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Angeblich 6.000 türkische Spitzel in der BRD

Zeitungsbericht weist auf umfangreiche Aktivitäten des Geheimdienstes MIT hin
Von Nick Brauns, junge Welt 22.8.16

Die Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes MIT in Deutschland sind laut einem Bericht der Welt am Sonntag (WamS) offenbar wesentlich umfangreicher als bislang bekannt. Laut einem ungenannt bleibenden »Sicherheitspolitiker« verfügt der MIT neben einer großen Zahl hauptamtlicher Agenten über ein bundesweites Netz von 6.000 Informanten. Damit käme ein Spitzel auf 500 türkischstämmige Bürger.

»Hier geht es längst nicht mehr um nachrichtendienstliche Aufklärung, sondern zunehmend um nachrichtendienstliche Repression«, warnte der Geheimdienst­experte Erich Schmidt-Eenboom gegenüber WamS. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele kündigte an, die Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes in Deutschland nach der Sommerpause auf die Agenda des Parlamentarischen Kontrollgremiums zu setzen. Auch der Vorsitzende des Kontrollgremiums, Clemens Binninger (CDU), will die Kooperation deutscher Sicherheitsbehörden mit dem MIT überprüfen lassen.

Eine Schlüsselrolle für das Geheimdienstnetzwerk des MIT in Deutschland spielt nach Kenntnis von jW der direkt dem Diyanet, dem Religionsamt der türkischen Regierung, unterstehende Islamverband DITIB mit rund 900 angeschlossenen Moscheenvereinen. Dessen aus Ankara bezahlte Imame fungieren häufig als Zuträger des Geheimdienstes. Auch die aus der Tradition der »Grauen Wölfe« kommende Union der türkisch-islamischen Kulturvereine in Europa (ATIB) mit ihren rund 120 Mitgliedsvereinen ist eng an die türkische Regierung angeschlossen. »Unser Verband bezieht seit Jahren all seine Imame von der türkischen Regierungsbehörde Diyanet«, gestand ATIB-Vorstandsmitglied Mehmet Alparslan Celebi, der auch Vizevorsitzender im Zentralrat der Muslime ist, am 15. August auf seiner Facebook-Seite ein. Auf eine Anfrage der Linksfraktion hatte die Bundesregierung kürzlich erklärt, nur 25 ATIB-Imame kämen von Diyanet.

Auch ansonsten scheint die türkische Regierung in der BRD Einfluss nehmen zu wollen. Tausende Kurden und linke türkische Verbände demonstrierten am Sonnabend in mehreren deutschen Städten für ein Ende der Isolationshaft des gefangenen PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan. Seit 17 Jahren wird er auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer festgehalten. Nach der von der Polizei erwirkten Absage eines kurdischen Kulturfestivals ruft das Demokratische Gesellschaftszentrum der Kurden in Deutschland (Nav-Dem) nun für den 3. September zu einer Großdemonstration in Köln auf.

An diesem Tag sollte das 24. Internationale kurdische Kulturfestival mit über 30.000 Teilnehmern im Kölner Rheinenergie-Stadion stattfinden. Doch kurz vor Vertragsunterzeichnung hatte der Hallenbetreiber – ein Tochterunternehmen der Stadt – Mitte letzter Woche auf Anraten der Polizei seine Zusage zurückgezogen. Es seien Auseinandersetzungen zwischen kurdischen Festivalbesuchern und türkischen Nationalisten zu befürchten, hatte Kölns Polizeipräsident Jürgen Mathies »Sicherheitsbedenken« geltend gemacht. Zuvor hatte die türkische Regierung ein Verbot des von ihr als »Europatreffen der PKK« bezeichneten Festivals gefordert. Ende Juli waren über 30.000 Anhänger des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu einer Großkundgebung in Köln für die Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei auf die Straße gegangen.