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Leiche lag vor der Tür

Neue Ungereimtheiten im Jalloh-Prozeß. Toter nicht sofort weggebracht. Brandgutachter muß Tests ­wiederholen. Feuerzeug wird auf Kleidungs-, Matratzen- und DNA-Spuren untersucht

Der Prozeß um den Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh im Dessauer Polizeirevier vor siebeneinhalb Jahren fördert immer mehr Ungereimtheiten zutage. Kaum hatte der neue Brandsachverständige am Mittwoch die Ergebnisse seiner ersten Versuche vorgelegt, beantragte die Nebenklage, die Tests zu wiederholen. Sie hätten sich nicht genügend an der Realität orientiert, bemängeln die Anwälte, die Jallohs Familie vertreten. Zwei vom Gericht befragte Kriminalbeamte berichteten zudem, daß Jallohs Leiche während der Spurensicherung zunächst vor die Tür gelegt worden sei – ein bislang unbekannter Fakt.

Fraglich bleibt weiterhin, wie und wann das Feuerzeug, mit dem die Matratze in Brand gesetzt wurde, in die Zelle gelangte. Um dies herauszufinden, hatte Nebenklagevertreter Philipp Napp während der letzten Verhandlung beantragt, die Überreste des Feuerzeuges auf DNA-Spuren sowie Kleidungs- und Matratzenreste zu untersuchen. Bisher sind diese Tests noch nicht durchgeführt worden. Die Nebenkläger erhoffen sich dadurch Aufschluß darüber, ob das Feuerzeug, mit dem Jalloh sich selbst angezündet haben soll, vielleicht doch erst nach dem Brand in die Zelle gebracht wurde. Dies würde die Selbstmordthese, die das Gericht bisher zugrunde legt, in Frage stellen. Napps Ansicht nach müßten alle diese Spuren gefunden werden, »es sei denn, jemand hat es später hineingelegt«. Seit langem fordert die Nebenklage, daß diese Möglichkeit in Betracht gezogen wird. Denn unklar bleibt, wie Jalloh das Feuerzeug trotz Leibesvisitation unbemerkt in die Zelle geschmuggelt haben könnte. Zudem tauchte es erst bei der zweiten Zellendurchsuchung zwei Tage nach dem Brand auf. Wie Richterin Claudia Methling verkündete, hat das Gericht diesem Antrag bereits zugestimmt. »Das Feuerzeug ist dem Landeskriminalamt übergeben worden«, sagte sie. Abschließende Ergebnisse sollen bis zur nächsten Verhandlung am 22. Juni vorliegen.

Außerdem wurden die Videoaufzeichnungen von den Tests des jetzigen Brandsachverständigen Henry Portz im Gerichtssaal vorgeführt. Er hatte den Bewegungsspielraum des an Händen und Füßen gefesselten Asylbewerbers sowie seine Möglichkeit, die Matratze anzustecken, geprüft. Dabei gelang das Entzünden nur mühsam, es entstand lediglich ein kleiner Brandherd, wobei unklar blieb, ob das Feuer sich ohne Brandbeschleuniger hätte ausbreiten können. Die Nebenkläger kritisierten, daß die bei den Versuchen verwendete Matratze nur etwa 52 Zentimeter – und nicht wie im Original einen Meter – breit gewesen sei. Dadurch habe die Versuchsperson mehr Bewegungsfreiheit gehabt. Die Tests müssen nun wiederholt werden.

Ein ganz neuer Fakt kam durch die Aussage von zwei Kriminalbeamten hinzu, die nach dem Brand im Revier mit der Spurensicherung beauftragt waren. Jallohs Leiche habe »eine ganze Weile« vor der Tür der Zelle gelegen, berichteten sie im Zeugenstand. Erklären könnten sie sich das nicht. Napp sagte, dies sei überhaupt nicht üblich. »Normalerweise wird ein Toter sofort weggebracht.« Er vermutet: »Das sieht danach auch, als habe man dort noch etwas räumen wollen.«