In den frühen Morgenstunden des 27. Juni 2012 explodierten in Mexiko-Stadt zwei Sprengsätze: einer an einem Kassenautomaten der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft und ein anderer, bevor er seinen Bestimmungsort erreichte, im Rucksack des Aktivisten Mario Antonio Lopez Hernandez (“Tripa”). Dieser wurde daraufhin schwer verletzt festgenommen und in ein Krankenhaus eingeliefert. Felicity Ann Ryder, deren Pass in einem der Rucksäcke gefunden wurde, wurde entgegen ersten Veröffentlichungen nicht festgenommen. Hier folgt eine ausführlichere Zusammenfassung der Geschehnisse und Reaktionen.
Nachdem die Bombe im Rucksack explodierte, verlor Mario das Bewusstsein. Anwohner_innen riefen die Polizei und den Notarzt, die ihn in ein Krankenhaus einlieferten, wo er notoperiert wurde. Am Unglücksort wurde ein weiterer Rucksack mit einer weiteren Bombe gefunden und von Spezialeinheiten geborgen. In diesem Rucksack befand sich der Pass von Felicity (australischer Staatsbürgerschaft); Polizei und einige Medien berichteten, dass sie kurze Zeit später festgenommen wurde. Ihr Verbleib blieb zunächst unklar.
Mario wurde wenige Stunden nach seiner Operation von Polizei und Armee verhört. In physisch und psychisch sehr schlechtem Zustand und unter Druck konnte ihm ein Geständnis abgenommen werden. Trotz des Geständnisses scheint die Beweislage sehr knapp zu sein, da nichts und niemand außer er selbst zu Schaden kam. [Die Bombe, die ihn verletzte war sicher nicht dazu bestimmt, jemandem körperlich zu schaden. In Mexiko kam es in den letzten Jahren vermehrt zu Anschlägen anarchistischer Gruppen und Individuen, welche sich ausschließlich gegen Objekte richteten.] In seinem Geständnis bekannte Mario sich klar zum Anarchismus – das Einzige, das ihm die Behörden derzeitig vorwerfen. Es wurde auf verschiedenste Weise versucht, ihn so schnell wie möglich in den Knast zu überführen: “…hier gibt es kein Licht, das die Dunkelheit der Folter erleuchtet. Aber wie Claudio Lavazza gesagt hat: ‘Wir Anarchisten haben den Knast in unseren Venen.’” (Mario in seinem Schreiben vom 11. Juli). Am 29. Juni wurde die Wohnung von Marios Mutter durchsucht, es wurden jedoch keine relevanten Gegenstände gefunden. Weiterhin wurde das Besuchsrecht von Familienangehörigen und Verteidigerinnen im Krankenhaus stark eingeschränkt und die Arbeit seiner Anwältinnen wurde stark behindert. In einem öffentlichen Schreiben an die Kommunikationsmedien und die Menschenrechtsorganisationen verurteilten die “Anwält_innen in Solidarität mit den anarchistischen Gefangenen”, welche die Verteidigung übernommen haben, die Behinderungen der Verteidigung, Unregelmäßigkeiten und Verstöße gegen nationales und internationales Recht wie z. B. die Anwendung von Folter.
Marios gesundheitlicher Zustand ist nach mehreren Operationen und Hauttransplantationen stabil, hängt jedoch von einer sterilen Umgebung ab. Statt in einem Spezialzimmer, in diese gegeben wäre, wurde er jedoch in einem “normalen” Krankenzimmer untergebracht und befand sich zudem unter ständiger Bewachung von Polizisten, die keine Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand nahmen.
Trotz Warnungen und Einsprüchen seiner Anwältinnen, dass eine Verlegung Marios lebensgefährlich wäre, wurde er am 17. Juli, sechs Tage nach der letzten Operation, in eine Haftanstalt überführt. Dies geschah ohne Vorankündigung oder Benachrichtigung der Familie bzw. der Verteidigerinnen.
Felicity Ann Ryder, die laut Medien- und Polizeiberichten kurz nach der Explosion festgenommen wurde, wurde, trotz massiver Forderungen der Anwältinnen und der Öffentlichkeit, nie von den Polizeibehörden präsentiert, noch wurde der Ort ihrer Verwahrung oder der Verhaftungsgrund veröffentlicht.
Am 17. Juli stellte sie in einer Nachricht klar, dass sie entgegen der Lügen von Polizei und Medien nie festgenommen wurde und es sich somit um gezielte Fehlinformationen sowohl der mexikanischen als auch der australischen Presse zum Zwecke der Manipulation und Einschüchterung Marios und ihrer Familie gehandelt hat. Zur Zeit fahnden nicht nur die mexikanischen Behörden nach ihr, auch die chilenische Polizei stellt, da sie sich 2011 für zwei Monate dort aufhielt, Nachforschungen bezüglich ihrer Kontakte und Verbindungen in Chile an. Wie Mario bekennt sie sich in ihrer Nachricht zum Anarchismus.
Sowohl in Mexiko als auch international drücken Viele in Aktionen und Aktivitäten ihre Solidarität mit Mario und Felicity aus: In Mexiko-Stadt fanden während einer Soli-Aktions-Woche zwei öffentliche Volxküchen statt, eine davon vor dem Krankenhaus; des Weiteren eine öffentliche Pressekonferenz, auf welcher die Anwältinnen die derzeitige Lage beurteilten bzw. das Vorgehen von Polizei und Justiz verurteilten. Auch wurden etliche Solitexte von Gruppen und Einzelpersonen verlesen. Die Woche abschließend fand eine Aktivität mit workshops und Musik statt.
Am Unglücksmorgen des 27. Juni wurde in Griechenland ein Anschlag mit einer Autobombe gegen die Microsoft-Zentrale verübt. In ihrem Bekenner_innenschreiben nahmen die Aktivist_innen einer Untergruppe der FRI direkten Bezug: “Wir richten all unsere Solidarität an den Anarchisten Mario in Mexiko, der durch einen Sprengsatz, den er transportierte, verletzt wurde, sowie an die anarchistischen Gefangenen in Italien, welche beschuldigt werden, an den Anschlägen der FAI beteiligt gewesen zu sein. Unser Feuer brennt für euch alle!”
In Buenos Aires, Argentinien, wurden in einer Solidaritätsaktion mehrere Luxuskarossen in den Wohngebieten der Reichen abgefackelt (Amigxs de la Tierra/FAI).
Keinen Milimeter zurück, neun Milimeter für die Richter und Staatsanwälte!
Solidarität mit Mario und Felicity und allen (politischen) Gefangenen!
muerte al estado, que vive la anarquia!
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