Über 50 000 Kurd_innen aus ganz Europa versammelten sich am Samstag auf dem Mannheimer Maimarktgelände zum 20sten kurdischen Kulturfestival und forderten Selbstbestimmung und ein Ende der Unterdrückung in der Türkei, Syrien, dem Iran und dem Irak. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei
Neben den Auftritten populärer kurdischen Musik- und Folkloregruppen war mit Transparenten, Fahnen und Redebeiträgen verschiedener Vertreter der kurdischen Bewegung und der sozialistischen Linken auch für einen explizit Charakter des kurdischen Kulturfestival gesorgt. So sprachen unter anderem der Co-Vorsitzende der Partei Frieden und Demokratie BDP (Nordkurdistan / Türkei), Selahattin Demirtas, der Vorsitzende der Partei der demokratischen Einheit PYD ( Westkurdistan / Syrien) Salih Müslüm Muhammed sowie Aktivist_innen der Kampagne „Tatort Kurdistan“. Der KCK-Vorsitzende Murat Karayılan rief mit einer Videobotschaft aus dem Guerillahauptquartier zum Widerstand gegen die Vernichtungspolitik der AKP-Regierung auf.
Der politische Charakter des Festivals war jedoch der Mannheimer Polizei ein Dorn im Auge. Unter dem Berufung auf das in Deutschland geltene PKK-Verbot soll sie einen wegen dem Tragen verbotener Fahnen verhaftet haben. Daraufhin kam es zu militanten Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen Festivalteilnehmer_innen und der Polizei, die mit Tränengas und Schlagstöcken gegen die Festivalteilnehmer_innen vorging. Nach Polizeiangaben sind bei den Auseinandersetzungen bis zu 40 Beamte leicht verletzt und mehrere Einsatzfahtzeuge beschädigt worden. Die Polizei soll mehrfach versucht haben das Festivalgelände zu stürmen, mussten sich jedoch aufgrund des massiven Widerstandes kurdischen Jugendlicher immer wieder zurückziehen. Über Stunden habe man „ keine Chance“ gehabt, die Lage zu beruhigen, sagte ein Polizeisprecher. Über 600 Beamte waren im Einsatz. Schon in den Tagen zuvor war die Polizei immer wieder gegen ein „langen Marsch“ kurdischer Jugendlichen vom französischen Strassbourg nach Mannheim vorgegangen und hatte mehrere Jugendliche verhaftet, nachdem es zu Auseinandersetzungen mit türkischen Faschist_innen der „Grauen Wölfe“ gekommen war.
Die Veranstalter der Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland (YEK-KOM) erklärte zu den Ereignisse auf dem Festival:
Die Verantwortung für den Ausbruch der Gewalt trägt in erster Linie die Polizei, die in den vergangenen Tagen vor allem die kurdischen Jugendlichen drangsalierte und zu provozieren versuchte. Am Freitag löste die Polizei in Mannheim den Marsch von ca. 100 kurdischen Jugendlichen auf, der in Straßburg gestartet war und wiederholt Angriffsziel türkischer Faschisten wurde. Mindestens zwei kurdische Jugendliche wurden nach bisherigen Erkenntnissen im Polizeigewahrsam Opfer von brutalen Misshandlungen. In einem Fall prügelten die Polizisten den Festgenommen mit Schlagstöcken auf Kopf und Rücken sowie durch Faustschläge ins Gesicht. Nach der Entlassung musste dieser Jugendliche bis Samstagmittag stationär im Krankenhaus behandelt werden. Der zweite verhaftete Jugendliche erlitt neben Prellungen eine Quetschung der Fußknöchel. Die Beamten entließen den verletzten Jugendlichen aus Frankreich trotz der Aufforderung einen Krankenwagen zu rufen.
Auslöser für die Auseinandersetzungen am Samstag war der Versuch der Polizei, einem 12jährigen Kind eine Fahne mit einem in Deutschland verbotenen kurdischen Symbol abzunehmen. Das Kind wurde dabei von den Beamten brutal behandelt und lief aus Angst in die Menge hinein. Drei Polizisten versuchten, das Kind zu ergreifen und wurden von anderen Teilnehmern aufgehalten. Zuvor wurden um ca. 14.30 Uhr 30 kurdische Ordnungskräfte der Veranstaltungsleitung von der Polizei gezwungen, sich aus dem Eingangsbereich zu entfernen. Hierdurch wurde das ausgearbeitete Sicherheitskonzept der Veranstaltungsleitung für den Eingangsbereich, die bis zu diesem Zeitpunkt die Sicherheit der friedlichen Veranstaltung gewährleistet hatte, von der Polizei bewusst sabotiert.
Daraufhin haben auf Grund der Hitze und der Auseinandersetzungen mit der Polizei tausende Teilnehmer versucht, das Gelände zu verlassen. Hierdurch entstand eine enorme Masse an Teilnehmern im Eingangsbereich. Die Teilnehmer fühlten sich von den Polizeikräften eingekesselt und wollten sich vom Gelände entfernen. Zahlreiche Teilnehmer wurden schließlich verletzt und konnten nicht behandelt werden.
Presserklärung der Veranstalter in vollem Wortlaut:
Demokratischer Dialog statt Gewalt: PKK-Verbot endlich aufheben
Wir bedauern die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und einigen kurdischen Jugendlichen am Rande unseres 20. Internationalen Kurdischen Kultur-Festivals. In der einseitigen Berichterstattung nicht erwähnt werden die etwa hundert durch Schlagstöcke und Tränengas der Polizei verletzten Veranstaltungsbesucher. Den Verletzten beider Seiten gilt unser Mitgefühl und wir wünschen ihnen rasche Genesung.
Am gestrigen Samstag feierten zehntausende Kurdinnen und Kurden aus Deutschland und weiteren europäischen Ländern zusammen mit internationalen Gästen ein friedliches Fest unter dem Motto „Freiheit für Öcalan – einen Status für Kurdistan“.
Die Verantwortung für den Ausbruch der Gewalt trägt in erster Linie die Polizei, die in den vergangenen Tagen vor allem die kurdischen Jugendlichen drangsalierte und zu provozieren versuchte.
Der türkische Unternehmer-Verband in Mannheim behauptete im Vorfeld des Festivals, es wären PKK-Anschläge auf türkische Einrichtungen geplant. Auch die Polizei unterstellte schon im Vorfeld, die erwarteten kurdischen Versammlungsteilnehmer seien grundsätzlich gewalttätig und ein Sicherheitsproblem. Durch diese Desinformationen der türkischen Lobby wurde die Sicherheitslage für die Veranstaltung bewusst gefährdet und kriminalisiert.
Am Freitag löste die Polizei in Mannheim den Marsch von ca. 100 kurdischen Jugendlichen auf, der in Straßburg gestartet war und wiederholt Angriffsziel türkischer Faschisten wurde. Mindestens zwei kurdische Jugendliche wurden nach bisherigen Erkenntnissen im Polizeigewahrsam Opfer von brutalen Misshandlungen. In einem Fall prügelten die Polizisten den Festgenommen mit Schlagstöcken auf Kopf und Rücken sowie durch Faustschläge ins Gesicht. Nach der Entlassung musste dieser Jugendliche bis Samstagmittag stationär im Krankenhaus behandelt werden. Der zweite verhaftete Jugendliche erlitt neben Prellungen eine Quetschung der Fußknöchel. Die Beamten entließen den verletzten Jugendlichen aus Frankreich trotz der Aufforderung einen Krankenwagen zu rufen.
Auslöser für die Auseinandersetzungen am Samstag war der Versuch der Polizei, einem 12jährigen Kind eine Fahne mit einem in Deutschland verbotenen kurdischen Symbol abzunehmen. Das Kind wurde dabei von den Beamten brutal behandelt und lief aus Angst in die Menge hinein. Drei Polizisten versuchten, das Kind zu ergreifen und wurden von anderen Teilnehmern aufgehalten.
Zuvor wurden um ca. 14.30 Uhr 30 kurdische Ordnungskräfte der Veranstaltungsleitung von der Polizei gezwungen, sich aus dem Eingangsbereich zu entfernen. Hierdurch wurde das ausgearbeitete Sicherheitskonzept der Veranstaltungsleitung für den Eingangsbereich, die bis zu diesem Zeitpunkt die Sicherheit der friedlichen Veranstaltung gewährleistet hatte, von der Polizei bewusst sabotiert.
Daraufhin haben auf Grund der Hitze und der Auseinandersetzungen mit der Polizei tausende Teilnehmer versucht, das Gelände zu verlassen. Hierdurch entstand eine enorme Masse an Teilnehmern im Eingangsbereich. Die Teilnehmer fühlten sich von den Polizeikräften eingekesselt und wollten sich vom Gelände entfernen. Zahlreiche Teilnehmer wurden schließlich verletzt und konnten nicht behandelt werden.
Eine Besucherin Berivan Ö. sagte gestern: „Wir sind vor der türkischen Polizei geflohen. Hier in Deutschland sollte es anders sein. Es sollte einen Unterschied zwischen den deutschen und türkischen Polizisten geben. Dies war heute hier nicht zu sehen. Wenn es um Kurden geht, handelt die Polizei genau gleich.“
Für Millionen Kurdinnen und Kurden ist die „Arbeiterpartei Kurdistans“ PKK eine legitime Vertretung ihrer demokratischen Rechte, die einen gerechten Kampf gegen Krieg und Unterdrückung führt. Deswegen lässt sich die kurdische Bevölkerung nicht verbieten, die Symbole der PKK öffentlich zu zeigen und sich zu ihr zu bekennen.
Wie auch in diesem Fall zu sehen ist, wird durch Verbotspolitik mit Gewalt, Beschlagnahmung und Festnahmen kein friedliches Zusammenleben ermöglicht.
Anstatt wie beim „Arabischen Frühling“ die völkerrechtliche Legitimität des Widerstands gegen lang anhaltendes Unrecht anzuerkennen, wird dieser im Fall der PKK von der Bundesrepublik willkürlich als Terrorismus diffamiert und kriminalisiert. Die staatliche Verbotspolitik und die Sicherheitsmaßnahmen der Polizei sind vor allem für die dritte Generation kurdischer Migranten in Europa nicht verständlich und nachvollziehbar. Dies führt immer wieder zur solchen Auseinandersetzungen wie in Mannheim, die wir als Veranstalter bedauern.
Wir verurteilen die Forderungen des baden-württembergischen Innenministers Gall und der Gewerkschaft der Polizei nach weiterer Einschränkung der Versammlungsfreiheit für Kurdinnen und Kurden. Eine weitere Einschränkung demokratischer Rechte der kurdischen Bevölkerung ist nicht hinzunehmen. Bei den bisher überwiegend in Nordrhein-Westfalen friedlich durchgeführten Veranstaltungen kam es zu keinerlei Ausschreitungen wie in Mannheim. Im Gegensatz zur Polizei verlief die Zusammenarbeit mit der Stadt Mannheim im Vorfeld äußerst kooperativ.
Als Veranstalterin fordert YEK-KOM als Konsequenz aus den Vorkommnissen am Rande unseres Festivals, das PKK-Verbot in Deutschland aufzuheben und die staatliche Repression und Kriminalisierung gegen politisch aktive Kurdinnen und Kurden einzustellen.
Die Bundesregierung muss darüber hinaus ihre Unterstützung für die türkische Regierung zurückziehen, solange diese weiter an Krieg, Verboten und Massenverhaftungen gegen die kurdische Opposition festhält.
Quelle: YEK-KOM – Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland e.V