In den USA zeichnen sich Kommentare zur Praxis langjähriger Isolationshaft zumeist durch einen hohen Grad von Unwissenheit aus, weil sich die Kommentatoren auf ein Thema beziehen, das sie bislang nicht wahrgenommen haben und über das sie auch keine ausreichende Kenntnisse besitzen. Einer hohen Zahl von US-Bürgern – Frauen, Männern und Jugendlichen – geht es anders, denn sie kennen dieses Phänomen sehr genau, weil sie morgens darin erwachen und tagein, tagaus gegen die Qualen dieser Haftbedingungen ankämpfen müssen.
Die Isolationshaft ist letzten Endes eine politische Institution, weil sie untrennbarer Teil der politischen Institution Gefängnis ist. Isolation als Haftstatut wird von höchsten politischen Instanzen des Staates gebilligt: Gesetzgebern, Richtern und der Regierung. Sie ist das logische Ergebnis jahrelanger Propaganda von »Experten« und Politikern gleichermaßen, die sich gern damit rühmen, am härtesten gegen das Verbrechen vorzugehen. Ihr Credo ist: »Sperrt sie ein und werft den Schlüssel weg!« Solcher Mentalität großmäuliger Niedertracht entspringt das kaltherzige Regime der in Stahl und Beton gegossenen Isolationstrakte, unter deren Bedingungen Menschen zu Tausenden jeden Tag, jede Stunde, Minute für Minute die Erfahrung der Folter erleiden, der sozialen Ausgrenzung in der Hölle der Isolation.
Erschreckend daran ist, daß die Erkenntnisse über die Wirkung der Isolationshaft kein neuerworbenes Wissen sind. Als Philadelphia noch eine Stadt der Quäker war und die örtlichen Eliten das erste Strafgefängnis errichteten, um Delinquenten wieder auf den rechten Weg zu bringen, sperrten sie Menschen in abgeschiedene »Zellen der Stille« ein. Ihr einziger Begleiter war dabei die Bibel. Schon damals erkannte man aber ziemlich schnell, daß ein solches Haftregime Menschen in den Wahnsinn treibt. Das war also schon vor rund zweihundert Jahren bekannt. Wie kann es dann sein, daß dieses Wissen in der zweiten Häfte des 20. Jahrhunderts angeblich in Vergessenheit geriet? Ein Blinder mit Krückstock würde das Problem erkennen, aber die herrschende Politik ist geübt darin, wegzuschauen, und die Kerker unserer Gegenwart, in denen über hunderttausend Menschen unter den Bedingungen endloser Höllenqualen dahinvegetieren, sind das grauenvolle Resultat.
Die Politik unseres Landes ist nichts anderes als ein Ausdruck von Angst, und Angst ist das Geschäft unserer Medien. Sie schüren die Angst vor »fremden Rassen« und vor dem Aufbegehren der unteren Klassen. Aber wo Angst herrscht, breitet sich Haß aus. Und wo Haß ist, regiert die Gewalt. Der größte Verursacher von Gewalt ist aber der Staat, und staatliche Gewalt steht hinter dem Aufbau der größten je gekannten Maschinerie von Masseninhaftierungen, dem »gefängnisindustriellen Komplex«, wie er von Wissenschaftlern und Bewegungsaktivisten genannt wird. Das Isolations-haftregime ist ein wesentlicher Bestandteil dieses Komplexes. Die US-Medien, gern auch als »öffentliche Tribünen des Volkes« deklariert, ließen jetzt endlich verlauten, was wir schon seit Jahrzehnten wissen: Daß die Isolationshaft Folter ist. Schon im 19. Jahrhundert war sie als Folter erkannt, genau wie sie in den 1970er Jahren als Folter gebrandmarkt wurde. Und selbstverständlich ist Isolationshaft auch heute Folter. Und sie wird auch morgen nichts anderes sein.
Sie ist Folter für Menschen wie Russell Maroon Shoats. Der68jährige politische Gefangene, Ex-Black-Panther und Menschenrechtsaktivist sitzt seit 1972 in Pennsylvanias Gefängnissen. 21 Jahre dieser vier Jahrzehnte mußte er bis jetzt in Isolationshaft verbringen, weil er Organisationstalent besitzt und mehrfach Initiator der Selbstorganisation von Gefangenen war. Er steht beispielhaft für unzählige andere, die wie er lebenslang staatlich verordneter Einsamkeit unterworfen werden. Dabei werden diese Gefangenen nicht nur von ihren Angehörigen getrennt, sondern auch gezielt von ihren Mitgefangenen abgesondert. Die herrschende Politik hat diese Bauwerke der Angst und Ignoranz geschaffen, und nur eine entschlossene Bürgerschaft kann sie wieder abschaffen. Es ist höchste Zeit, dieser Folter ein Ende zu setzen.
Übersetzung: Jürgen Heiser
russellmaroonshoats.wordpress.com/