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Johannes Feest zur Ablehnung des Reststrafengesuchs von Peter Scherzl

Wie wir soeben erfahren hat das Landgericht Bonn ein Reststrafengesuch von Peter („Pit“) Scherzl, dem Gründer und Vorsitzenden der Interessenvertretung Inhaftierter (Iv.I) abgelehnt. Uns liegt bisher nur ein Auszug aus dem Beschluss vor. Darin heißt es:

„Der Sachverständige hat nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass sich der Verurteilte in einem Stil (sic!) der Streit- und Konfliktbewältigung befindet. Das Erstreiten seines Rechts bei subjektiv erlebten Verletzungen habe dabei so ein dominantes Ausmaß angenommen, dass es sein Handeln in wesentlicher Weise determiniere. Hierbei verkennt die Kammer nicht, dass – anders als in Freiheit- ein Dialog auf Augenhöhe im Vollzug nicht oder nur kaum möglich ist und der Verurteilte daher auf förmliche Anträge und Eingaben verwiesen ist. Sie verkennt auch nicht, dass der Verurteilte- soweit ersichtlich- ausschließlich von ihm eingeräumten Rechten Gebrauch macht. Allerdings könne nach den Ausführungen des Sachverständigen der Schlussfolgerung des Verurteilten, dass diese Verhaltensweise nach der Entlassung überhaupt keine Rolle mehr spiele nicht gefolgt werden, nicht gefolgt werden, denn es entspreche der klinischen Erfahrung, dass Menschen eben gerade in Konflikt- und Streitsituationen dazu tendieren, alte eingewurzelte Verhaltensweisen beizubehalten und sich auf Bewährtes zu verlassen. Dies bedinge eben die legalprognostische Gefahr, dass der Verurteilte im Fall von Streit- und Konfliktsituationen nach der Entlassung, wie sie eben im Leben unausweichlich blieben, dann wieder zu eher querulatorischen Verhaltensweisen zurückgreifen werde, die seine Kompetenz der sozialen Integration beeinträchtigen würden. Dies sei mit hoher Wahrscheinlichkeit, eher Sicherheit anzunehmen. Daraus folgt dann aber, dass in solchen Konstellationen eben genau die Gefahr wieder bestehen könne, die auch zur Vordelinquenz geführt habe. Denn der Verurteilte gab ja selbst an, dass eine Banküberfälle aus Stress und Geldnot resultierten. Wenn es also nach einer Entlassung erneut zu Streit- und Konfliktsituationen komme, so steht dann zu befürchten, dass er aus einer solchen Stresssituation heraus erneut wieder delinquent werde.“

Anmerkung von Johannes Feest
Es ist anzunehmen, dass der volle Wortlaut des Beschlusses demnächst auf der WebPage der Iv.I nachzulesen sein wird. Schon jetzt möchte ich jedoch diese Begründung als skandalös bezeichnen. Herr Scherzl ist wegen Bankraubes und nicht wegen Querulanz verurteilt. Er hat mehr als Zweidrittel seiner Strafe verbüßt. Das Gericht hatte zu entscheiden, ob es den verbleibenden Strafrest zur Bewährung aussetzt. Nach der dafür einschlägigen Norm (§ 57 StGB) kommt es darauf an, ob „dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann“ oder eben nicht. Wenn das Gericht Anhaltspunkte dafür hat, dass Herr Scherzl erneut schwere Straftaten begehen wird, dann darf es den Strafrest nicht zur Bewährung aussetzen. Es darf dabei die Hilfe eines Sachverständigen in Anspruch nehmen. Was es nicht darf, ist: dem Sachverständigen alles abnehmen, was dieser ausführt. Mit der beträchtlichen Beschwerdetätigkeit von Herrn Scherzl hat die Vollzugsverwaltung zweifellos ihre liebe Mühe gehabt. Diese Tätigkeit bewegte sich jedoch im Rahmen des vom Strafvollzugsgesetz Erlaubten. Aus dieser legalen Aktivität von Herrn Scherzl den Schluss zu ziehen, er werde nach seiner Entlassung erneut Banküberfälle begehen, erscheint mir an den Haaren herbeigezogen und völlig unzulässig. Hätte er draußen auch immer nur Anträge geschrieben, wäre er nicht wegen Bankraub verurteilt worden.
Wenn dem Gericht dazu nichts anderes einfällt, dann hätte es Pit Scherzl entlassen müssen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig und ich kann mir nicht vorstellen, dass das zuständige Oberlandesgericht sie aufrecht erhält. Allerdings ist nicht unwahrscheinlich, dass bis zu einer endgültigen Entscheidung so viel Zeit vergeht, dass Pit  Scherzl, wegen Erreichung des Strafendes, so oder so entlassen werden muss. Querulanz hin oder her.