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Datendeal mit Ottawa

Kanadas Polizei will personenbezogene Daten von Flugpassagieren aus der Europäischen Union umfassend nutzen. EU-Kommission legt demnächst Entwurf für Abkommen vor

Nach zweijährigen Diskussionen will die Europäische Kommission in Kürze einen Entwurf für ein Abkommen zum Tausch von Passagierdaten (Passenger Name Record, PNR) mit Kanada vorlegen. Fluggesellschaften werden dann verpflichtet, kanadischen Grenzbehörden vor jedem Flug detaillierte Informationen über beförderte Reisende zu übergeben. Übermittelt werden etwa Personen- und Adreßdaten, Zahlungsinformationen, Reiseverlauf, das genutzte Reisebüro und sogar dessen Sachbearbeiter. Verantwortlich ist hierfür die Behörde für Grenzkontrollen und Zoll »Canada Border Services Agency«.

Zeitgleich zu den Verhandlungen mit Kanada waren solche mit Australien und den USA aufgenommen worden. Abkommen mit den anderen beiden Staaten sind bereits geschlossen und mittlerweile auch vom EU-Parlament ratifiziert. Mit Kanada verzögerten sich die Gespräche aber wegen der Parlamentswahlen in Québec Anfang September. Nach fünf Verhandlungsrunden 2011 wurden die Gespräche zum PNR-Abkommen erst im Mai diesen Jahres wieder aufgenommen.

Kanada will Fluggastdaten auch für solche Zwecke nutzen, die nicht der Bekämpfung von Terrorismus oder organisierter Kriminalität dienen. Zudem wollen die Behörden ihre Verwendung für inländische Ermittlungen ermöglichen. Die EU-Kommission vertrat bislang die Position, daß dies nur im Falle grenzüberschreitender Straftaten gewährt werden dürfe. Als Gegenleistung sichert Kanada jetzt zu, daß aus den Daten analysierte »Erkenntnisse« an die übermittelnden Staaten zurückfließen würden.

Zudem will die kanadische Polizei einen unmittelbaren Zugriff auf die PNR-Systeme, etwa wenn eine »unmittelbare Gefahr« droht. Dies würde weitgehende Kompetenzen unter anderem für die »Royal Canadian Mountain Police« beinhalten. Sollte die EU der Forderung nachkommen, würde das Abkommen mit Kanada sogar noch über die bereits geschlossene Regelung mit den USA und Australien hinausgehen.

Die kanadische Delegation fordert eine Speicherdauer von fünf Jahren, obwohl die Daten nach derzeitiger Praxis nur dreieinhalb Jahre aufgehoben werden. Die EU verbucht als Verhandlungserfolg, daß Betroffene das Recht auf Auskunft über gespeicherte Informationen erhalten. Das kanadische Recht sieht dies jedoch lediglich für jene Personen vor, die sich im Land aufhalten. Kanada signalisiert nun, dies auch ausländischen Reisenden zuzugestehen.

Umstritten war bislang die von Kanada geforderte Weiterleitung an »Drittstaaten«. Jetzt sollen immerhin die paßausstellenden Behörden der Betroffenen von einer Weitergabe unterrichtet werden. Inwiefern dann auch die Reisenden selbst benachrichtigt werden, bleibt unklar.

Ebenfalls offen ist, ob die »Canada Border Services Agency« die Daten im »Pull-Verfahren« abfragen darf, also selbst auf die entsprechende Datenbank zugreift. Während die meisten Fluggesellschaften im »Push-Verfahren« erst auf Anfrage von Behörden übermitteln, soll Kanada mindestens für einen Übergangszeitraum einen direkten Zugriff erhalten.

Gegenüber einer sogenannten »Maskierung« sind die Behörden allerdings aufgeschlossen. Nach 30 Tagen sollen die Daten derart verschleiert werden, daß sie nicht mehr von allen Zugriffsberechtigten konkreten Personen zugeordnet werden können.

Die Abkommen zur Weitergabe von Passagierdaten werden von Bürgerrechtsgruppen scharf kritisiert. Die Verarbeitung der Daten »von unschuldigen und unverdächtigen Personen« wird von der EU-Kommission sogar eingestanden. Der bekannte US-Aktivist Edward Hasbrouck, der lange gegen das PNR-Abkommen mit den USA kämpfte, hatte dies erst nach jahrelangem Tauziehen vom »Department of Homeland Security« erfahren.

Die Heimatschützer hatten noch nach Jahren gespeichert, mit wem er früher gereist war, welches Geschlecht die Person hatte und ob bei einer Übernachtung ein Zimmer mit getrennten Betten oder Doppelbett gebucht wurde. »In der Datenbank steht also letztlich auch, wer mit wem schläft«, folgert Hasbrouck. Jetzt plant die EU ein eigenes PNR-System, in dem auch Flüge innerhalb der Europäischen Union und sogar Inlandsflüge gespeichert werden sollen.