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Der Einsatz von zivilen Tatbeobachter*innen bei linken Protesten

Die Phase der wöchentlichen Legida-Demos und des unmittelbar notwendigen antifaschistischen Widerstandes dagegen ist vorbei, es findet momentan nicht wöchentlich ein Naziaufmarsch in Leipzig statt. Der rassistisch-nationalistische Normalzustand findet jedoch weiter unter anderem Ausdruck in den Wahlergebnissen. Damit ist und bleibt antifaschistischer Widerstand weiterhin notwendig.
Trotzdem ist zunächst Zeit für uns, die Geschehnisse zu reflektieren und die gemachten Erfahrungen mit Polizei und Repressionsorganen auszuwerten, denn die nächste Demo kommt bestimmt.

Im folgenden Text soll es um den Einsatz ziviler Bullen bei antifaschistischen und linken Demonstrationen und Aktionen gehen. Wir wollen keine Ängste schüren, sondern uns bewusst und reflektiert mit den Gefahren, die von zivilen Tatbeobachter*innen ausgehen, auseinandersetzen und uns überlegen, wie wir diesem Problem begegnen und welche neuen Perspektiven wir in einem offensivem Umgang mit Repression entwickeln können.

Was wissen wir?

Bei den Anti-Legida-Protesten wurden zivile Tatbeobachter*innen eingesetzt, welche Gegendemonstrant*innen beobachtet haben. Die selben zivilen Tatbeobachter*innen waren sowohl bei mindestens vier anderen Gegendemonstrationen eingesetzt als auch bei den Protesten am 12.12.2015 in Leipzig. Dabei gelang es den verdeckt eingesetzten Cops, sich in der Menge der Aktivist*innen unerkannt zu bewegen, Gespräche zwischen diesen mitzuhören und sogar aktiv Kontakt zu solchen herzustellen, sowie das Begehen vermeintlicher Straftaten, wie z.B. Steinwürfe aus nächster Nähe, mitzuverfolgen. Auch hängten sie sich an Aktivist*innen ran, welche sich vom eigentlichen Schauplatz des Geschehens wegbewegten, um beispielsweise ihre Kleidung zu wechseln.

Die so gesammelten Informationen wurden von den Repressionsbehörden mit den polizeilichen Videoaufnahmen von linken Demos sowie mit im Internet zahlreich auffindbaren und unverpixelten Fotos und Videos von Privatpersonen zusammen ausgewertet. So gelang es den Behörden auch, vermummten und schwarzgekleideten Personen ein Gesicht zuzuordnen. Des Weiteren wurden Personen, welche sich laut Videoaufnahmen vor Beginn von Demonstrationen begrüßten, von den Cops schon als Bezugsgruppen gewertet. Bilder von noch nicht identifizierten Personen, welche sich am 12.12.2015 auf der Straße befanden, wurden ins polizeiliche Intranet gestellt und nach ihnen wurde bei späteren linken Demonstrationen und Kundgebungen Ausschau gehalten.

Merkmale und Wiedererkennung

Aber woran erkennen Bullen Aktivist*innen bei verschiedenen Demos wieder? Worauf können wir achten, z.B. auch bei der Auswahl unserer Kleidung und Schuhe?

Viele Aktivist*innen sind bei Aktionen einheitlich schwarz oder dunkel gekleidet, weil die ähnliche Kleidung uns erstmal schützt, da wir nicht mehr als Einzelne zu identifizieren sind und uns in den Schutz der Menge begeben können. Durch einen besonderen, individuellen Tragestil der Kleidung, zum Beispiel eine bestimmte Art von Sportschuhen, die die gleichen Merkmale in Bezug auf Farbe aufweisen, eine immer gleich hochgeschlagene Hose oder die immer gleiche Mütze, erkennbar an Strickmuster oder Krempenbreite, selbstgestaltete Jutebeutel oder der immergleiche Sportbeutel, sowie die schick gemusterte Sonnenbrille werden Wiedererkennungsmerkmale für Bullen geschaffen, die ihre Arbeit erleichtern und uns durch solche Ermittlungen das Leben schwer machen.

Tipps:

Sprecht bei Demos nur mit Menschen, die ihr kennt und nicht nur schonmal gesehen habt – auch über Dinge wie „Was ist da denn passiert?“ oder „Was ist der Plan?“
Private Gespräche haben auf Demos und bei Aktionen nichts zu suchen!
Achtet auf eure Umgebung (welche Personen sind in der Nähe? Gibt es Kameras?), wenn ihr euch besprecht oder umzieht
Wenn ihr nicht wirklich alle Klamotten gewechselt habt und bei Aktionen beteiligt wart, geht nicht mehr auf Kundgebungen etc., wo Bullen visuelle Aufnahmen von euch machen können
Sprecht nicht über mögliche Straftaten oder schon gelaufene Aktionen und nennt keine Klarnamen
Schwarze Klamotten heißt schwarze Klamotten: also keine Logos auf Rücken, Brust oder Arm, keine bunten Schnürsenkel oder auffällige Applikationen an den Schuhen, keine individuell gestalteten Beutel
United we stand, divided we fall

Rote Hilfe Ortsgruppe Leipzig
November 2017

Nähere Infos zum Thema Polizeitaktiken findet ihr hier:

Autonomer Polizeibericht Berlin 2010
https://www.scribd.com/doc/46320555/Polizeibericht-Berlin-2010

Britta Eder: Tabos: „Zivile“ Tatbeobachter in anti atom aktuell nr. 241
http://anti-atom-aktuell.de/archiv200/241/241tabos.html