Bundesregierung bestreitet Rasterfahndung bei Ermittlungen wegen NSU-Morden

Bei den Ermittlungen der „Besonderen Aufbauorganisation Bosporus“ haben die Behörden nach Auskunft der Bundesregierung über einen Zeitraum von zehn Jahren 20.575.657 Mal Funkzellen abgefragt. Dabei wurde nach Mobilfunkgeräten gesucht, die an mehreren Tatorten der Morde der rechtsgerichteten NSU-Terroristen eingebucht waren.

Die so ermittelten 13.842 Datensätze wurden mit Hotelbuchungen und Mietwagenanmietungen und Finanztransaktionen abgeglichen. Dies sei indes keine Rasterfahndung gewesen, geht aus einer schriftlichen Antwort der Bundesregierung auf eine Frage der Linksfraktion hervor.

In der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 17. Oktober 2012 hatte Andrej Hunko von der Linksfraktion gefragt, wie viele Massendaten von den Behörden für die Ermittlungen der ungeklärten Mordserie bis zur Entdeckung der Täterschaft des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ erhoben wurden. In der Addition von 27 Ermittlungsverfahren, die beim Bundeskriminalamt (BKA) zusammengeführt wurden, ergibt sich die Zahl von mehr als 20 Millionen Funkzellenabfragen und knapp 14.000 Halterfeststellungen, die mit anderen Daten abgeglichen wurden.

In der Antwort der Bundesregierung heißt es, die Funkzellenabfrage sei ein übliches Fahndungsmittel bei Tötungsdelikten. Auch der Abgleich mit anderen Daten sei infolge von einzelnen gezielten Ermittlungen durchgeführt worden und damit keine Rasterfahndung. Die erforderlichen Daten seien weiterhin gespeichert und werden bis zum Abschluss des Vollstreckungsverfahrens gespeichert bleiben. Die Auswertung und Weiterverarbeitung von Funkzellendatensätzen „unterscheidet sich grundsätzlich von einer Rasterfahndung, bei der personenbezogene Daten von Personen, die bestimmte vermutlich auf den Täter zutreffende Prüfungsmerkmale erfüllen, mit anderen Daten abgeglichen werden“, heißt es in der Antwort von Innen-Staatssekretär Ole Schröder.

In seiner Stellungnahme bezweifelte Andrej Hunko die amtliche Definition. Die Erkenntnisse aus Funkzellenabfragen würden computergestützt analysiert. Dabei entwerfe die Software ein mehrdimensionales Bild von Verdächtigen und ihren Beziehungen zu Personen, Objekten und Tathergängen. Die weitere Verknüpfung dieser Daten mit Angaben über Hotelbuchungen oder Mietwagennutzungen sei bereits eine Rasterfahndung, so Hunko weiter. „Dass sich dieser tief gehende polizeiliche Eingriff in die Privatsphäre vermutlich vor allem gegen Bekannte der migrantischen Opfer des NSU gerichtet hat, macht mich wütend.“ Hunko forderte die Bundesregierung auf, die Betroffenen von der Fahndung in Kenntnis zu setzen. „Jene Anschlussinhaber, die im Zuge der rassistisch stigmatisierenden polizeilichen Ermittlungen festgestellt wurden, müssen davon unterrichtet werden. Denn deren Bestandsdaten wurden nur deshalb von den Mobilfunkanbietern abgefragt, weil sie als ‚verdächtig‘ galten.“

(Detlef Borchers) / (anw@ct.de