POLITISCHE JUSTIZ IN BAYERN

»Die Behörde hatte es dieses Mal sehr eilig«

Die Kommunistin und Gewerkschafterin Banu Büyükavci wehrt sich gegen einen erneuten Abschiebeversuch. Ein Gespräch mit Ulli Schneeweiß Interview: Henning von Stoltzenberg junge Welt 23.6.23

Ulli Schneeweiß ist Sekretär des Verdi-Bezirks Mittelfranken

Vor kurzem erteilte das Landesamt für Asyl und Rückführungen (LfAR) einen neuerlichen Ausweisungsbescheid gegen Banu Büyükavci, die im Juli 2020 im TKP/ML-Prozess in München verurteilt worden war. Wie erklären Sie sich das?

Der Bundesgerichtshof hatte die Revision der in München Verurteilten im Juni 2023 zurückgewiesen. Ganz offensichtlich hat dies nun das LfAR zum Anlass genommen, das seit über zwei Jahren ruhende Verfahren gegen Banu Büyükavci wieder aufzunehmen. Natürlich hatten wir die Hoffnung, dass dieses »Ruhen« gewissermaßen auf Ewigkeit erfolgen würde.

Bemerkenswert dabei ist, dass nicht die Stadt Nürnberg über die Ausweisung entschieden hat, sondern die »Abschiebebehörde« LfAR. Und während wir uns vor zwei Jahren lange lediglich im Anhörungsverfahren befunden haben, hatte es diese Behörde dieses Mal sehr eilig, einen förmlichen Bescheid zu erteilen.

Vor zwei Jahren wurde die von der Stadt Nürnberg angeordnete Ausweisung verhindert. Wie ist das damals gelungen?

Ein Ziel unserer Kampagne war stets, den »Fall« Banu Büyükavci in einen zum »Menschen« Banu Büyükavci zu machen. Banu sollte nicht als Objekt eines anonymen Behördenhandelns, sondern als fühlender, denkender Mensch wahrgenommen werden. Die Präsenz der Kampagne in der Öffentlichkeit war enorm. Wir haben immerhin im Lauf von acht Monaten 33 Mahnwachen mit insgesamt über 3.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Nürnberg durchgeführt. Der eigentliche Schlüssel des damaligen Erfolgs war jedoch das Insistieren von verschiedensten Gruppen bei den jeweiligen Entscheidungstragenden. In der Kampagne arbeiteten alle möglichen Gruppierungen mit, angefangen von Gewerkschaftern über etablierte Parteien, ärztliche Standesorganisationen, Kommunisten, Motorradklubs, Naturfreunde, Autonome und kirchliche Gruppen. Ideologische Unterschiede wurden in Anbetracht des gemeinsamen Zieles gerne überwunden. Dieser geballten Macht breitesten gesellschaftlichen Konsenses konnten sich dann auch die Entscheidungsträger nicht entziehen.

Geht Frau Büyükavci rechtlich gegen den aktuellen Ausweisungsbescheid vor?

Ja, natürlich werden auch alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft, soweit Banu Büyükavci das will. Eine Klage gegen den Ausweisungsbescheid ist bereits anhängig.

Sie haben eine an Oberbürgermeister Marcus König, die bayerischen Bundestagsabgeordneten und Bundesjustizminister Marco Buschmann adressierte Briefaktion gestartet. Rechnen Sie mit einer positiven Reaktion?

Das können wir nur hoffen. Wir hoffen darauf, dass der Nürnberger Oberbürgermeister sich an seine eigenen Worte aus dem Jahr 2021 erinnert, bisher nur Gutes über Banu Büyükavci gehört zu haben. Wir hoffen auch darauf, dass der Bundesjustizminister die Verfolgungsermächtigung gegen die TKP/ML zurücknimmt. Und wir hoffen natürlich darauf, dass die rechtsstaatlich weiterhin höchst bedenkliche Norm des Paragraphen 129 b StGB endlich fällt.

Welche Möglichkeiten sehen Sie darüber hinaus, um gegen die politische Justiz vorzugehen? Welche Perspektiven bleiben Frau Büyükavci?

Es ist grundsätzlich nachvollziehbar, dass jeder Staat versucht, sich vor kriminellen und schädlichen Einflüssen zu schützen. Allerdings kann hier nicht ernsthaft von irgendeiner Schädlichkeit oder Kriminalität ausgegangen werden. Nicht einmal die Staatsanwaltschaft hat der anerkannten Psychiaterin am Nürnberger Klinikum irgendwelche Delikte im herkömmlichen Sinn vorgehalten.

Natürlich könnte Banu jetzt einen Asylantrag stellen. Damit wäre sie im ganz normalen Asylverfahren drin, mit Residenzpflicht und Auflagen, ohne Aufenthaltsstatus oder Niederlassungserlaubnis. Das Ganze würde vermutlich mit einer Ablehnung des Asylantrags, aber einem widerruflichen Schutz vor Abschiebung in die Türkei enden.

Daher überlegt Banu derzeit, ob sie sich weiterhin dieser dauerhaften Repression seitens des deutschen Staates und den damit verbundenen Einschränkungen stellen will oder ein freieres Leben in einem anderen Land sucht.