Gesetzen zielen gerade hierauf: Die Legitimität von Befreiungsbewegungen und Widerstand
aufzuheben, die völkerrechtlichen Grundlagen – geschaffen nach dem zweiten Weltkrieg – zu
zerstören. Mit den in den in den letzten Jahrzehnten entstandenen sogenannten ‚Anti-Terror-Gesetzen‘, die antifaschistischen Widerstand, nationale Befreiungskämpfe oder aktiven
Widerstands im Umweltkampf als Terrorismus abstempeln, werden diese historischen
Errungenschaften des internationalen Völkerrechtes negiert und diffamiert.
- Anti-Terror-Gesetze sind aus bürgerlich-rechtlicher Sicht nicht erforderlich:
Jede Straftat kann mit dem bereits bestehenden Strafrecht verfolgt werden. Jede Tat, jede
Handlung in völkerrechtlichen Konflikten sind mit bestehendem, herkömmlichen Strafrecht
und Völkerstrafrecht verfolg- und verurteilbar. - Anti-Terror-Gesetze haben eine andere Aufgabe:
Sie sind ein Instrument der herrschenden Ordnung, der Sicherung bestehender Staatlichkeit
gegen Widerstandsbewegungen, die sich gegen Unterdrückung, ungerechte Herrschaft,
Ausbeutung und Verelendung wenden. - Revolutionären und antifaschistischen Organisationen und nationalen
Befreiungsbewegungen wird der – auch bewaffnet geführte – Widerstand gegen diktatorische
und faschistische Regime und die Forderung nach Demokratisierung, Gewährung nationaler
Selbstbestimmungsrechte und das Eintreten für eine sozialistische Gesellschaft als
„Terrorismus“ vorgeworfen. - Anti-Terror-Gesetze sind Feindstrafrecht. Sie zielen notwendig auf die Gesinnung, auf die
politisch bekämpfte Haltung. Einer Tat braucht es nicht, um von Anti-Terror-Gesetzen
betroffen zu sein. Anti-Terror-Gesetze setzen damit demokratisches Recht außer Kraft. Die
bekannten Zahlen zum Verhältnis von Ermittlungsverfahren in der BRD wegen Mitgliedschaft
in linken oppositionellen Organisationen in der Türkei zu Verurteilungen wegen der §§ 129a/b
StGB (Strafgesetzbuch) liegen bei 13 zu 1. Auch dies verdeutlicht, dass die §§ 129, 129 a/b
StGB auch eine Art Generalschlüssel für die Strafverfolgungsbehörden – insbesondere das
BKA (Bundeskriminalamt) – sind, nachhaltig das sogenannte Gewaltenteilungsprinzip zu
durchbrechen und Ermittlungen mit einem umfassenden geheimdienstlichen Instrumentarium
zu führen. - Mit den Anti-Terror-Gesetzen wird – nicht nur in Deutschland – ein komplexes
Sonderrechtssystem aktiviert, um Daten zu erheben und Soziogramme seitens der
Herrschenden von als problematisch angesehenen oppositionellen Kräfte zu erstellen. Sie
richten sich weit über linke Kräfte hinaus auch gegen weitere oppositionelle Kräfte, so
Umweltorganisationen, wie die Einleitung von Ermittlungsverfahren nach § 129 StGB gegen
die „Letzte Generation“ zeigt. Sie sind stigmatisierendes und kriminalisierendes
Feindstrafrecht, welches nicht nur repressiv sondern umfassend auch präventiv genutzt wird
und eine immer größere Zahl von Menschen in den Focus der Sicherheitskräfte stellt. - Anti-Terror-Gesetze eröffnen dem Staat das gesamte Instrumentarium an
Ermittlungsmaßnahmen: Verwanzen der Wohnung, des Autos, jahrelanges Abhören der
Telefongespräche, Mitlesen von E-Mails usw. Festgenommene Betroffene sind mit einem
Sonderrecht konfrontiert: Isolation der Gefangenen, Besuch – auch von Kindern und
Familienangehörigen und Verteidigern – nur mit Trennscheibe. Überwachung des gesamten
Schriftverkehrs. - Anti-Terror-Gesetze zielen notwendig auf verfassungsrechtlich geschütztes Verhalten: Es
bedarf keiner Straftat im tatsächlichen Sinne, um von Anti-Terror-Gesetzen betroffen zu sein.
Das Durchführen von Versammlungen, die Inanspruchnahme der Kunstfreiheit, die
Verbreitung einer Meinung – all dies reicht aus, um unter den unbestimmten Begriff der
Vereinigung zu fallen, und damit mit den schärfsten Maßnahmen konfrontiert zu werden.
Wir handeln:
Betroffen befinden sich in Haft. Hunderte Jahre von Gefängnis werden verhängt: gegen
politische Aktivisten, gegen Angehörige von Befreiungsbewegungen.
In der BRD befinden sich vier solidarische Genossen in einem Hungerstreik, um u.a. die
sofortige Entlassung von drei Angeklagten zu erreichen, die mit dem Vorwurf, für die
„terroristische Vereinigung DHKP/C“ tätig gewesen zu sein, derzeit vor dem OLG Düsseldorf
(Oberlandesgericht) angeklagt sind.
Wie auch immer man zu dem Mittel des Hungerstreiks steht:
Die zentrale Frage ist die: Angesichts dessen, dass Krise und Kriege täglich mehr werden,
greift die herrschende Ordnung dazu, die Angriffe und die Verfolgung von Antifaschisten,
Klimaaktivisten, Sozialisten und Kommunisten mittels Feindstrafrecht, mittels Anti-Terror-
Gesetzen, mittels der Einordnung als „kriminelle Vereinigung“, immer weiter auszuweiten.
Darüber wird nicht gesprochen. Was nach dem 11. September 2001 noch für politische
Debatten sorgte, scheint heute Normalität. Das muss sich ändern! Es bedarf einer breiten
Debatte.
Und hieraus müssen Taten entstehen. Die Anti-Terror-Gesetze sind ersatzlos zu streichen!
Demokratisches Handeln kann keine Straftat darstellen!