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Tragische Tage in Sicherungsverwahrung

Selten macht die Sicherungsverwahrungsanstalt in Freiburg mit positiven Nachrichten von sich reden. So auch heute nicht. Es gilt zu berichten von einem Todesfall, sowie einem mutmaßlichen sexuell motivierten Angriff eines Sicherungsverwahrten auf ein Kind.

Erneuter Todesfall

Immer wieder sterben hier in der JVA Freiburg Sicherungsverwahrte, so dass letztlich mehr Verwahrte durch Tod aus der SV ausscheiden, als durch reguläre Freilassung.

Am frühen Morgen des 3. September 2015 wurde bei der „Lebendkontrolle“ Herr S. leblos vorgefunden. Sofort hinzu geeilte Sanitäter und weiteres Vollzugspersonal konnte nichts weiter ausrichten, so dass Polizei und Gerichtsmedizin nur noch abklären konnten und mussten, dass es sich um einen natürlichen Tod handelte.

Herr S. befand sich schon rund 15 Jahre in Sicherungsverwahrung und es handelte sich um einen sogenannten „Altfall“, d.h. eigentlich verstieß seine weitere Verwahrung gegen Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte von 2009. Dennoch befanden Landgericht und Oberlandesgericht den 52-jährigen Herrn S. für weiterhin zu gefährlich, um ihn frei zu lassen. Er wog zuletzt über 200 kg, war Diabetiker, litt an Narkolepsie und keuchte, wenn er auch nur 10 m gehen musste. Auf die Mitverwahrten machte er folglich eher den Eindruck eines gebrechlichen Menschens, der kaum für andere eine reale Gefahr darstellte.

Kaum verbreitete sich die Meldung seines Todes, waren auch diesmal Rufe aus den Zellenfenstern zu hören: „Ihr Mörder! Ihr wollt uns alle umbringen und lasst uns hier verrecken!“.

Für alle Verwahrten galt von 6:50 – 8:35 Uhr Zelleneinschluss, d.h. alle Insassen wurden kommentarlos weggeschlossen. Nun prüft das Landgericht Freiburg, ob die Praxis der Anstalt rechtlich haltbar ist, bei solch einem Vorall alle einzuschließen.

Herr S. war den meisten Verwahrten seit Jahren, manchen seit Jahrzehnten bekannt – und er war auch eine lebende Mahnung! Denn wenn ein derart körperlich gehandicapter Insasse nicht frei gelassen wurde, wie sollten dann jemals Verwahrte, die noch wesentlich gesünder sind, damit rechnen können, frei zu kommen?

Sexualtäter wird möglicherweise rückfällig

Wasser auf die Mühlen aller KritikerInnen ist sicherlich folgender Fall: Herr K., 45 Jahre alt, laut Badischer Zeitung im Februar 2005 wegen sexuellen Kindesmissbrauchs verurteilt zu 3 Jahren und SV, soll an einem See in Freiburg ein 6-jähriges Kind angesprochen, ihm einen Pudding versprochen und weg gelockt haben. Als dessen Mutter hörte, dass ein fremder Mann ihre Tochter mitgenommen habe, suchte sie ihr Kind und fand es, zusammen mit Herrn K. in einem Gebüsch, wobei es zu sexuellen Handlungen noch nicht gekommen sein soll. Er habe das Kind geküsst und auf der Schulter getragen. Der Lebensgefährte der Frau hielt Herrn K. fest, und als dieser floh, stellte man ihn einen halben Kilometer später, und dann trafen auch sechs Streifenwagenbesatzungen ein.

Mittlerweile sitzt Herr K. wieder in der Sicherungsverwahranstalt; von dort war er nur wenige Wochen zuvor in den Freigänger-Bereich verlegt worden und durfte unbewacht die Anstalt verlassen.

Laut Presse und Rundfunkberichten ist die Anstalt sich keinerlei Schuld bewusst, man habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.

Oberregierungsrat Andreas Ruder wurde auf SWR4 interviewt und gab sich zerknirscht, dass gerade ‚“bei diesem Verwahrten“ derartiges passierte, was niemand habe auch nur erahnen können.

Einige Verwahrte machen insbesondere der therapeutischen Leiterin, Frau Dr. S., wie auch dem Vollzugsleiter, dem Diplom-Sozialpädagogen G. Vorhaltungen, dass sie sich hätten von Herrn K. „um den Finger wickeln“ lassen, zumal Herr K. 2014 schon einmal aus dem offenen Vollzug hatte wegen Auffälligkeiten abgelöst und in den geschlossenen Vollzug rückverlegt werden müssen.

Nicht wenige Insassen sorgen sich nun auch um ihre eigene Situation, denn in Baden-Württemberg beginnt der Vorwahlkampf (Landtagswahlen sind im Frühjahr 2016) und es steht zu erwarten, dass die CDU die Gelegenheit nutzen wird, um der GRÜN-/Roten Landesregierung eine Mitverantwortung zu unterstellen.

Ob das Justizministerium personelle Konsequenzen ziehen wird, ist noch nicht absehbar; da in die Entscheidung, Herrn K. Vollzugslockerungen zu gewähren, neben der JVA auch das Gericht, die Staatsanwaltschaft und das Justizministerium eingebunden waren, dürfte es eher unwahrscheinlich sein, dass man einzelne MitarbeiterInnen zur Verantwortung ziehen wird.

Ausblick

Beide Ereignisse zeigen die ganze Spannbreite des Vollzugsalltags in der Sicherungsverwahrung: Unvermeidliche Todesfälle, da die Anstalten selbst schwerst Kranke hoffnungslos verwahren, aber ebenso unvermeidliche Rückfälle.

Dem „unvermeidlich“ wohnt eine etwas resignative Sichtweise inne, denn es ist zweifelhaft, ob solche Vorfälle tatsächlich „unvermeidlich“ sind! Im Fall des Herrn S. hätte eine umfangreiche Begleitung, Betreuung und Unterbringung in einer offenen Einrichtung vielleicht ein Sterben in Würde und Freiheit ermöglichen können. Im Fall des Herrn K. hätte eine tatsächliche Begleitung und eine langsame Heranführung an kritische Situationen vielleicht verhindern helfen können, dass nun ein kleines Kind verängstigt wurde, wie auch deren Eltern. Von den möglichen politischen Folgen einmal abgesehen, wenn man sich wieder an des Bundeskanzlers Wort vom „Wegsperren – für immer!“ (Gerhard Schröder) erinnert.

Dafür wäre jedoch erheblicher Mitteleinsatz und viel mehr Personal erforderlich. Ausserdem auch ein grundlegendes Umdenken, was die Prozesse der Entstehung, von Kriminalität im Allgemeinen, wie auch im Speziellen anbelangt. Im Fall des Herrn K. ist es viel zu einfach zu sagen, dass er alleine die Schuld trägt, denn die moralische Mitverantwortung, zumindest jene, tragen auch Beschäftigte des Landes, wie es gleichfalls zu simplifizierend wäre, die alleinige Verantwortung der erwähnten Frau S. und dem Herrn G. zuzuweisen.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg

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