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MD: „Wer von der türkischen Besatzung spricht, darf die israelische Besatzung nicht ignorieren.“

Hallo, am 27.12. findet in Magdeburg die Demonstration „Freiheit für Palästina “ statt. Wie kommt ihr gerade in Zeiten der Pandemie dazu zu solch einer Demonstration aufzurufen?

Gerade wegen der weltweiten Corona-Pandemie und den sich trotzdem weiter zuspitzenden Verhältnissen in Palästina sowie in den von Israel besetzten Gebieten halten wir es für wichtig, den Fokus auf diesen Konflikt zu lenken. Wir wollen den Menschen, die von Besatzung und Ausbeutung betroffen sind, auch in dieser schweren Zeit eine Stimme verleihen. Im Gazastreifen gibt es bspw. keine lebensrettende medizinische Infrastruktur, um der Corona-Pandemie zu begegnen. Nur 63 Beatmungsgeräte und 78 Intensivbetten stehen für zwei Millionen Menschen zur Verfügung. Dazu kommt,der Wohnungsmarkt ist äußerst angespannt. Im Gazastreifen fehlen mindestens 12.000 neue Wohnungen für die dort lebenden Menschen. Dieser Umstand fördert die Verbreitung des Virus natürlich enorm. Hinzu kommt die angespannte ökonomische Lage vieler Menschen. Die Arbeitslosenquote lag bis vor kurzem bei 45 Prozent, unter Jugendlichen war sie noch höher. Aufgrund der Pandemie ist sie nochmals massiv gestiegen. Das alles ist wegen und neben der Besatzung durch den Israelischen Staat ein Katalysator für des Elend, in dem viele PalästinenserInnen leben müssen. Deshalb rufen wir gemeinsam mit dem Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen und einigen anderen Gruppen zu dieser Demonstration auf. Es ist uns wichtig, auf die momentanen Zustände, Besatzung und die Vertreibung der PalästinenserInnen hinzuweisen. Es ist uns auch wichtig, unsere Solidarität mit den legitimen Kämpfen gegen die Besatzung zum Ausdruck zu bringen.

Gibt es einen inhaltlichen Schwerpunkt ,welcher ausschlaggebend für diese Demonstration ist?
Anfang des Jahres stellte US-Präsident Trump seinen neuen sogenannten Friedensplan Nahost vor. Vorgesehen ist, in dem von US-amerikanischen und israelischen Politikern, unter Ausschluss der PalästinenserInnen zustande gekommenen Plan,dass die für JüdInnen, ChristInnen und MuslimInnen gleichermaßen wichtige Stadt Jerusalem nun ausschließlich zur Hauptstadt Israels wird. Die USA haben ihre Botschaft entsprechend schon dort hin verlegt. Die PalästinenserInnen sollen sich mit Teilen Ostjerusalems, einem Vorort zufrieden geben. Die illegalen israelischen Siedlungen sollen legalisiert, sowie weite Teile des Westjordanlands annektiert und zu israelischem Staatsgebiet erklärt werden. Natürlich ohne den dort lebenden PalästinenserInnen die israelische Staatsbürgerschaft mit entsprechenden Rechten zu zugestehen. Bei dieser politischen Auseinandersetzung geht es hauptsächlich um fruchtbares Land am Fluss Jordan. Zusätzlich, zu dem ohnehin völkerrechtlich illegalen Landraub, soll auch die

Protest in Ramallah gegen den „Friedensplan Nahost“
ebenfalls illegale Besetzung der Golanhöhen legitimiert und dem Staat Israel auch offiziell zugeschlagen werden. Die palästinensischen Flüchtlinge sollen nicht in ihre Heimat zurückkehren können, sie sollen auch keine Entschädigung erhalten und sich nur mit Zustimmung Israels auf palästinensischem Boden niederlassen können. Ein weiterer Punkt des Planes betrifft die Entwaffnung der palästinensischen Organisationen. Während Israel weiterhin eine der stärksten Armeen der Welt unterhält und die einzige Atomwaffenmacht in der Region ist, sollen die PalästinenserInnen „entmilitarisiert“ werden. Dieser „Jahrhundertdeal“ soll Palästina auch weiterhin und verstärkt auf Gedeih und Verderb Israel ausliefern. Als Gegenleistung für diese weitere Demütigung und völlige Entrechtung der palästinensischen Bevölkerung sollen 50 Milliarden Dollar von der internationalen Gemeinschaft nach Palästina fließen. Keine PalästinenserIn kann solche Bedingungen akzeptieren und entsprechend lehnen alle palästinensischen Organisation den Plan ab.

Wie können fortschrittliche Strukturen und Einzelpersonen sich überhaupt praktisch für die PalästinenserInnen und gegen die Israelische Besatzung engagieren?

Protest & Widerstand gegen die Besatzung
Wir von Zusammen Kämpfen verstehen uns als einen Teil der weltweit kämpfenden revolutionären Linken für eine Gesellschaft frei von kapitalistischer Ausbeutung und Unterdrückung, frei von Kriegen und frei von rassistischer und patriarchaler Unterdrückung. Deshalb beschäftigt uns der Kampf der PalästinenserInnen gegen Vertreibung, Krieg und Rassismus schon über viele Jahre. Auf der ganzen Welt ist der palästinensische Befreiungskampf ein Symbol für Widerstand und den Kampf gegen Unterdrückung. Deswegen wollen wir praktische Solidarität mit dem palästinensischen Volk und seinem Befreiungskampf zeigen. Deshalb unterstützen wir die BDS -Kampagne und den Aufruf der palästinensischen Zivilgesellschaft aus dem Jahr 2005 zur gewaltfreien und weltweiten BDS-Bewegung (www.bds-kampagne.de). BDS ist eine transnationale Kampagne, die mittels Boykotts, Desinvestitionen und Sanktionen versucht, Israel wirtschaftlich, politisch und kulturell zu isolieren, um folgende drei Ziele zu erreichen: Ende der Besetzung und Kolonisation allen arabischen Landes, Gleichheit der arabisch-palästinensischen BürgerInnen Israels sowie die Anerkennung des Rückkehrrechts der palästinensischen Flüchtlinge, die im Zuge der israelischen Staatsgründung 1948 vertrieben wurden. Eine wesentliche Maßnahme ist der weltweite Aufruf zum Boykott israelischer Waren. BDS begreift sich als explizit gewaltfreie Bewegung und als Teil der globalen antirassistischen Kämpfe.

Wie ist eure Einschätzung zum Konflikt und der Besatzung in Palästina?

Für uns ist Israel ein koloniales Siedlerprojekt sowie ein Apartheid Staat, welcher nur durch rassistische Vertreibung und militärische Besatzung überhaupt existieren kann. Die Auseinandersetzungen zwischen dem israelischen Staat und den PalästinenserInnen ist eben kein Konflikt zwischen der jüdischen und der islamischen Religion, wie uns so manche bürgerliche Medien in Deutschland weismachen wollen. Es ist der Kampf zwischen einem imperialistischen Staat und dem kolonialisierten palästinensischen Volk. Für die PalästinenserInnen bedeutete die Entstehung Israels, eines explizit jüdischen Staates, al Nakba – die Katastrophe. Im Zuge des ersten arabisch-israelischen Krieges 1948 wurden tausende palästinensische Zivilisten getötet, die israelische Armee zerstörte 418 palästinensische Dörfer, 800.000-900.000 PalästinenserInnen wurden zur Flucht gezwungen. Israel erweiterte in diesem Zusammenhang sein Territorium erheblich. Der zweite arabisch-israelische Krieg 1967 verursachte eine zweite große

Vertreibungswelle palästinensischer Menschen. Darüber hinaus wurden die Golanhöhen, der Gazastreifen und die Westbank militärisch durch Israel besetzt. Weit mehr als die Hälfte aller PalästinenserInnen leben deswegen bis heute unter menschenunwürdigen Bedingungen in Flüchtlingslagern, sowohl im Gazastreifen und der Westbank, als auch in den umliegenden arabischen Staaten. Seitdem leben die PalästinenserInnen unter militärischer Besatzung. Checkpoints, Massenverhaftungen und Ausgangssperren gehören zum Alltag. Die PalästinenserInnen können sich nicht frei bewegen, der Gazastreifen ist dauerhaft abgeriegelt und ähnelt einem riesigen Freiluftgefängnis. Eine palästinensische Wirtschaft kann unter solchen Umständen nicht entstehen und entsprechend hoch ist die Arbeitslosigkeit in den besetzten Gebieten. Tausende PalästinenserInnen sitzen in israelischen Knästen, Hunderte davon in sogenannter Administrativhaft also ohne Anklage oder Urteil, auch Kinder und Jugendliche darunter. Immer wieder werden palästinensische Menschen auf Demonstrationen gegen das Besatzungsregime von israelischen Soldaten erschossen. Allein im letzten Jahr töteten israelische Sicherheitskräfte 133 Menschen, von denen 28 minderjährig waren. Über 400 Kinder wurden 2020 von Israelischen Soldaten festgenommen. 170 palästinensische Minderjährige sitzen derzeit in drei israelischen Gefängnissen: Ofer, Damon und Megiddo. Die Häuser von PalästinenserInnen werden unter den verschiedensten Vorwänden zerstört, der Gazastreifen und das Westjordanland regelmäßig bombardiert. Arabische Menschen in Israel sind Bürger zweiter Klasse und werden in jeder Hinsicht benachteiligt. PalästinenserInnen werden von Israel also ausschließlich als billige Arbeitskräfte akzeptiert. Dem entsprechend kann unsere Forderung auch nur heißen: ein menschenwürdiges Leben für alle Menschen in der Region. Diese Haltung entspricht auch den Forderungen der linken und revolutionären Kräfte in Israel und Palästina, die wir nur unterstützen können.

Mit welchen Hindernissen hat die Palästina solidarische Bewegung in Deutschland zu tun?
Wie schon gesagt unterstützen wir die BDS-Kampagne aktiv. Zudem beschäftigen wir uns seit Jahren mit dem Thema der Besatzung in Palästina. Ebenfalls sehen wir als deutsche Linke unsere Aufgabe darin den deutschen Imperialismus und seine weltweiten Machenschaften zu thematisieren und die Menschen zu sensibilisieren und zu bilden. Immer wieder haben wir Infoveranstaltungen und Kundgebungen organisiert und besucht, um über die aktuelle Situation in Palästina aufzuklären und um den Forderungen der PalästinenserInnen in Deutschland eine öffentliche Bühne zu verschaffen. Denn seit Jahren wird es, nicht nur in Deutschland, palästinensischen Organisationen und ihren SympathisantInnen immer schwerer

AktivistInnen in Magdeburg vor dem Infoladen Stadtfeld
gemacht, sich öffentlich für ihre Anliegen einzusetzen. Palästinensischen und israelischen Linken, welche die Besatzung durch Israel kritisieren, wird regelmäßig der Zutritt zu Veranstaltungen, Demonstrationen und Räumlichkeiten verweigert. Dabei wird insbesondere der Antisemitismusvorwurf genutzt, um jegliche Kritik an der Besatzungspolitik Israels öffentlich zu diffamieren. Das zeigte sich auch daran, dass der Bundestag letztes Jahr einen Anti-BDS-Beschluss verabschiedete. Die Bürgerlichen Parteien taten das mit der Begründung, dass es sich bei der BDS-Initiative angeblich um eine antisemitische Kampagne handle.Unterstützung findet diese Resolution durch Vereine wie der Amadeu-Antonio Stiftung welche sie als Grundlage heranziehen um die Israelische Besatzung und das Apartheid System zu legitimieren. Ungeachtet der Tatsache, dass der Beschluss einen nichtbindende Resolution ist, wird er immer öfter de facto als Rechts- und Argumentationsgrundlage herangezogen, um gegen Pro-palästinensische Veranstaltungen und AktivistInnen vorzugehen. Mit einem pauschalen und nicht begründbaren Antisemitismusvorwurf gegen die BDS-Kampagne wird der dringend gebotene Kampf gegen Antisemitismus instrumentalisiert, um kritische Stimmen mundtot zu machen. Zusätzlich wird sogar von Linksliberalen, die Besatzungs-Politik einer ultrarechten israelischen Regierung verteidigt. Der wichtige Kampf gegen den Antisemitismus darf nicht gegen den Freiheitskampf der PalästinenserInnen ausgespielt werden. Deswegen haben wir im letzten Jahr VertreterInnen von BDS nach Magdeburg eingeladen und sind seitdem aktive UnterstützerInnen der Kampagne.

Habt ihr noch abschließende Worte an unsere LeserInnen?
Ja, auf jeden Fall. Wir richten diese Worte an alle Linken, die wie wir auch, seit Jahren den legitimen antikolonialen Befreiungskampf der Kurden unterstützen. Internationale Solidarität darf nicht selektiv sein. Der Imperialismus tötet unsere Schwestern und Brüder weltweit, weltweit muss auch unsere Solidarität sein. Wer von der Türkischen Besatzung spricht, darf die Israelische Besatzung nicht ignorieren. Kommt zu der Demonstration am 27.12 nach Magdeburg. Es ist wichtig deutlich zu machen, dass auch die PalästinenserInnen ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben frei von Besatzung und rassistischer Unterdrückung haben.

https://megaphon.org/wer-von-der-tuerkischen-besatzung-spricht-darf-die-israelische-besatzung-nicht-ignorieren/