Soli-HS für den Anti-Knast-Aktivisten und Gefangenen Pit Scherzl

Tag 588 Arbeitsverweigerung |
Tag 10 Soli-HS für Pit |
JVA-Sehnde, 19.2.2012 |

Vorbemerkung: Knast ist Jobcenter mit anderen Mitteln – bloß daß der Knast die unteren Ränge des Proletariats bei einer „Pflichtverletzung“ nicht auch noch aus der Wohnung werfen und obdachlos machen kann.

Am Abend des 9.2. traf hier Pits Nachricht ein, er habe seinen HS am 1.2. begonnen. Daß Pit sich mit der Absicht trug, zum 1.2 eventuell einen HS zu beginnen, hatte er Wochen vorher bereits mitgeteilt, und so war ich vorbereitet und hab am Abend noch eine HS-Erklärung an die Anstaltsleitung der JVA Sehnde gegeben mit dem Wortlaut:

„Seit dem 9.2.2012, 18 Uhr, befinde ich mich in einem mit dem in der JVA Rheinbach einsitzenden Gefangenen Peter Scherzl solidarisch unbefristeten Hungerstreik, um dessen Forderungen – siehe unter http://www.ivi-info.de/hsinfo.html – und dessen am 1.2.2012 begonnenen Hungerstreik zu unerstützen. Die Forderungen des Pit Scherzl betreffen Gefangene in allgemeinem Belang, weswegen ich mir diese Forderungen zu eigen mache“

Kurz zusammengefaßt, will der HS Öffentlichkeit für die Weigerung ds Landgerichts Köln herstellen, Pit nach den bestehenden gesetzlichen Regelungen in die Freiheit zu entlassen (vorzeitige Entlassung auf Bewährung im Rahmen des §57 StGB). Seit dem Frühjahr 2011 ignoriert das Gericht ihm diesbezüglich vorgetragene Umstände und Tatsachen; es konstruiert Tatsachen wider besseres Wissen; es verschleppt die Bearbeitung von Pits Antrag auf Entlassung durch Untätigkeit; es begründet seine Weigerung, Pit zu entlassen; mittels eines inhaltslogisch absurden und politisch nicht hinnehmbaren Argumentationsstranges: Aus Pits Eintreten für einen rechtskonformen, von knastlicher Willkür freien Strafvollzug will das Gericht die Erkenntnis ableiten, es bestehe bei Pit eine Neigung zu schwerem Gesetzesbruch/ Allgemeingefährlichkeit fort. Pits Tun und Lassen als bundesweit bekannter Aktivist für Gefangenenrechte ist jedoch vollauf legal, zumal er nicht wegen Aktivismus inhaftiert ist, sondern er bei Banken, bei denen er kein Konto hatte Geld abgeholt hat – ohne dabei jemanden tätlich anzugreifen oder gar zu verletzen.

Pit ist Bundesvorsitzender der >> Interessenvertretung Inhaftierter << (Iv.I.) und einer der wenigen Strafgefangenen der BRD, der Mittel hat, den finanziell aufwendigen Klageweg gegen Knastwillkür zu beschreiten. Mit seinen entsprechenden juristischen Klagen verteidigt er sich, andere und zugleich die Rechte aller Gefangenen in der BRD ( die Iv.I. hat das Verbandsklagerecht zugesprochen erhalten). Seine Entlassung würde ihm helfen, seine Tätigkeit von draußen aus verstärkt fortzuführen.

Die überwältigende Mehrheit der Strafgefangenen gehört den unteren Rängen des Proletariats an, Pits Aktivismus ist daher objektiv klassenkämpferisch. Als jemand der im Knast ist, weil er als Klassenkämpfer in offenem Widerstand gegen Zwangsarbeit einen Arbeitsamtsdirektor getötet hat bin ich mit Pit uneingeschränkt solidarisch.

Gesundheitsbericht: Obwohl ich wegen permanenter Arbeitsverweigerung der ganzen Palette knastlicher Repression ausgesetzt bin – vor allem Isolation durch Zelleneinschluß; Sportausschluß; Einkaufssperre – geht es nir körperlich und seelisch gut. Die Folgen des 54-tägigen Hungerstreiks in eigener Sache in den Monaten Mai und Juni des vergangenen Jahres waren bereits im Herbst überwunden. Beim 1. Wiegen am 10.2. hatte ich 78,4 kg, beim letzten Wiegen am 17.2. waren es 73,6 kg. Ein nächster Bericht folgt in einer Woche.

Schlußbemerkung: Als 57-Jähriger, im nun 12. Jahr Eingeknasteter und nur 7 Monate nach Beendigung eines längeren HS erneut zu hungern, ist kein Vergnügen. Doch wächst mit dem kollektiven solidarischen Kampf die Kraft. So schließe ich nun mit einem Hoch auf das weltweite Proletariat und einem

Einer für alle, alle für einen!

Ex nihilo plentitudines
Werner

P.S.: Pit ist ebenfalls 57 Jahre alt.

 

[Anmerkung des AbtippAs:
*§ 57 Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe
(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

  1. zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
  2. dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
  3. die verurteilte Person einwilligt.

Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.]