»Mit griechischer Verfassung nicht in Einklang zu bringen«

»Mit griechischer Verfassung nicht in Einklang zu bringen«

Im »Kampf gegen den Terror« verfügt die Regierung in Athen über eine geradezu kafkaeske neue Einrichtung.

Die Athener Rechtsanwältin Marina Daliani vertritt eine Frau, deren Vermögenswerte »eingefroren« wurden

Auf Grundlage eines neuen Gesetzes agiert in Griechenland seit einigen Monaten eine »Abteilung Terrorismus« in der Zentralbehörde gegen Geldwäsche. Worum handelt es sich dabei?

Diese Behörde ist kein Teil der Justiz, sondern eine Verwaltungsdienststelle, deren elf Mitglieder von den Ministerien für Justiz, Finanzen und Öffentliche Ordnung bestimmt werden. Der Vorsitzende ist ein Staatsanwalt am Höchsten Gerichtshof. Drei der elf Mitglieder bilden die neue Abteilung für Terrorismus: der Vorsitzende, ein Polizeibeamter und ein Angestellter im Außenministerium.
Ihre Befugnisse sind extrem. Sie können, ohne die Betroffenen erst anzuhören, präventiv jede Art von Vermögen »einfrieren«. Gleich, ob Konten. Bargeld, Sachmittel oder Immobilien Und zwar von allen Personen, die im Verdacht stehen, in terroristische Aktivitäten verstrickt zu sein. Grundlage dafür sind lediglich nicht näher definierte Informationen, die sie von der Staatsanwaltschaft, der Polizei, von Gerichten oder anderen Behörden bekommen. Begründet wird das damit, daß Herkunft und Verwendung dieser Vermögenswerte geprüft werden sollen. Wie, mit welchen Kriterien und in welchem Zeitraum eine solche Prüfung stattfinden muß, wird vom Gesetz nicht konkretisiert.

Gibt es bereits Betroffene?

Bisher sind alle davon betroffen, die in irgendeiner Weise nach dem Terrorismusparagraphen 187 verfolgt wurden oder werden – egal ob es sich um Verurteilte, Untersuchungshäftlinge oder Angeklagte auf freiem Fuß handelt. Selbst ein bereits 2005 rechtsgültig vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung Freigesprochener und jemand, der seine Strafen aus demselben Verfahren abgesessen hat, sind betroffen.
Bei all diese Personen hätte schon der Ermittlungsrichter das Vermögen beschlagnahmen können, wenn er nach Prüfung der Vermögenswerte einen konkreten Verdacht gehabt hätte. Das ist jedoch in keinem Fall geschehen – diese »Abteilung für Terrorismus« setzt sich somit über die Justiz hinweg.

Wie ist das mit der Verfassung in Einklang zu bringen?

Gar nicht. Nach der Verfassung dürfen Strafen jeder Art, wozu auch Verwaltungsmaßnahmen als »versteckte Strafen« zählen, nur von Richtern und nicht von Verwaltungsangestellten verhängt werden. Die Verfassung schreibt außerdem vor, daß jede Art Strafe oder Zwangsmaßnahme nur nach Anhörung des Betroffenen verfügt werden darf. Zum Dritten wird die Unschuldsvermutung verletzt. Es kann nicht sein, daß ohne jede Verurteilung vor Gericht oder gar nach einem Freispruch eine Dienststelle daherkommt und eine neue Strafe auferlegt. All dies gilt auch im internationalen Recht.
Verfassungswidrig ist auch, daß das erwähnte Gesetz weder eine Frist noch Kriterien für die Prüfung der Vermögenswerte festlegt.

Wie können sich die Betroffenen wehren?

Sie müssen Widerspruch einlegen, verbunden mit der Erläuterung, woher das Vermögen stammt. Kommt die Dienststelle zu dem Schluß, daß es sich um legale Einkünfte handelt, die nicht in Verbindung mit Straftaten stehen, werden sie freigegeben. Auch aus humanitären Gründen – also, wenn der Betroffene Geld zum Überleben braucht – kann ein Teil oder alles freigegeben werden. Lehnt die Dienstelle den Einspruch ab, wird in nächster Instanz Klage beim Obersten Gerichtshof eingereicht.

Kann man das zugrunde liegende Gesetz nicht als verfassungswidrig kippen?

In Griechenland gibt es kein Verfassungsgericht. Der einzige Weg führt über die Ausschِpfung des Rechtsweges durch die Betroffenen. Nur Betroffene, die gegen die Entscheidung klagen, kِnnen gleichzeitig auf die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes argumentieren. Theoretisch kِnnte jedes griechische Gericht die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes feststellen, in der Praxis passiert dies jedoch nie. Solange den Einsprüchen oder Klagen nur aus anderen Gründen im Einzelfall stattgegeben wird, bleibt das Gesetz in Kraft. Erst bei Ablehnung einer Klage auch am Obersten Gerichtshof stünde der Weg vor internationale Instanzen offen.