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Angeltour mit großem Netz

Die tschechische Polizei konstruiert mit fragwürdigen Mitteln ein Terrorverfahren gegen Linke

Wer ist Täter, wer Ermittler? Die Polizei verhaftet Linke wegen Brandanschlägen, an denen verdeckte Beamte beteiligt waren. Die Razzien sorgen für Protest, könnten aber dennoch der Linken schaden.

Von Michael Hartmann, nd 22.7.

Mit der Antiterroroperation »Phönix« geht die Polizei in Tschechien seit zwei Monaten gegen linke Aktivisten vor. Wohnungen werden durchsucht, Personen verhaftet. Sie sollen Brandanschläge auf Güterzüge geplant haben. Es ist das erste größere Verfahren gegen Linke in den letzten Jahren. Die Ermittlungen treffen die anarchistisch geprägte außerparlamentarische Bewegung in einer Zeit des Aufschwungs. So konnte die Szene erstmals wieder gesellschaftliche Debatten anstoßen.

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Aktivisten intervenierten erfolgreich in Arbeitskämpfe in Prag und im nordtschechischen Most. Im von überteuerten Mieten geplagten Prag besetzten Anwohner, Künstler und Autonome eine ehemalige Lungenklinik und machten daraus ein soziales Zentrum. In den Verhandlungen um dessen Fortbestand versuchte die »antiextremistische Einheit« der Polizei, eine Nutzungsgenehmigung für die Besetzer zu verhindern. Und am 1. Mai blockierte ein breites gesellschaftliches Bündnis erfolgreich einen europaweit mobilisierten Neonaziaufmarsch in der zweitgrößten tschechischen Stadt Brno. Dieser sollte durch ein von Roma bewohntes Viertel ziehen.

Für tschechische Neonazis ist der weit verbreitete Antiziganismus ein wichtiger Anknüpfungspunkt für rassistische Kampagnen. Schon 2013 kam es zu Ausschreitungen gegen Romaunterkünfte im nahe der deutsch-tschechischen Grenze gelegenen Usti nad Labem. Auch die Bewegung »Wir wollen keinen Islam in der Tschechischen Republik« findet im Land ein großes Mobilisierungspotenzial vor. Sie tauchte Ende vergangenen Jahres auf und tritt ähnlich wie ihr deutsches Pendant Pegida vor allem durch regelmäßige Demonstrationen in Erscheinung. Die Islamgegner können dabei auf einen wachsenden Nationalismus, starke Skepsis gegenüber der offiziellen Politik und tief verankerte antilinke Ressentiments aufbauen.

Gegen diese Entwicklungen haben sich neue Bündnisse zwischen unterschiedlichen linken Spektren gebildet. Die massive Strafverfolgung könnte diese zarte Annäherung abrupt beenden und zu einer neuerlichen Isolation der außerparlamentarischen Linken führen.

Mit einem Großaufgebot hatten Beamte der »Einheit gegen organisierte Kriminalität« Ende April landesweit Wohnungen sowie das soziale Zentrum im nordtschechischen Most durchsucht. Die Polizeiaktion galt einem »Netzwerk der revolutionären Zellen« (»Siť revolučních buněk«/SRB), welches sich zu mehreren Brandanschlägen bekannt hatte. Drei Personen wurden in Untersuchungshaft genommen. Polizeiangaben zufolge haben einige Betroffene seit Herbst 2014 einen Anschlag auf einen Güterzug mit »entweder militärischer Ausrüstung oder Hyundai-Pkws« geplant. Offenbar hatten dabei auch zwei zivile Polizeibeamte ihre Finger im Spiel. Als Mitglieder einer linken Gruppe hatten sie Gespräche gezielt aufgeheizt und damit die Grundlage herbeigeführt, um gegen die Aktivisten vorzugehen.

Das Vorgehen sorgt für Proteste in der tschechischen Zivilgesellschaft. Medienaktivisten und Wissenschaftler setzen sich für eine unabhängige Prüfung der Ermittlungen ein. Aus ihrer Sicht handelt es sich bei der »Operation Phönix« um ein »bombastisches Polizeievent«, bei dem niemand sicher sein kann, ob die Polizei nicht gezielt Straftaten provozieren wollte. Täter und Ermittler seien nicht mehr zu unterscheiden. Beobachter stellen aber auch in Frage, wie die verschiedenen Brandanschläge miteinander in Verbindung gebracht wurden, um das Terrorverfahren zu konstruieren.

Klára Horáková, Sprecherin der Solidaritätskampagne »antifénix«, sieht in den Ermittlungen einen Vorwand, um gegen die gesamte anarchistische Bewegung vorzugehen und diese zu kriminalisieren. Es gehe darum, Informationen zu sammeln und Aktivisten auszuhorchen: »Es wirkt wie eine Angeltour mit einem riesigen Netz.« In den Verhören sei es zu großen Teilen nur um Informationen über die anarchistische Szene gegangen. Bei den Razzien beschlagnahmte die Polizei diverse Server und legte damit die Internetseiten vieler linker Gruppen für einige Tage lahm. Horáková vermutet, dass die Razzien und Inhaftierungen noch nicht die letzten Maßnahmen der Ermittlungsbehörden waren, da diese ihre bisherigen Aktionen weiter legitimieren müssten.

Die Kampagne »antifenix« wirbt um Unterstützung für die Gefangenen. Seit den Razzien gab es mehrere Demonstrationen vor dem Prager Gefängnis. Auch im Ausland fanden Solidaritätskundgebungen unter anderem in England, Deutschland und Spanien statt.