Neue Entwicklungen im Prozess von Lina E. – Hausdurchsuchungen nach Aussagen von Johannes D.

Seit September 2021 stehen Lina E. und drei andere Angeklagte vor Gericht. Schon im November 2020 wurde Lina E. festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Die Verhandlung scheint endlos zu sein. Wirkliche Erfolge konnte die Staatsanwaltschaft noch nicht erzielen, denn für die Vorwürfe fehlt es an Beweisen. Lina E. kann bis zum heutigen Tag keine Tat eindeutig nachgewiesen werden, sodass einer der Anklagepunkte schon fallen gelassen wurde. Vor allem der Vorwurf der „Bildung einer linksextremen kriminellen Vereinigung“ (§129 Strafgesetzbuch) ist völlig haltlos, wie einer der Verteidiger von Lina E. sowie Prozessbeobachter sagen. Nicht nur die Beweislage ist völlig dünn und unzureichend, es gibt bis heute auch keine verlässlichen Zeugen, die vor dem Gericht ausgesagt haben. Viele der Zeugen sind bekannte Neonazis, die ihre Aussagen immer wieder geändert haben und unglaubwürdig wirken. Aber das ist noch nicht genug, denn gegen eine Vielzahl der verschiedenen Zeugen wird selbst ermittelt. So wurde im Mai ein LKA-Beamter befragt, der während der Verhandlung zugeben musste, dass er derzeit suspendiert ist. Er steht im Verdacht Tausende Schuss Munition aus den Polizeibeständen gestohlen zu haben. Der NPD-Politiker Enrico Böhm wurde vor wenigen Tagen wegen „Mitgliedschaft einer rechtsextremen Vereinigung“ festgenommen; vor wenigen Monaten hat er noch als Zeuge gegen Lina E. ausgesagt. Ebenso wurde der Nebenkläger Leon R. (unter anderem Nationaler Aufbau Eisenach und Knockout51) im April wegen rechtsextremen Straftaten festgenommen.

Der Fall zeigt eindeutig, wie eng Staat, Polizei und Nazis zusammenarbeiten. In diesem Fall ging es schon von Anfang an darum Linke zu kriminalisieren. Deswegen wurde Lina ohne, dass ihr nur eine einzige Tat nachgewiesen kann, in U-Haft gesteckt. Stattdessen wird mit dem wirren Vorwurf der „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ um sich geworfen. So wird die Antifaschistin wie eine Terroristin behandelt und vor Gericht hinter Panzerglas gesteckt. Auch die bürgerlichen Medien versuchen durch ihre Berichterstattung seit Tag 1 dieses Bild von Antifaschsit:innen zu zeichnen. Der Staat versucht verzweifelt ein Exempel an Lina E. zu statuieren und uns als antifaschistische Bewegung einzuschüchtern, doch bis heute gelingt das nicht.

Der Vergewaltiger Johannes D. sagt aus und kommt in den Zeugenschutz

Die Verhandlung sollte heute nach drei Wochen Pause wieder aufgenommen werden. Der Tag beginnt mit einem Paukenschlag: In den frühen Morgenstunden gab es Hausdurchsuchungen im Leipziger Stadtteil Connewitz, schnell wird klar, es werden neue Beweise für den Prozess gegen Lina E. gesucht. Eine Frau wurde im Zuge der Durchsuchungen vorrübergehend in Gewahrsam genommen. Mittlerweile wurde vom Oberlandesgericht Sachsen bestätigt, dass Johannes D., ebenfalls wegen mutmaßlichen Überfällen angeklagt, beim LKA sowie BKA ausgesagt hat. Es geht um sieben 20-seitige Protokolle mit seinen Aussagen über angebliche Tathergänge und Informationen über die Gruppe. Er befindet sich nun im Zeugenschutzprogramm. Die Hoffnung des repressiven Staats ist nun groß, dass Johannes D. auch als Zeuge vor Gericht aussagen wird.

Johannes D. ist nicht unbekannt in der linken Szene. Im Oktober letzten Jahres wurde er als Vergewaltiger öffentlich geoutet (https://de.indymedia.org/node/156448). Daraufhin wurde er aus allen linken Strukturen ausgeschlossen. Es gab immer wieder Vorwürfe das Outing wäre spalterisch und würde den Prozess gefährden. Der Prozess gegen Johannes lief zu diesem Zeitpunkt schon, auch sein Bild wurde schon im rechten Magazin Compact veröffentlicht. So weisen die Betroffenen den Vorwurf „gefährliche Informationen“ veröffentlicht haben zurecht zurück. Selbstverständlich ist es wichtig als Antifaschist:innen solidarisch mit denjenigen zu sein, die von Repressionen betroffen sind. Aber das darf kein Argument dafür sein Täter zu schützen. Denn sexuelle Gewalt ist auch in linken Kreisen kein Einzelfall und Frauen haben viel zu lange geschwiegen! Gegen Täter vorzugehen ist wichtig und dringend notwendig, nicht zuletzt auch um weitere Taten zu verhindern. Es ist falsch diejenigen, die unter der Gewalt von Johannes gelitten haben, zu beschuldigen sie würden dem Staat in die Karten spielen. Dass er ein Täter ist, war schon mindestens seit 2020 bekannt. Wie es haben alle einfach weggesehen und mindestens passiven Täterschutz betrieben. So war es zwingend notwendig, dass die Betroffenen Johannes D. öffentlich geoutet haben. Sie sind nicht verantwortlich dafür, dass Johannes D. eingeknickt ist und bei seinen ehemaligen Feinden ausgesagt hat. Es zeigt nur einmal mehr, dass, wie bei vielen anderen, nicht viel politische Überzeugung hinter dem „Antifa-Image“ steckt. Wenn es dann brenzlig wird und es um das eigene Wohlergehen geht, werden eben alle Prinzipien über Bord geworfen. Da gerade noch wenig Informationen öffentlich sind, kann man nur viel spekulieren, aber es ist sicherlich denkbar, dass der Sinneswandel von Johannes eine Rache Aktion an seinen ehemaligen Genoss:innen ist, die seine Gewalt nicht mehr toleriert haben.

Die Ereignisse von heute werden den Prozess sicherlich maßgeblich beeinflussen. Es sind noch Verhandlungstermine bis Ende Juni geplant, weitere werden sicherlich folgen. Unsere Solidarität gilt allen Antifaschist:innen die vor Gericht stehen.

Rote Hilfe e.V.

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