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Kurzauswertung der GG/BO-PK zur „Klau-und-Schmuggelwirtschaft“ seitens Bediensteter in der JVA Tegel

Auf der am 13. Oktober 2016 stattgefundenen Pressekonferenz der Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO) zur „Klau-und-Schmuggel-Wirtschaft“ seitens Bediensteter der JVA Tegel im Berliner Haus der Demokratie und Menschenrechte nahmen etwa 20 Journalist_innen teil. Die Hörfunkstationen (Berlin 88,8 vom RBB, Spreeradio bzw. RTL-Radio, Berliner Rundfunk), die TV-Sender bzw. -Formate („Frontal21“ vom ZDF, Berliner Abendschau vom RBB), die Tageszeitungen (Berliner Tagesspiegel, Berliner Zeitung, Die Tageszeitung „taz“, Neues Deutschland, Junge Welt und Berliner Kurier) und die „tp-Presseagentur“ waren mit Journalist_innen zur Stelle, um den Beiträgen der Anwälte Dr. Jan Oelbermann von Benjamin L. und Carsten R. Hoenig von Timo F. sowie von Lisa S., der Verlobten von Timo F., zu folgen. Die GG/BO-PK war damit nicht nur außerordentlich gut besucht, sondern auch alle relevanten Berliner Medien aus Radio, TV und Tageszeitungen waren präsent. In summa haben alle anwesenden Journalist_innen in ihren jeweiligen Medien über die Inhalte der PK berichtet.

 

Die PK wurde über einen Livestream direkt übertragen, sodass die GG/BO nicht nur eine Transparenz, sondern vor allem eine demokratische Öffentlichkeit herstellen konnte. Die PK wurde von der Berliner und Leipziger GG/BO-Soligruppe vorbereitet und durchgeführt.
Eingangs machte der Sprecher der GG/BO, Oliver Rast, die gewerkschaftspolitische Dimension des Falls klar. Die GG/BO sei nicht nur angetreten, die soziale Frage hinter Gittern aufzuwerfen (Einbeziehung der inhaftierten Beschäftigten in den Mindestlohn und die komplette Sozialversicherung sowie volle Gewerkschaftsfreiheit für Gefangene), sondern auch, um als „soziale Schutzmacht“ für Inhaftierte zu fungieren. Das an Inhaftierten durchgespielte Sozial- und Lohndumping wird auf die Spitze getrieben, wenn Materialien, Produkte oder Dienstleistungen von gefangenen Arbeiter_innen von JVA-Beamt_innen und Angestellten ohne Rechnung und Lieferschein gratis für den Eigenbedarf oder Weiterverkauf aus der Haftanstalt heraus geschafft werden. Das stellt eine weitere Entwertung der menschlichen Arbeitskraft der Inhaftierten dar. Und an diesem Punkt wird von Seiten der GG/BO eingegriffen, da nicht nur der „Produzent_innenstolz“ der Gefangenen verletzt wird, sondern der „Schankverlust“ bilanztechnisch zuungunsten der werktätigen Gefangenen ausfällt.

Nach dem Verlesen einer Stellungnahme von Timo F.´s RA Dr. Pollhäne und dem Beitrag von Timos Verlobter Lisa legte RA Oelbermann dar, wie sich die Sanktionen und Repressalien auf seinen Mandanten Benjamin L. ausgewirkt haben. Zudem führte er aus, dass sein Mandant im Rahmen seiner so genannten Vollzugsplankonferenz mitgeteilt bekam, aufgrund seines Whistleblowings jede Aussicht auf Vollzugslockerungen begraben zu können.
RA Hoenig lieferte vor allem einen Überblick über die „Enthüllungsgeschichte“. Er skizzierte die einzelnen Etappen der Weiterleitung von Hinweisen und Informationen an die JVA Leitung und Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz, die teils ignoriert oder lediglich folgenlos zur Kenntnis genommen wurden. De facto läge hier eine Vertuschung und Verschleppung der Aufklärung der „Tegel-Affäre“ vor.

Folgendes kann festgehalten werden: Aktuell haben sich etwa zehn Zeug_innen bei Anwälten, Journalist_innen und den Ermittlungsbehörden gemeldet, die die Vorgänge der Entwendung von Arbeitsprodukten durch JVA-Bedienstete, die von Inhaftierten gefertigt wurden, für den Eigenbedarf und/oder den Weiterverkauf bestätigen (können). Der Anwalt von Benjamin L., Oelbermann, konnte darauf verweisen, dass die Strafvollstreckungskammer am Berliner Landgericht die Disziplinarmaßnahme (u.a. früherer Einschluss) mit der Begründung aufgehoben hat, dass die JVA-Leitung das Whistleblowing bei der Verhängung der „Diszi“ nicht berücksichtigt habe. Des Weiteren wurde bekannt, dass gegen die Sprecherin von Justizsenator Thomas Heilmann, Claudia Engfeld, eine Strafanzeige wegen Verleumnung läuft.

Die GG/BO setzt darauf, dass im Zuge der Neukonstituierung des Berliner Senats, ein Richtungswechsel innerhalb der Strafvollzugspolitik einsetzt – und dass ein reales Aufklärungsinteresse hinsichtlich des „Tegeler Ringtauschs“ von der neuen Justizsenator_in bekundet wird. Des Weiteren ist es aus GG/BO-Sicht erforderlich, dass eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beauftragt wird, um das mutmaßliche Miß-Verhältnis zwischen der Einfuhr von Rohrmaterialien und der Ausfuhr der gefertigten Erzeugnisse aus den JVA-Betrieben festzustellen. Letztlich dokumentiert die „Tegel-Affäre“, dass die Selbstbedienungs- und Selbstberreicherungsmentalität in der Struktur der Haftanstalt angelegt ist. Haftanstalten sind als Orte der so genannten Resozialisierung komplett gescheitert; das Konzept „Überwachen und Strafen“ ist im Grundsatz infrage zu stellen.

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