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Spitzel außer Kontrolle

Bundesregierung mußte zu internationalen Polizeinetzwerken Stellung nehmen. Details bleiben geheim

Seit dem Mauerfall 1989 befassen sich das Bundes- und das Zollkriminalamt in einer internationalen Arbeitsgruppe mit dem Einsatz von Polizeispitzeln. Das erklärte die Bundesregierung jetzt in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage des Linkspartei-Abgeordneten Andrej Hunko. Neben Vertretern fast aller EU-Staaten arbeiten auch solche aus Südafrika, Kanada, Israel und der USA in der Gruppe mit. Details sollen aber unter Verschluß bleiben. Deshalb dürfen eine Reihe von Antworten auf die Anfrage Hunkos nur nach einer besonderen Geheimschutzüberprüfung eingesehen werden. »Selbst auf wessen Veranlassung das informelle Spitzelnetzwerk gegründet wurde«, soll nicht öffentlich werden, kritisiert der Parlamentarier.

In ihrer Antwort moniert die Bundesregierung die Verwendung des Begriffs »Spitzel«. Es handele sich um »verdeckte Ermittler«. »Spitzel« sei eine Herabwürdigung der Beamten, die sich in »hochgewaltbereiten Gruppierungen« bewegten. Die Linksfraktion habe sich allerdings explizit nach Einsätzen in linken Organisationen erkundigt, so Hunko. »Insofern bleibe ich dabei: Der grenzüberschreitende Einsatz deutscher Polizeispitzel in politischen Bewegungen dient allein der Kriminalisierung«.

Immerhin gibt es jetzt Neues zur Arbeit des britischen verdeckten Ermittlers Mark Kennedy, der auch in Deutschland aktiv war (jW berichtete). In Berlin wurde er wegen des Anzündens einer Mülltonne am Rande einer Demonstration von der Staatsanwaltschaft verfolgt. Er gab allerdings einen falschen Namen an. Obwohl das auch ausländischen Beamten verboten ist, scheint es die Regel zu sein: Es sei »in tatsächlicher Hinsicht nicht ausgeschlossen«, daß Polizisten auch Behörden des Gastlandes über ihre wahre Identität täuschen, so die Bundesregierung in ihrer Antwort. Im Fall Mark Kennedy war es Betroffenen, Abgeordneten und Journalisten aber unmöglich, britische Behörden zur Aufklärung oder Verfolgung der in Deutschland begangenen Verstöße zu zwingen – ein grundsätzliches Problem der zunehmend grenzüberschreitenden Polizeizusammenarbeit.

In der Anfrage »International im verborgenen agierende Netzwerke von Polizeien« hatte sich die Linksfraktion auch nach grenzüberschreitendem Einsatz von Überwachungstechnologie erkundigt. Viele hierzu existierende Strukturen waren selbst Bürgerrechtsgruppen bislang unbekannt. So treibt etwa eine »Cross-Border Surveillance Working Group« die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von mobilen Observationskräften voran. Sie wird von der EU-Polizeiagentur Europol koordiniert, ist aber selbst keine Institution der EU. Dadurch ist die Gruppe keiner Stelle der Europäischen Union rechenschaftspflichtig. Ähnlich dubios ist der Umgang internationaler Behörden mit staatlichen Trojanern, mit deren Hilfe private Rechner ausgespäht werden. Auch hier heißt es seitens der Bundesregierung, daß es sich bei der Koordinationsstelle um eine »Kommunikationsplattform ohne Exekutivbefugnisse« handele. Die Erkenntnisse dürften dennoch grundlegend für spätere Einsätze sein.

Erst im Herbst hatte Hunko durch hartnäckige Nachfragen herausbekommen, daß ein derartiges Netzwerk sogar auf Initiative des Bundeskriminalamts (BKA) eingerichtet wurde. Auf regelrechten »Tupper-Parties« hatte das BKA für Spionagesoftware des deutschen Herstellers DigiTask geworben. Auch dies ist kein Einzelfall: Immer wieder werden zur Beteiligung an den geheimen Netzwerken auch private Firmen eingeladen, etwa um über den neuesten Stand von Observationstechnik oder unauffällige Mikrofone für verdeckte Ermittlungen zu referieren.