atyac ünsal

FREIHEIT FÜR DIE ANWÄLTiNNEN DES VOLKES IN DER TÜRKEI

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Die Anwaltskanzlei des Volkes in der Türkei hat ihre Wurzeln im Zeitraum der Militärjunta 1980 und hat seither die Verteidigung revolutionärer Gefangener, einer Vielzahl oppositioneller und fortschrittlicher Kräfte im Land übernommen.
Seit seiner Gründung wurde der Anwaltsverein von der politischen Polizei und der Staatsmacht verfolgt, an der Anwaltstätigkeit behindert und es mussten Mitglieder der Kanzlei auch schon mal für die Ausübung ihres Berufs mit ihrem Leben bezahlen.
1994 wurde Fuat Erdogan zusammen mit MandantInnen von Polizisten in einem Café erschossen, im August 2021 wurde die Anwältin Ebru Timtik infolge eines 238 Tage andauernden entschlossenen Todesfastenwiderstands für ein gerechtes Verfahren durch die politisch kontrollierte und jegliches rechtliche Prinzip missachtende türkische Justiz zu Tode gebracht.
Weltweit hatten Anwaltskammern, -verbände und JuristInnen für die Freilassung ihrer zu Unrecht inhaftierten KollegInnen protestiert, internationale Medienberichte folgten einer nach dem anderen als die Juristin mit ihrem Tod das ganze Land in Aufruhr versetzte und sie zusammen mit ihrer Forderung nach Gerechtigkeit von Tausenden gewürdigt wurde.
Ebru’s Kollege, der revolutionäre Anwalt Aytac Ünsal hatte den Todesfastenwiderstand mit ihr gemeinsam geführt. Auch er zögerte nicht einen Moment, ihn bis zum Ende fortzusetzen. Ünsal stoppte erst nach 215 Tagen Hunger, nachdem der Oberste Gerichtshof wegen seines kritischen Gesundheitszustands die Aussetzung seiner Haft für den Zeitraum von 1 Jahr angeordnet hatte und er freigelassen wurde.
Doch es dauerte nicht lange, bis ihn draußen die Schikanen der Polizei erreichten, das Haus in einem Istanbuler Wohnviertel, in dem er behandelt wurde, zweimal von der Polizei willkürlich gestürmt wurde. Es wurde damals in einer Stellungnahme festgehalten, dass bei einer völlig ungerechtfertigten Razzia nicht einmal die Corona-Maßnahmen eingehalten und das Haus von mehreren Polizisten ohne Schutzmasken betreten wurde, obwohl für Ünsal bekanntlich aufgrund seines schwachen Immunsystems höchste Ansteckungsgefahr bestand.
Als er sich -wohlgemerkt ohne irgendwelche Auflagen zu missachten- etwas Abstand von dieser Willkür gönnen wollte und in eine andere Stadt fuhr, wurde er mit dem Vorwand, er wolle aus dem Land fliehen unter Folter im Stadtzentrum von Edirne festgenommen und ohne richtigen Gerichtsbeschluss auf Anordnung des Innenministeriums erneut verhaftet. Nun wird seine Behandlung im Gefängnis massiv behindert. Er hat Entzündungen auf den Nervenenden und starke Schmerzen. Er braucht Vitamin B1 für seine Behandlung nach dem langen Todesfasten, was ihm verweigert wird. Man versucht Ünsal regelrecht zu eliminieren.
Nun wird erneut von vielen AnwältInnen aber auch Abgeordneten aus dem europäischen Ausland seine sofortige Freilassung gefordert und auch die Kampagne für die Freiheit aller inhaftierten AnwältInnen wird fortgesetzt.
Eine Initiative steht bereits auf dem Tagesplan:
Von 2.-4. April soll nämlich in Paris zum ersten Mal nach den Covid-19 Einschränkungen, die auch für größere Veranstaltungen gelten ein internationales Symposium für Gerechtigkeit stattfinden.
Dieses Symposium ist in erster Linie den im Todesfasten-Widerstand verstorbenen gewidmet. Neben Ebru Timtik sind zwei Mitglieder der linken revolutionären Band Grup Yorum, Ibrahim Gökcek und Helin Bölek, sowie der politische Gefangene Mustafa Kocak ums Leben gebracht worden. Ihre einzige und einheitliche Forderung war ein „faires Verfahren“ zu bekommen.
Die AKP-hörigen Richter haben bei den politischen Prozessen von Grup Yorum, den AnwältInnen sowie im Verfahren von Mustafa Kocak keinerlei rechtliche Prinzipien beachtet und im Sinne der politischen Macht geurteilt.
Es wird auf dem Symposium auch versucht werden, die Frage zu beantworten, wie man die Behörden in der Türkei für die tödlichen Folgen und die schweren Menschenrechtsverletzungen im Zuge dieser Prozesse und des Kampfes für Gerechtigkeit belangen könnte.
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Brief von Aytac Ünsal:
Wir gaben unser Leben unzählige Male
den Sternen
wir waren es, die am Himmel aufflammten
wir waren es, die in der Erde verschwanden
es sind unsere Namen, die geschrieben wurden
in unzähligen Stürmen“
Hallo, meine liebe…
Ich habe die Neujahrskarte und den Brief am 28. Dezember erhalten. Vielen Dank dafür, auch für die Herzlichkeit.
Du sagtest, wir haben mit Entsetzen beobachtet, was passiert ist. Ja, ich bin auch sehr wütend. Ich bin voller Zorn bis ins Mark. Sie haben meine Mandantinnen getötet, sie haben meine große Schwester getötet, und ich wurde von dem Moment an bedroht, als ich aus dem Gefängnis kam. Jetzt hat man mir das Recht auf Behandlung genommen. Unter diesen Bedingungen habe ich keine Chance, richtig behandelt zu werden. Und mein Recht auf Leben ist bedroht. Die Akte wird immer noch hinausgezögert. Der Prozess wird in die Länge gezogen. Wir werden das nicht akzeptieren, wir werden nicht schweigen.
Es gibt seitens des Obersten Gerichtshofes eine Entscheidung, um den Strafvollzug bis zu meiner Genesung aufzuschieben. Sie halten sich nicht daran!
Offensichtlich werden die Gesetze immer noch nicht befolgt. Wir sind sicher, dass diese Situation große Wut unter Revolutionären und Progressiven auf der ganzen Welt erzeugt. Wenn all diese Wut und Bemühungen zusammenkommen, wird es definitiv ein Resultat geben. Sieh Mal, Ali Osman, der über 60 ist, wird regelrecht dem Tod überlassen. Wir werden niemals dabei zusehen. Wir werden das nicht einfach hinnehmen. Wir werden unseren Kampf für Gerechtigkeit weiter ausbauen.
Ich sende meine hoffnungsvollen, begeisterten und loyalen Grüße an alle meine Freunde.
Ich liebe Euch sehr!
Aytac
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Folgendes Gedicht, das sie hier im türkischen Original hören werden, hat einer der derzeit 10 inhaftierten AnwältInnen des Volkes in der Türkei, Engin Gökoglu aus dem Tekirdag T Typ Gefängnis Nr 2 bei einem Telefonat im Gedenken an seine im Widerstand verstorbene Kollegin und Genossin Ebru Timtik verlesen.
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Bugün, faşizmin kanunlarıyla fiziken tutsak olan 10 Halkın Avukatlarından Engin GÖKOĞLU, geçen yıl adil yargılama için ölüm orucu direnişinde ölümsüzleşen meslektaşı ve yoldaşı Ebru TİMTİK için şiir okudu.
„Gittiğinde gökyüzü ağıdını kesmedi
Meğer tohumu yeşertmek içinmiş“
https://www.youtube.com/watch?v=_ye6Z27D3Bo&;feature=youtu.be

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