POLITISCHE GEFANGENE: »So kann man keine Zukunft planen«

Politischer Gefangener aus Türkei nach Entzug von Asylstatus in BRD inhfatiert. Ein Gespräch mit Dila Eroglu-Sahin
Interview: Henning von Stoltzenberg junger Welt 8.,1.24
Dila Eroglu-Sahin kämpft für die Freilassung ihres Ehemannes Ilker Sahin

Seit September ist Ihr Ehemann, Ilker Sahin in der BRD inhaftiert. Ursprünglich war er aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Was werfen ihm die hiesigen Behörden vor?

Mein Ehemann ist politischer Flüchtling aus der Türkei. Er erhielt den Asylstatus mit Aufenthalt. 2015 entzog ihm die Ausländerbehörde Köln diesen Status und übergab ihm eine Ordnungsverfügung, die unter anderem eine wöchentliche Meldepflicht bei der Polizei und eine ­Residenzpflicht, die seinen Aufenthaltsort auf den Wohnort Köln begrenzt, enthielt.

Wie ist er damit umgegangen?

Seit 2015 hat er sich gegen diese Schikane gewehrt und ist der Meldepflicht nicht nachgekommen. Im November 2018 begann er mit anderen Betroffenen eine Mahnwache in Düsseldorf vor dem Landesinnenministerium. Man warf ihm vor, eine Straftat begangen zu haben, weil er sich nicht an die Residenzpflicht gehalten habe. Er hatte mehrere Verfahren, die mit Bußgeldern endeten. Im Dezember 2022 verhängte eine Richterin eine sechsmonatige Haftstrafe ohne Bewährung, die Ilker am 15. September 2023 in der JVA Remscheid antrat.

Wie ist es Ihrem Mann seither ergangen?

Wir wussten nie, was als nächstes passiert. Er durfte einige Sachen wie Bettzeug, Utensilien zum Kochen, Kleidung und persönliche Gegenstände mitnehmen. Diese wurden ihm aber zu Anfang abgenommen, er wurde in Handschellen in eine Zelle gebracht und von dort aus in die geschlossene Abteilung verlegt. Ich hörte ungefähr eine Woche lang nichts von meinem Mann und rief in der JVA an, um mich über seinen Zustand zu informieren. Aber man wollte mir keine Informationen geben. Angeblich, weil nicht sichergestellt sei, wie unser Familienverhältnis sei. Man sagte mir sogar, dass Ilker die Gelegenheit hätte, mich anzurufen, es aber bestimmt nicht wolle.

Konnten Sie herausfinden, was davon stimmte?

Ich erfuhr von seinem Anwalt, dass er sich seit dem 15. September im Hungerstreik befand, weil er forderte, in den offenen Vollzug verlegt zu werden und persönliche Gegenstände wie die Fotos der Kinder zurückzuerhalten. Nach ungefähr einer Woche verlegte man ihn in die JVA Rheinbach. Als er dort ankam, konnte ich zum ersten Mal mit ihm telefonieren. Er erzählte mir, dass man aufgrund seiner Akte entschieden hatte, dass er für den offenen Vollzug nicht geeignet sei und dass Fluchtgefahr bestünde. Deshalb habe man ihn erst einmal in der geschlossenen Anstalt »testen« müssen. Er solle zudem den Hungerstreik beenden, sonst würde die JVA die Verlegung in den offenen Vollzug nicht bewilligen.

Kam er dem nach?

Ilker pausierte seinen Hungerstreik, und ich meldete jeden Sonnabend vor der JVA Rheinbach eine Versammlung an, damit die Verlegung in den offenen Vollzug nicht weiter hinausgezögert wird. Ilker wurde in Rheinbach drei Mal in eine andere Zelle verlegt. Die letzte war drei mal fünf Meter groß, hatte eine alte harte Matratze, und die Toilette befand sich direkt gegenüber der offenen Zellentür. Auf einen Arztbesuch musste er drei Wochen warten. Dem Arzt beschrieb er seine Schmerzen aufgrund der Matratze. Dieser verschrieb ihm Schmerzmittel und meinte, er könne sich in ein gemütliches Bett legen, sobald er wieder frei sei. Seit dem 12. Dezember befindet er sich im offenen Vollzug.

Vor welchen Schwierigkeiten stehen Sie angesichts der Repression gegen Ihren Ehemann?

Er hat seit über einem Jahr eine Beschäftigung in Vollzeit. Doch die JVA verzögert alles, und er hat bis heute seine Arbeit nicht wieder aufnehmen können. So kann man keine Zukunft planen. Den beiden Kindern wurde kostbare Zeit mit ihrem Vater gestohlen.

Was verlangen Sie von den Behörden?

Ich fordere die Behörden auf: Gebt meinem Ehemann seinen Aufenthaltstitel zurück und hört mit seiner Kriminalisierung auf! Von der Öffentlichkeit wünsche ich mir, lauter gegen menschenunwürdige Gesetze zu werden. Aufenthaltsprobleme haben nicht nur wir, es sind Tausende.