Späte Rache

Spekulationen und rechtswidrig zustande gekommene Aussagen: BRD-Justiz verschleppt Prozeßbeginn gegen angebliche Mitglieder der »Revolutionären Zellen«

Vor knapp 20 Jahren stellte die linke Stadtguerillagruppe »Revolutionäre Zellen« (RZ) ihre Aktivitäten ein. Dennoch geht die bundesdeutsche Justiz mit unvermindeter Härte gegen vermeintliche Mitglieder der Organisation vor.

Bereits seit über neun Monaten sitzt die 1933 geborene Sonja Suder in der JVA Frankfurt am Main in Untersuchungshaft. Ihr wird vorgeworfen, gemeinsam mit ihrem heute 70jährigen Lebensgefährten Christian Gauger Mitte der 1970er Jahre an Anschlägen des militanten Netzwerks beteiligt gewesen zu sein.

Dürftige Beweislage

Das betagte Paar, das seit Ende der 70er Jahre in Frankreich lebte, war im Jahr 2000 aufgrund eines internationalen Haftbefehls festgenommen worden. Obwohl die den beiden Linken zugeschriebenen Taten nach französischem Recht verjährt waren, wurden sie nach langem juristischen Tauziehen am 14. September 2011 nach Deutschland ausgeliefert.

Während Sonja Suder noch immer inhaftiert ist, wurde ihr schwerkranker Lebensgefährte nach einigen Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen. Er hatte 1997 einen Herzstillstand erlitten, war von seiner Frau wiederbelebt worden, lag mehrere Tage im Koma und verlor sein Gedächtnis. Obwohl das Gesetz eine Frist von sechs Monaten vorschreibt, in der nach Erhebung der Anklage auch der Prozeß eröffnet werden muß, ist ein genauer Termin für den Beginn der Verhandlung bis heute nicht festgesetzt.

Ein Grund dürfte sein, daß die Beweislage mehr als dürftig ist. Da die Frankfurter Staatsanwaltschaft aber offenbar späte Rache an den militanten Linken nehmen will, spielt das offenbar eine untergeordnete Rolle. So wirft die Justiz z. B. beiden vor, 1977 und 1978 an drei Anschlägen der RZ beteiligt gewesen zu sein. Sie stützt sich dabei jedoch einzig auf unter folterähnlichen Umständen zustande gekommene Aussagen von Hermann F.

Unglaubhafte Aussagen

F. hatte sich am 23. Juni 1978 bei einem Explosionsunfall schwerste Verletzungen zugefügt. Ihm mußten beide Beine amputiert und beide Augen entfernt werden, es kam zu einer Hirnschädigung. Trotz seines lebensbedrohlichen Zustandes wurde er 1978 im Universitätsklinikum Heidelberg von Polizei und Staatsanwälten vernommen. Die angeblich dort von ihm gemachten Aussagen nutzt die Justiz nun, um gegen Sonja Suder und Christian Gauger zu Felde zu ziehen.

Zudem unterstellt die Staatsanwaltschaft Frankfurt Suder, im Rahmen der Vorbereitung des Überfalls auf die OPEC-Minister am 21. Dezember 1975 in Wien bei der Anwerbung von Hans-Joachim Klein, der später an dem Attentat teilnahm, im Frankfurter Stadtwald anwesend gewesen zu sein. Sie habe außerdem Waffen und Sprengstoff nach Wien transportiert. Dabei stützt sich die Justiz einzig auf eine Aussage Kleins, der 1998 in Frankreich festgenommen wurde. Selbst das Landgericht Frankfurt am Main hatte in einem früheren Verfahren gegen ihn festgestellt, daß seine Einlassungen in diesem Fall unglaubhaft seien.

Das tut für die Justiz offenbar nichts zur Sache. Das Frankfurter Oberlandesgericht fabulierte vielmehr kürzlich im Rahmen eines Haftprüfungstermines im Fall Sonja Suder, daß bei der 79jährigen von einem »besonders hohen Fluchtanreiz« ausgegangen werden müsse. Denn sie habe damit zu rechnen, nach einer Verurteilung den Großteil ihres restlichen Lebens in Haft zu verbringen. Angesichts dessen fordert das Solidaritätskomitee für Sonja Suder und Christian Gauger die sofortige Haftentlassung von Suder sowie die umgehende Beendigung der staatlichen Kriminalisierungsstrategie und Repression.

Um eine angemessene Verteidigung der beiden Rentner gewährleisten zu können, bitten die Aktivisten um Spenden auf ein Treuhandkonto: Rechtsanwalt Hartmann, Konto-Nr. 35762087, BLZ 37050198, Sparkasse Köln/Bonn.

 

Informationen im Internet: www.verdammtlangquer.org