Athen: Prozeßauftakt in Korydallos

In Griechenland stehen mutmaßliche Mitglieder einer Stadtguerillagruppe vor Gericht

Mit der Verlesung der Anklageschrift und ersten Stellungnahmen der Beschuldigten hat am Montag im Hochsicherheitsgericht von Korydallos bei Athen die Gerichtsverhandlung um Aktionen der Untergrundorganisation »Revolutionärer Kampf« (Epanastatikos Agonas, EA) begonnen. Formal hatte der Auftakt zum Prozeß bereits am 5. Oktober stattgefunden, dieser war aber wegen eines landesweiten Streiks der Rechtsanwälte gleich vertagt worden. Den angeklagten sechs Männern und zwei Frauen werden die Mitgliedschaft in der Stadtguerillaorganisation sowie die Beteiligung an deren Anschlägen zur Last gelegt. Auf das Konto der zwischen September 2003 und August 2009 agierenden Gruppen gehen 15 Angriffe auf Personen und Institutionen, darunter ein Attentat mit einem Raketenwerfer auf das Botschaftsgebäude der USA in Athen im Januar 2007. Die meisten Attacken richteten sich gegen Banken und Finanzinstitute, zweimal waren Polizeibeamte das Ziel. So wurde bei einem Angriff auf Angehörige der Polizei-Sondereinheiten im Januar 2009, kurz nach Ermordung des 15jährigen Schülers Alexis Grigoropoulos, der Beamte Diamantis Matzounis schwer verletzt.

Drei der Angeklagten, Nikos Maziotis, Pola Roupa und Kostas Gournas, haben sich zu einer Mitgliedschaft im EA bekannt, die übrigen fünf Beschuldigten, Christoforos Kortesis, Sarandos Nikolopoulos, Vangelis Stathopoulos, Kostas Katsenos und Maria Beracha, weisen jede Verbindung mit der Organisation von sich. In einer ersten Erwiderung auf die Anklage erklärte Maziotis am Montag, nicht sie, sondern »der Ministerpräsident und die Minister, die das Memorandum zur Ausplünderung des Volkes unterschrieben haben« gehörten zusammen mit »den Bankern, Unternehmern, Reedern, Trichet, Barroso und Strauss-Kahn« auf die Anklagebank. Sein Mitangeklagter Kostas Gournas bezeichnete die Anschläge als »nützlich für die Gesellschaft«. Kortesis, Stathopoulos und Nikolopoulos, die eine Zugehörigkeit zur Gruppe abstreiten, sehen sich wegen ihrer offenkundigen Zugehörigkeit zur griechischen anarchistischen Szene im Visier der Behörden. Sie bezeichneten die Anklage als politisch motiviert, während Maria Beracha sie als »Racheakt, weil ich die Frau von Kostas Gournas bin«, einordnete.

Bis auf den lange Zeit flüchtigen Kostas Katsenos, der sich am 30, September den Behörden gestellt hatte, befinden sich alle Angeklagten auf freiem Fuß. Maziotis, Roupa und Gournas, die im April 2010 verhaftet worden waren, wurden nach Ablauf der in Griechenland geltenden Höchstdauer der Untersuchungshaft Anfang Oktober unter Auflagen aus dem Gefängnis entlassen. Die zur gleichen Zeit inhaftierten Kortesis, Nikolopoulos und Stathopoulos sind bereits seit April 2011 wieder auf freiem Fuß, Maria Beracha war schon beim ersten Haftrichtertermin Haftverschonung gewährt worden. Der Prozeß wird am 1. November fortgesetzt.