REPRESSIONEN GEGEN PALÄSTINENSER:Hetze wirkt

Deutsch-Israelische Gesellschaft will palästinasolidarische Vereine verbieten lassen und zeigt sie wegen Terrorunterstützung an
Von Annuschka Eckhardt junge Welt 9.6.23

Bis keines mehr übrig ist: Nach dem Recht auf Versammlungsfreiheit trifft es nun das Recht, sich in Vereinen zu organisieren, das in Berlin lebenden Menschen palästinensischer Herkunft oder palästinasolidarischen Personen verwehrt werden soll. In einer Pressemitteilung verkündete der Verein Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) am Mittwoch, Strafanzeige wegen »Terrorunterstützung« gegen das Netzwerk für palästinensische politische Gefangene Samidoun und die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) gestellt zu haben und forderte, die beiden Vereine zu verbieten. Die Anklage soll auf dem Strafrechtsparaphen 129b – Unterstützung einer ausländischen Terrorgruppe – basieren.

Volker Beck, der Präsident der DIG, erklärte in der Mitteilung: »Wenn der Satz: ›Es gibt keinen Platz für Antisemitismus in Deutschland‹ irgendeinen Sinn haben soll, kann es auch keinen Platz für eine Organisation wie Samidoun in Deutschland geben.« Daher habe die DIG Strafanzeige wegen des Verdachtes von strafbaren Unterstützungshandlungen nach Paragraph 129b StGB gestellt. Außerdem habe Beck diesen »erneuten Vorfall von mutmaßlichen Unterstützungshandlungen für terroristische Organisationen durch Samidoun Deutschland« zum Anlass genommen, die Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) aufzufordern, sich öffentlich für ein Vereinsverbot für Samidoun und PFLP einzusetzen, wegen des lokalen Schwerpunktes der Organisation in Berlin ein Handeln des Landes Berlin auf Grundlage des Vereinsgesetzes zu prüfen und sich »im Rahmen der Innenministerkonferenz und gegenüber dem Bundesinnenministerium für ein Verbot zu verwenden«.

Neues Deutschland Frieden
Der israelische Botschafter in Berlin, Ron Prosor, twitterte am Mittwoch empört: »Als ich vor einem knappen Jahr hier angekommen bin, hätte ich nicht erwartet, dass die Straßen von Neukölln denen von Gaza derart ähneln.« Vorangegangen war Hetze der B. Z. am Dienstag (»In Neukölln klebt der Judenhass an Wänden und an Bäumen«) und des RBB (»Staatsschutz ermittelt wegen Hetzplakaten gegen Israel«). Plakate des Vereins Samidoun wurden ebenso wie auf Bäume gemalte Palästina-Flaggen im Berliner Stadtteil Neukölln angeprangert. Weder Volker Beck noch die B. Z. zeigen sich dazu in der Lage, zwischen dem Staat Israel, dem Judentum und jüdischen Menschen zu unterscheiden.

»Ein Verbot von Samidoun würde sich einreihen in die traditionelle Repression der imperialistischen Staaten gegen die palästinensische revolutionäre Arbeit«, antwortete Zaid Abdul Nasser, Sprecher von Samidoun, am Donnerstag auf Nachfrage von jW. »Dreißig Jahre nach dem Oslo-Abkommen 1993 können wir heute die Wiedergeburt des organisierten palästinensischen Widerstands in Palästina in Dschenin, Nablus und in Gaza und ihre positiven Auswirkungen auf die palästinensische Bewegung im Exil beobachten.« Die imperialistischen Staaten beantworteten diese Entwicklung mit der Kriminalisierung der Bewegung – wie in den 70er Jahren, als die palästinensische revolutionäre Bewegung ihren höchsten Punkt erreichte und mit einer Repressions- und Verfolgungswelle konfrontiert worden sei. »Genauso erleben wir heute erneute Verbotsversuche gegen unsere Bewegung. Beispielsweise den Verbotsversuch von der Ortsgruppe von Samidoun in Toulouse letztes Jahr durch den französischen Präsidenten Macron«, so Nasser. Der deutsche Staat nutze die Argumentation, man müsse Antisemitismus bekämpfen, indem man den israelischen Staat politisch, militärisch und wirtschaftlich unterstütze. Die Ermordung von Palästinensern und die aktive Teilnahme an ihrer Kolonialisierung verhindere allerdings keine Judenfeindlichkeit in Deutschland, sondern wahre nur die Interessen des Kapitals.